13.07.2010

Proton geschrumpft

Der Durchmesser des Protons ist erheblich kleiner als bisher angenommen. Das haben Experimente mit myonischem Wasserstoff am Paul Scherrer Institut ergeben.

Der Durchmesser des Protons ist erheblich kleiner als bisher angenommen. Das haben Experimente mit myonischem Wasserstoff am Paul Scherrer Institut ergeben.

Obwohl das Proton der wichtigste Baustein der Materie ist, geben seine physikalischen Eigenschaften noch immer zahlreiche Rätsel auf. So ist unklar, wie groß das Proton überhaupt ist. Frühere Messungen des Protonenradius hatten unterschiedliche Resultate gebracht. Jetzt haben Forscher am Paul Scherrer Institut (PSI) in Villigen in der Schweiz an myonischen Wasserstoffatomen, die statt eines Elektrons ein Myon besitzen, den Protonenradius mit bisher unerreichter Präzision gemessen. Doch das Resultat war etwa 4 % kleiner als erwartet. Dies wirft die Frage auf, ob die Theorie oder aber der Wert der Rydberg-Konstante korrigiert werden muss.

Die elektrische Ladung des Protons sitzt nicht in einem Punkt, wie das beim Elektron der Fall zu sein scheint, sondern ist über einen kugelförmigen Bereich verteilt. Dessen Radius bezeichnet man als Ladungsradius des Protons. Diesen Protonenradius rp hatte man durch Beschuss von Protonen mit Elektronen gemessen, allerdings nur mit einer Genauigkeit von 2 %. Die bislang genauesten Resultate lieferten spektroskopische Messungen an Wasserstoffatomen. Alle diese Ergebnisse sind in den aktuellen CODATA-Wert eingeflossen. Demnach ist rp = 0,8768(69) fm, mit einer Ungenauigkeit von etwa 1 %. Die neuen spektroskopischen Messungen an myonischem Wasserstoff haben hingegen rp = 0,84184(67) fm ergeben, wobei die Ungenauigkeit etwa 0,1 % beträgt.

Abb.: Ein Vergleich unterschiedlicher Werte für den Protonenradius. Das neue Experiment an myonischem Wasserstoff liefert den kleinsten und genauesten Wert. (Bild: Jeff Flowers, Nature)

  

Bei den früheren spektroskopischen Messungen des Protonenradius nutzte man aus, dass unterschiedliche elektronische Zustände im Wasserstoffatom unterschiedlich stark mit dem Proton überlappen. Je weiter ein Elektronenorbital in die Ladungswolke des Protons hineinreichte, um so mehr verringerte sich seine Energie. Verglich man die gemessenen Energien mit quantenelektrodynamischen Berechnungen, so konnte man einen Wert für den Protonenradius herleiten. Allerdings waren die gemessenen Energieunterschiede sehr gering und die deshalb nötigen Berechnungen äußerst kompliziert.

Um die spektroskopische Bestimmung des Protonenradius zu verbessern, haben die Forscher um Randolf Pohl bei ihren Experimenten am PSI mit myonischem Wasserstoff gearbeitet. Sie mussten sich dabei beeilen, denn Myonen zerfallen schon nach 2 µs. Da die Myonen eine etwa 200-mal größere Masse haben als die Elektronen, ist der Durchmesser des myonischen Wasserstoffatoms 200-mal kleiner als der des normalen Wasserstoffatoms. Die myonischen Orbitale überlappen daher wesentlich stärker mit dem Proton als die elektronischen. Der Einfluss des Protonenradius auf die Energien der myonischen Zustände ist deshalb ebenfalls viel stärker.

Den myonischen Wasserstoff stellten die Forscher her, indem sie den intensiven Myonenstrahl des PSI auf normalen Wasserstoff richteten. Die Myonen wurden vom Wasserstoff gestoppt und ersetzten die Elektronen in den Atomen. Es entstanden angeregte myonische Atome, von denen etwa 1 % im langlebigen 2S-Zustand war. Mit einem gepulsten Laserstrahl wurden diese Atome in den 2P-Zustand angeregt. Von dort gingen sie sogleich unter Abgabe von charakteristischer Röntgenstrahlung in den Grundzustand über. Mit Detektoren wurde diese Röntgenstrahlung gemessen.

Abb.:Teil des Lasersystems zur Messung der 2S - 2P Resonanz. (Bild: PSI/A. Antognini und F. Reiser / Jeff Flowers, Nature) 

Die Forscher variierten die Laserfrequenz und beobachteten, wie sich die Intensität der Röntgenstrahlung dabei änderte. So konnten sie die Energiedifferenz zwischen dem 2S- und dem 2P-Zustand messen. Diese Energiedifferenz wich um etwa 2 % von der Lamb-Verschiebung der beiden Zustände des myonischen Wasserstoffs ab, die man mit Methoden der Quantenelektrodynamik (QED) berechnet hat. Die Abweichung wurde dadurch verursacht, dass der 2S-Zustand stärker in das Proton hineinreichte als der 2P-Zustand. So wurde es möglich, aus der gemessenen Energiedifferenz den Protonenradius mit bisher unerreichter Genauigkeit zu ermitteln.

Der neue, schon erwähnte Wert rp = 0,84184(67) fm liegt allerdings 5 (!) Standardabweichungen unter dem bisher anerkannten CODATA-Wert. Das könnte daran liegen, dass die viel komplizierteren QED-Berechnungen, die den Auswertungen der früheren Messungen an normalem Wasserstoff zugrunde lagen, fehlerhaft waren. Es könnte auch daran liegen, dass der Wert der Rydberg-Konstante um 5 Standardabweichungen korrigiert werden muss. Weiteren Aufschluss sollen Experimente an myonischem Deuterium und Helium bringen.

RAINER SCHARF

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