Professuren für die Geschichte der Wissenschaften
Erklärung der historischen Fachgruppen der naturwissenschaftlichen Gesellschaften Deutschlands.
Selbstreflexion der Wissenschaften und Brückenbildner zwischen den zwei Kulturen: Dies leistet wie kaum ein anderes Fach die Wissenschaftsgeschichte. Sie hilft Studierenden, jungen und etablierten Forschenden ihr eigenes Tun kritisch und ethisch zu reflektieren. Sie überbrückt die verschiedenen Fachkulturen zwischen Geistes-, Sozial- und Naturwissenschaften. Der Wissenschaftsrat hat die Brückenfunktion der Wissenschaftsgeschichte ebenso wie ihre zunehmende Bedeutung zur Integration fachübergreifender Fragestellungen betont. Die hohe Beteiligung des Fachs an koordinierten Programmen der DFG unterstreicht dies. Interdisziplinäre Forschung, exzellente Ausbildung, erfolgreiche Drittmitteleinwerbung. Dafür braucht es starke Professuren.
Tatsächlich steht die Entwicklung des Faches im Widerspruch zu seiner Bedeutung: Die Zahl der wissenschaftshistorischen Professuren ging seit der Jahrtausendwende um ein Drittel zurück. Gegen diesen Trend, der aktuell die Zukunft des Faches in Deutschland bedroht, wenden sich die unterzeichnenden Fachgesellschaften mit der vorliegenden Stellungnahme, indem sie vor der Umwandlung bestehender W3/W2-Professuren für Wissenschaftsgeschichte in Juniorprofessuren warnen. Aufgrund der weitreichenden Konsequenzen für das von uns vertretene kleine Fach Wissenschaftsgeschichte weisen wir aus Verantwortungsbewusstsein für den wissenschaftlichen Nachwuchs und die Zukunft des Faches diese Praxis nachdrücklich zurück.
Die Mehrzahl der bestehenden Professuren für Wissenschaftsgeschichte ist als Alleinvertretungen besetzt, d.h. mit einer W2- oder W3-Professur in der gesamten Breite des Fachs. Wird eine volle Professur durch eine Juniorprofessur ersetzt, so reduziert sich die Lehrkapazität um mehr als die Hälfte. Derzeit ist unser Fach nur mehr an fünf Hochschulstandorten in Deutschland mit eigenständigen Studiengängen vertreten. Diese können nach einer Herabstufung der Fachvertretungen auf eine Juniorprofessur nicht mehr angemessen bedient werden. Interdisziplinäre Forschung und Ausbildung sowie eine erfolgreiche Drittmitteleinwerbung. Diese drei Säulen für den Erfolg unseres Faches kann niemand garantieren, der selbst noch unter Qualifikationsdruck steht. Die Säulen geraten ins Wanken, das Fach wird weiter geschwächt.
Insbesondere durch das „1000 Tenure-Track-Professuren“-Programm sind einige der etablierten Standorte der Wissenschaftsgeschichte gefährdet: Im Zuge des Programms verpflichten sich die teilnehmenden Hochschulen, einen bestimmten Prozentsatz ihrer bereits bestehenden W2- und W3-Professuren künftig als W1-Juniorprofessur mit Tenure-Track auf W2 oder W3 auszuschreiben. Wir lehnen es aufs Schärfste ab, diese Last auf die Wissenschaftsgeschichte oder andere kleine Fächer abzuwälzen. Die drohende Herabstufung von W2/W3-Professuren auf W1-Professuren wird die schwierige Situation weiter verschärfen.
Wir appellieren an Sie, die Erfolge der Wissenschaftsgeschichte an Ihrer Hochschule, an Ihrer Fakultät fortzuführen. Sorgen Sie dafür, dass eine starke Vertretung auch künftig nachhaltige Ausbildung, exzellente Forschung und erfolgreiche Drittmitteleinwerbung gewährleistet! Dafür bedarf es starker Professuren für die Wissenschaftsgeschichte!
Diese Erklärung wird getragen von den folgenden Gesellschaften und Fachgruppen:
- Astronomische Gesellschaft, Arbeitskreis Astronomiegeschichte
- Deutsche Gesellschaft für Geschichte und Theorie der Biologie
- Deutsche Gesellschaft für Psychologie, Fachgruppe Geschichte der Psychologie
- Deutsche Mathematiker-Vereinigung, Fachsektion Geschichte der Mathematik
- Deutsche Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie
- Deutsche Physikalische Gesellschaft, Fachverband Geschichte der Physik
- Gesellschaft Deutscher Chemiker, Fachgruppe Geschichte der Chemie
DPG / JOL