06.12.2012

Pulverisierte Kruste und Magmawälle

Messungen des Sonden-Duos GRAIL zeigen: Die Kruste des Mondes ist dünner und poröser als gedacht.

Seit dem ersten Januar dieses Jahres umkreist GRAIL – das „Gravity Recovery and Interior Laboratory“ – den Mond. GRAIL besteht aus zwei waschmaschinengroßen Sonden, die in einem Abstand von rund 200 Kilometern um den Erdtrabanten kreisen. Mithilfe von Radiowellen messen die Flugkörper permanent mit hoher Genauigkeit ihren Abstand und ihre Relativgeschwindigkeit. Dadurch lassen sich Unregelmäßigkeiten des Schwerefeldes mit hoher Präzision analysieren.

Abb.: Die aus den GRAIL-Daten erstellte Schwerkraftkarte des Mondes. Rot bedeutet stärkere, blau schwächere Schwerkraft. Die meisten Schwankungen stimmen mit topgrafischen Strukturen wie z.B. Kratern überein. (Bild: NASA)

Im Fachblatt „Science“ stellen die an der GRAIL-Mission beteiligten Forscher nun die ersten Ergebnisse der vom 7. März bis zum 30 August gelaufenen Primärmission vor, während der die Tandem-Sonde den Mond in einer Höhe von 55 Kilometern umrundet hat. GRAIL hat die bislang genaueste Karte des lunaren Gravitationsfeldes geliefert. Diese Karte zeige „Strukturen, die bislang nicht aufgelöst werden konnten, einschließlich tektonischer Strukturen, vulkanischer Landformen, Ringe von Einschlagbecken, Zentralberge von Kratern und zahlreiche einfache Krater“, schreiben Maria Zuber vom Massachusetts Institut of Technology und ihre Kollegen.

98 Prozent der gravitativen Störungen stammen von topografischen Strukturen der Mondoberfläche, so die Forscher. Zubers Team hat unter Zuhilfenahme von Laser-Höhenmessungen des Lunar Reconnaissance Orbiters die von den Oberflächenstrukturen erwarteten Schwerkraft-Schwankungen berechnet und von den GRAIL-Daten abgezogen. Das verbleibende Signal lieferte den Forschern dann Informationen über den inneren Aufbau der Mondkruste.

Wie Mark Wieczorek von der Sorbonne-Universität in Paris und seine Kollegen berichten, ergibt sich aus den Messdaten für die Kruste eine Dichte von 2550 Kilogramm pro Kubikmeter – deutlich weniger als bislang angenommen. Mit 34 bis 43 Kilometern ist die Kruste zudem dünner als früher vermutet. „Die Dichte impliziert im Mittel eine Porosität von 12 Prozent bis in eine Tiefe von mehreren Kilometern“, so die Forscher. Die Wissenschaftler ziehen daraus den Schluss, dass die lunare Kruste während des Großen Bombardements in der Frühzeit des Sonnensystems geradezu pulverisiert worden ist. „Wir wussten, dass die Planeten in ihrer Frühzeit durch viele Einschläge erschüttert wurden“, so Zuber, „aber niemand hat geahnt, dass die Kruste des Mondes davon derart zerschlagen worden ist. Das bedeutet aber auch, dass es bei den Planeten einen ähnlichen Effekt gegeben haben muss.“ Das könne ihre frühe Entwicklung auf bislang unterschätzte Weise beeinflusst haben.

Überrascht wurden die GRAIL-Forscher auch von der Entdeckung mehrere hundert Kilometer langer, dünner und nahezu gradliniger Strukturen aus erstarrtem Magma unter der Mondoberfläche. Da diese „Deiche“ häufig von Kratern unterbrochen werden, schließen die Wissenschaftler, dass sie aus der Zeit vor dem Großen Bombardement durch Asteroiden stammen und damit unmittelbar aus der Entstehungsphase des Mondes. Der Erdtrabant ist nach heutigen Erkenntnissen aus den Trümmern des Zusammenstoßes der jungen Erde mit einem marsgroßen Protoplaneten entstanden. „Das hat dazu geführt, dass der Mond zunächst innen kühler war als außen“, so Jeff Andrews-Hanna von der Colorado School of Mines. „Dann hat sich das Mondinnere erwärmt und dadurch hat sich der Mond ein wenig ausgedehnt.“ Zwar nur um ein bis zehn Kilometer, aber das hat für die Bildung tiefer Spannungsrisse in der Kruste ausgereicht – die sich dann mit Magma gefüllt haben.

Rainer Kayser

PH

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