11.03.2014

Quantenbremse für Molekülrotationen

Neuartige Molekül-Ionenfalle ermöglicht Rotationstemperatur nach Maß.

Ein internationales Team aus Forschern der dänischen Universität Aarhus und des MPI für Kernphysik in Heidelberg hat einen effizienten und vielseitigen Weg gefunden, die Rotationstemperatur von Molekül-Ionen binnen Millisekunden einzustellen. Für die Experimente verwendete das Team eine Wolke aus Magnesium- und Magnesiumhydrid-Ionen. Diese sperrten die Forscher in eine eigens entwickelte Ionenfalle namens Cryptex (Cryogenic Paul Trap Experiment). Die Falle besteht aus vier stabförmigen Elektroden, die parallel und paarweise übereinander angeordnet sowie ebenfalls paarweise unterschiedlich gepolt sind. An den Elektroden liegt eine hochfrequente Wechselspannung an, mit der die Ionen im Mittel nahe der Längsachse der Falle gefangen werden. Die Falle ist auf wenige Kelvin gekühlt und ist evakuiert.


In die Paul-Falle, die aus vier Elektroden besteht, strömen von hinten links kalte Heliumatome. Durch Stöße mit Teilchen des Ionenkristalls, der im Zentrum der Falle schwebt, bremsen die Edelgasatome die Drehung der Molekül-Ionen und senken auf diese Weise deren Rotationstemperatur. (Bild: J. R. Crespo & O. O. Versolato, MPI-K)

In der Falle senken die Physiker per Laserkühlung die translationale Temperatur der Magnesium-Ionen auf wenige Kelvin, die Magnesiumhydrid-Ionen wiederum werden von den Magnesium-Ionen gekühlt. Es bildet sich schließlich ein regelmäßiger Coulomb- bzw. Ionenkristall aus einigen hundert Teilchen. Deren Abstände sind anders als in den von Mineralien bekannten Kristallen sehr groß. Daher sind die Teilchen, die der Kühllaser zum Leuchten bringt, im Lichtmikroskop auf ihren fixen Positionen zu erkennen. Bei den tiefen Temperaturen sind translationale und Rotationstemperatur nur noch schwach gekoppelt, bisher dauerte es Minuten bis Stunden, bis sich ein thermisches Gleichgewicht eingestellt hatte. Um auch die Drehung der Molekül-Ionen schnell abzubremsen, ließ das Team ein extrem verdünntes, kaltes Heliumgas in die Falle strömen. Durch Stöße mit den Molekül-Ionen wird Drehimpuls auf die Heliumatome übertragen.

„Wir haben die Rotationstemperatur von Molekül-Ionen in Millisekunden abgekühlt, und zwar stärker als das bisher möglich war“, sagt José R. Crespo López-Urrutia, Gruppenleiter am MPI-K. „Mit unserer Methode können wir die Rotationstemperatur der Teilchen zwischen etwa 7 und 60 Kelvin gezielt einstellen, und wir können die Rotationstemperatur der Moleküle in unserer Probe messen“, erklärt Oscar Versolato, der seitens der Heidelberger maßgeblich an den Experimenten beteiligt war. Das gezielte Aufheizen der Rotationstemperatur geschah durch Variation von Form und Größe des Ionenkristalls.

Kontrolle über die Rotation der Molekül-Ionen heißt für die deutsch-dänische Kollaboration aber nicht nur, die Drehgeschwindigkeit und mithin die Rotationstemperatur der Teilchen zu steuern, sondern diese auch durch das Ausnutzen von Quanteneffekten zu messen. Sie machen sich dabei zunutze, dass bei sehr kalten Temperaturen nur noch sehr wenige Zustände besetzt sind, die durch gezielte Anregung jeweils selektiv aus dem Ionenkristall entfernt werden können. Durch Vergleich der jeweiligen Größe des restlichen Kristalls werden die Besetzungszahlen und damit die Rotationstemperatur bestimmt.

Die hochpräzise Kontrolle der quantisierten Rotationszustände von Molekülen ermöglicht verschiedenste Anwendungen. So können Wissenschaftler im Weltall ablaufende chemische Reaktionen im Labor nur durchspielen, wenn sie die Reaktionspartner in dieselben Quantenzustände bringen können, in denen sie auch im interstellaren Raum vorliegen. Damit lässt sich dann quantitativ nachvollziehen, wie Moleküle im All gebildet werden, und letztlich die physikalische und chemische Entwickelung von interstellaren Wolken, den Brutstätten von Sternen und Planeten, aufklären. Eine ganz andere, irdische Anwendung sind Experimente zum Verständnis der Quantenphysik der Fotosynthese. Dies ist nicht nur für Biologen von Interesse, sondern könnte in Zukunft auch als Grundlage dienen, die Fotosynthese künftig für die Energieversorgung nachzuahmen und zu optimieren. Schließlich bietet die Kontrolle von Rotationsquantenzuständen auch die Chance, in Quantensimulationen physikalische Grundsatzfragen zu untersuchen, sowie Ansätze für die Entwicklung von Quantencomputern.

MPG / MD

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