03.09.2018

Protonengetriebene Plasmawellen bringen Elektronen in Fahrt

Teilchenbeschleuniger der Zukunft besteht ersten Test erfolgreich.

So leistungsstark die aktuellen Beschleuniger wie der Large Hadron Collider (LHC) am CERN auch sind: Schon jetzt ist abzu­sehen, dass deutlich höhere Energien gebraucht werden, um offene Fragen in der Teilchen­physik zu beantworten: Gibt es Super­symmetrie, was ist die Dunkle Materie, welche Kraft steckt hinter der Dunklen Energie? Allerdings lassen sich die bisher verwendeten Techno­logien nur mit hohem Aufwand verbessern und ausbauen. Daher stellt sich die Frage nach alter­nativen, kosten­günstigeren Beschleu­niger­konzepten. Mit AWAKE entwickeln Wissen­schaftler derzeit eine viel­ver­sprechende Technologie für Linear­beschleuniger, die Elektronen als Kollisions­material nutzen.

Abb.: Surfen im Teilchen­beschleuniger: Im AWAKE-Experi­ment bilden Protonen (kegelförmige Strukturen) eine Plasma­welle (ovale Strukturen), die Elektronen (kleine Kugeln) auf hohe Energien beschleunigen. (Bild: Jorge Vieira/IST Lisbon, Portugal)

„Unser Team verfolgt das Ziel, Elektronen mit Hilfe eines Plasmas auf einer relativ kurzen Distanz zu beschleunigen“, sagt Allen Caldwell, Direktor am Max-Planck-Institut für Physik und Sprecher von AWAKE. „Wir gehen davon aus, dass wir in einem künftigen Plasma­beschleuniger nur etwa einen Meter brauchen, um Elektronen auf einen Giga­elektronen­volt (GeV) zu bringen.“ Zum Vergleich: herkömmliche Linear­beschleuniger benötigen dafür 50 Meter.

Nach vierjähriger Entwicklungszeit vermelden die Wissen­schaftler nun den Durchbruch: Am 25. Mai 2018 beobachteten sie erstmals, wie sich mit AWAKE Elektronen beschleunigen ließen. Die Elektronen erreichten dabei eine Energie von zwei GeV.
„Mit einem solchen Erfolg hatten wir erst gegen Ende des Jahres gerechnet“, sagt Allen Caldwell. „Mit der jetzt erzielten Energie haben sich unsere Erwartungen voll erfüllt. In dieser frühen Projekt­phase ging es zunächst darum zu überprüfen, inwieweit sich das Prinzip der Plasma­beschleu­nigung umsetzen lässt.“

AWAKE nutzt ein Plasma, eine gasförmige Mischung aus positiv geladenen Atomen und negativen Elektronen, das sich in einer etwa zehn Meter langen Kammer befindet, der Plasma­zelle. In diese wird ein Protonen­strahl ein­ge­spritzt.

Auf ihrem Weg durchs Plasma ziehen die positiv geladenen Protonen die negativen Elektronen aus dem Plasma mit und produzieren eine Art Kiel­welle. Speisen die Wissen­schaftler zusätzliche Elektronen ein, reiten diese auf der Welle und werden beschleunigt. Die Idee der Kielfeld-Beschleu­nigung (englisch: Plasma Wakefield Accelaration) ist allerdings nicht ganz neu; schon in den 1970er Jahren war sie als innovativer Ansatz im Gespräch. Die ersten Versuche verwendeten allerdings keine Protonen als Wellen­generator.

Zunächst erzeugte man die Plasma­wellen mit Elektronen oder einem Laser. „Die erzeugten Wellen waren allerdings zu schwach für einen effektiven Teilchen­transport über eine längere Distanz“, erklärt Patric Muggli, AWAKE-Projekt­leiter am MPP. AWAKE verwendet als erstes Experiment Protonen: Sie sind schwerer, können das Plasma tiefer durch­dringen und damit andere Teilchen auf einer längeren Strecke mittragen. „Das Ergebnis ist eine höhere Energie der mitsurfenden Teilchen“, so Muggli.

Die Verwendung eines Protonen­strahls ist auch der Grund, warum sich AWAKE am CERN befindet. Denn so können die Wissen­schaftler energie­reiche Protonen aus dem SPS-Ring, einem der LHC-Vor­be­schleu­niger verwenden.

Abb.: Ein Gang zu neuen Teilchenbeschleunigern: Im Tunnel eines ehemaligen Neutrino-Experi­ments haben die Forscher der AWAKE-Ko­ope­ration eine zehn Meter lange Plasm­azelle aufgebaut, in der sie Elektronen auf einer Plasma­welle surfen lassen. Dieses Konzept ermöglicht es, Teilchen auf einer deutlich kürzeren Strecke auf eine hohe Energie zu bringen als in herkömm­lichen Beschleu­nigern. (Bild: Maximilien Brice/CERN)

Wie geht es nach diesem Meilen­stein weiter? Bis zum Ende des Jahres führen die Wissen­schaftler Versuche mit dem bestehen­den Aufbau durch. Danach folgt ein zwei­jähriger Shut-down des LHC und der anderen Beschleu­niger am CERN. Diese Zeit nutzen die Wissen­schaftler, um die Plasmazelle weiterzuentwickeln. Dabei hat das AWAKE-Team ein klares Ziel vor Augen.

„Schon 2024 wollen wir zeigen, wie AWAKE für wissen­schaftliche Projekte ein­ge­setzt werden kann“, sagt Allen Caldwell. – „Zum Beispiel um die Feinstruktur von Protonen zu verstehen oder nach neuen, Teilchen wie den ‚dunklen Photonen‘ zu suchen, die als Kandidat für Dunkle Materie infrage kommen.“

MPG / BW/PH / LK

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