09.10.2019

Quanten-Vakuum mit negativer Energie

Verschränkungsentropie als Maß für das quantenphysikalische Verhalten eines Systems.

Energie ist eine Größe, die immer positiv sein muss – das sagt uns zumindest unsere Intuition. Wenn man aus einem bestimmten Volumen jedes einzelne Teilchen entfernt, bis es dort nichts mehr gibt, das Energie tragen könnte, dann muss doch Schluss sein. Die Quantenphysik hat immer wieder gezeigt, dass sie unserer Intuition widerspricht, und so ist es auch in diesem Fall: Unter bestimmten Bedingungen sind negative Energien erlaubt, zumindest in einem gewissen Bereich von Raum und Zeit. In welchem Rahmen das möglich ist, hat nun ein inter­nationales Forschungsteam der TU Wien, der Université libre de Bruxelles und dem IIT Kanpur untersucht. Dabei zeigt sich: Egal, welche Quanten­theorien betrachtet, egal, welche Symmetrien man im Universum als gegeben voraussetzt – es gibt immer gewisse Grenzen, an die man sich beim Ausleihen von Energie halten muss. Lokal kann die Energie kleiner als null sein, aber wie beim Geldaus­leihen von der Bank muss man den Betrag am Ende zurückzahlen.

Abb.: In bestimmten räumlichen und zeitlichen Grenzen sind in...
Abb.: In bestimmten räumlichen und zeitlichen Grenzen sind in Quanten­systemen negative Energien und Massen möglich. (Bild: TU Wien)

„In der Relativitäts­theorie geht man normalerweise davon aus, dass die Energie immer und überall größer als null sein muss“, sagt Daniel Grumiller vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. Das hat eine ganz wichtige Konsequenz für die Gravi­tation: Über die Formel E=mc² ist Energie mit Masse verknüpft. Negative Energie würde somit auch negative Masse bedeuten. Positive Massen ziehen einander an, aber mit einer negativen Masse könnte die Gravitation plötzlich zu einer abstoßenden Kraft werden. Die Quanten­theorie allerdings erlaubt so etwas. „Nach der Quantenphysik ist es möglich, sich Energie an einem bestimmten Ort gewisser­maßen aus dem Vakuum auszuleihen, wie Geld bei der Bank“, sagt Daniel Grumiller. „Offen blieb lange Zeit die Frage, wie hoch dieser Kredit maximal sein darf, und mit welchen Zinsen man ihn zurück­zahlen muss.“ Über diese Zinsen – „Quantum Interest“ – gab es verschiedene Vermu­tungen, aber kein umfassendes Resultat.

Die „Quantum Null Energy Condition“ (QNEC), die im Jahr 2017 bewiesen wurde, schreibt bestimmte Grenzen für das Ausleihen von Energie vor, indem sie Relativitäts­theorie und Quantenphysik miteinander verknüpft: Eine Energie kleiner als null ist demnach erlaubt, aber nur in einem bestimmten Gebiet und nur für bestimmte Zeit. Wie viel Energie sich man vom Vakuum ausborgen kann, bevor der energetische Kredit­rahmen ausgeschöpft ist, hängt mit einer quantenphysikalischen Größe zusammen, der Verschränkungs­entropie. „Diese Verschränkungs­entropie ist in gewissem Sinn ein Maß dafür, wie quanten­physikalisch sich ein System verhält“, sagt Daniel Grumiller. „Wenn sich irgendwo im Universum ein Objekt befindet, bei dem quanten­physikalische Verschränkungen eine sehr große Rolle spielen, zum Beispiel der Rand eines schwarzen Lochs, dann kann dort für gewisse Zeit ein negativer Energie­fluss entstehen, sodass negative Energien möglich werden.

Grumiller konnte diese speziellen Berechnungen nun gemeinsam mit Max Riegler und Pulastya Parekh verall­gemeinern. Max Riegler hat seine Disser­tation in der Forschungsgruppe von Daniel Grumiller an der TU Wien abgeschlossen und arbeitet nun als Postdoc in Harvard, Pulastya Parekh vom IIT in Kanpur war am Erwin-Schrödinger-Institut und an der TU Wien zu Gast. „Alle bisherigen Betrachtungen bezogen sich auf Quanten­theorien, die den Symmetrien der speziellen Relativitäts­theorie folgen. Wir konnten nun aber zeigen, dass diese Verbindung zwischen negativer erlaubter Energie und Quanten­verschränkungen ein viel allgemeineres Phänomen ist“, erklärt Grumiller. Die Energie­bedingungen, die ein Absaugen unendlicher Energiemengen aus dem Vakuum eindeutig verbieten, gelten unabhängig der speziellen Symmetrien für ganz unter­schiedliche Quantentheorien.

Mit mystischen „Over-Unity-Maschinen“, die angeblich aus dem Nichts Energie erzeugen, wie sie in eso­terischen Kreisen immer wieder präsentiert werden, hat das freilich nichts zu tun. „Dass die Natur für gewisse Zeit an einem bestimmten Ort eine Energie kleiner als null erlaubt, bedeutet nicht, dass der Energie­erhaltungssatz verletzt wird“, betont Daniel Grumiller. „Um an einem bestimmten Ort negative Energie­flüsse zu ermöglichen, muss es in der näheren Umgebung kompensierende positive Energieflüsse geben.“ Auch wenn die Sache etwas komplizierter ist als man früher dachte: Energie lässt sich nicht aus dem Nichts gewinnen. Durch die neuen Forschungs­ergebnisse lässt sich nun aber besser verstehen, wie Relativitäts­theorie und Quanten­theorien bei dieser Frage subtil miteinander zusammenhängen.

TU Wien / JOL

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