21.08.2013

Präzisionsmessungen bei niedrigen Energien

Annalen der Physik: Basis für Studien fundamentaler Konstanten und Symmetrien des Standardmodells.

Physiker sehen sich heute großen Herausforderungen gegenüber, allen voran möchten sie eine Theorie hinter dem Standardmodell der Teilchenphysik finden und verifizieren, die letztendlich Gravitation und Quantenmechanik vereinen könnte. Ein wichtiger Eckpfeiler für Fortschritte bei der Erforschung der grundlegenden Wechselwirkungen sind neben Hochenergieexperimenten Präzisionsmessungen.

Abb.: Präzisionsmessungen bei niedrigen Energien sind Schwerpunkt des aktuelles Sonderhefts in Annalen der Physik. (Bild: Wiley-VCH)

„Während die Energieskala solcher Theorien höchstens von den größten Teilchenbeschleunigern erreicht werden könnten, wenn sie nicht gar außerhalb der Reichweite jedes Experiments liegen, so ist es doch möglich, mithilfe von Hochpräzisionsexperimenten nach unterdrückten Effekten innerhalb geringerer Energieskalen zu suchen,“ erläutern Klaus Blaum, Holger Müller und Nathal Severijns im Editorial der neuesten Ausgabe der Annalen der Physik. „Derartige Experimente können beispielsweise grundlegende Konstanten erforschen und ihre Zeitabhängigkeit eingrenzen, sie können helfen, die Dominanz der Materie über die Antimaterie zu verstehen oder nach neuen Arten von Wechselwirkungen zu suchen.“

Präzisionsmessungen hätten eine zentrale Rolle bei den Paradigmenwechseln in der Physik des zwanzigstens Jahrhunderts gespielt und sie würden das sehr wahrscheinlich auch weiterhin tun, zeigen sich die drei anerkannten Physiker überzeugt.
Klaus Blaum, Direktor der Abteilung Gespeicherte und Gekühlte Ionen am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg, Holger Müller, Assistant Professor für Atomare, Molekulare und Optische Physik im Department of Physics an der University of California in Berkeley und Nathal Severijns, Leiter der Nuclear and Radiation Physics Section an der Universität Leuven in Belgien fungieren als Mitherausgeber zweier Themenhefte der Annalen der Physik über „Precision Experiments and Fundamental Physics at Low Energies”. Die Ausgaben umfassen themenbezogene Übersichtsartikel sowie eine Serie von Originalveröffentlichungen derzeitiger Forschungen aus dem Gebiet der Präzisionsmessungen, die grundlegende Wechselwirkungen und deren Eigenschaften bei niedrigsten Energien behandeln.

Das erste Themenheft enthält Review-Artikel, die sich hauptsächlich auf fundamentale Konstanten und Symmetrie-Tests konzentrieren. So berichtet ein Artikel beispielsweise über kürzlich erzielte und mögliche zukünftige Fortschritte hinsichtlich der Genauigkeit des Unitaritätstests der Cabibbo-Kobayashi-Maskawa-Quark-Mischungsmatrix, die die Empfindlichkeit gegenüber einer neuen Physik, die nicht im Standard-Modell enthalten ist, weiter verbessern könnten.

Abb.: Im Laufe der Zeit erfolgte Verbesserung der relativen Präzision spektroskopischer Messungen an 1s-2s Übergängen in atomarem Wasserstoff. (Bild: Ubachs et al., Wiley-VCH / Hänsch et al., APS)


Aktuelle atomphysikalische Methoden zur Bestimmung der Feinstrukturkonstanten behandelt ein weiterer Artikel. Daneben zeigen neue quantenmechanische Berechnungen, dass molekulare Übergangsfrequenzen im Mikrowellen- und Sub-Millimeter-Bereich für eine Zahl von Molekülen, die üblicherweise in astronomischen Quellen zu beobachten sind, eine sehr hohe Empfindlichkeit gegenüber dem Wert der Feinstrukturkonstanten, aber auch gegenüber dem Elektron-Proton-Massenverhältnis aufweisen. Dies eröffnet einzigartige Möglichkeiten, Einsteins Äquivalenzprinzip mithilfe astrophysikalischer Methoden mit bisher unerreichter Empfindlichkeit zu untersuchen. Neben der Feinstrukturkonstante werden zudem die Rydbergkonstante und die 1S-Lamb-Verschiebung im Sonderheft abgehandelt und Wege für eine verbesserte Bestimmung dieser fundamentalen Konstanten präsentiert.

Mithilfe der AD(Antiproton Decelerator)-Einrichtung bei CERN fanden wichtige Experimente mit Antimaterie statt. Die beschriebenen Ergebnisse eröffnen neue Möglichkeiten für Tests der Symmetrie des Standard-Modells unter kombiniertem CPT-Betrieb (Charge conjugation, Parity and Time reversal) durch Vergleich der Eigenschaften von Partikeln und entsprechenden Antipartikeln, beispielsweise des magnetischen Moments des Protons und des Antiprotons.

Die in Kürze erscheinende zweite Ausgabe enthält weitere Reviews und Forschungsergebnisse, die der Studie fundamentaler Konstanten, grundlegenden Symmetrietests des Standardmodell und der Suche nach einer neuen Physik gewidmet sind. Der nukleare Beta-Zerfall und Neutronen-Zerfall beispielsweise eröffnen einzigartige Möglichkeiten, um nach neuen schwachen Wechselwirkungen zu suchen. Die Ergebnisse sind zur direkten Suche nach neuen Bosonen am LHC komplementär und können in ihrer Empfindlichkeit mithalten. Auch Neutrinos stellen einzigartige Sonden dar, um verschiedene grundlegende physikalische Aspekte zu erforschen, entweder via Labor- oder Oszillationsexperimenten oder sogar via Neutrino-Astronomie. Schließlich zielen viele Experimente seit kurzem auf Tests der Parität oder der CP-Symmetrie der schwachen Wechselwirkungen in atomaren Systemen ab.

Nathal Severijns / K. Mädefessel-Hermann / PH

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