Quanteneigenschaften spezieller metallischer Magnete enträtselt
Geometrische Frustration führt in CeRhSn zu Quantenkritikalität.
Als große Ausnahme bleibt Helium selbst am absoluten Nullpunkt unter Normaldruck im flüssigen Zustand. Ursache für dieses Phänomen ist die Heisenbergsche Nullpunktsenergie, eine Folge der Quantenmechanik. Daher gilt das Edelgas als „Quanten-Flüssigkeit“. Physiker der Universität Augsburg haben jetzt gemeinsam mit Kollegen von der japanischen Hiroshima University Kristalle aus einer speziellen Verbindung von Cer, Rhodium und Zinn synthetisiert und untersucht. Die Spins von CeRhSn gehen bei Abkühlen selbst bis zu wenigen Tausendsteln Grad über dem absoluten Nullpunkt nicht in einen geordneten Zustand über. Stattdessen zeigen Sie Quanten-Spinflüssigkeitsverhalten mit neuartigen Eigenschaften in gewisser Analogie zu flüssigem Helium.
Abb.: Philipp Gegenwart vor der Tieftemperatur-Messapparatur, mit der er und seine Kollegen die Quanteneigenschaften von CeRhSn ermitteln konnten. (Bild: UA, K. Satzinger-Viel)
Üblicherweise sind Spins bei tiefen Temperaturen wegen paarweiser Wechselwirkungen zwischen jeweils benachbarten Spins stabil und regelmäßig ausgerichtet. In CeRhSn-Kristallen sind die Spins ungewöhnlich angeordnet: Sie sitzen auf den Ecken miteinander verbundener Dreiecke. Diese spezielle Struktur macht es unmöglich, dass sich die übliche Ordnung ausbildet, bei der alle nächsten Nachbarspins antiparallel zueinander stehen – es herrscht geometrische Frustration. Sie begünstigt, dass die bei tiefen Temperaturen immer auftretenden Quantenfluktuationen in solchen Materialien einen besonders starken Einfluss haben und zu einem instabilen und fluktuierenden magnetischen Verhalten führen. „Diesen Zustand nennen wir Quanten-Spinflüssigkeit, er ist experimentell noch so gut wie unerforscht“, erläutert Philipp Gegenwart, Leiter des Lehrstuhls für Experimentalphysik VI.
Bisherige Untersuchungen zu den ungelösten Fragen im Zusammenhang mit Quanten-Spinflüssigkeiten hätten sich auf elektrisch isolierende Magneten beschränkt, so der Augsburger. „Wir haben einen neuen Weg eingeschlagen und erstmals in einem metallischen Magneten Hinweise auf Quanten-Spinflüssigkeitsverhalten beobachten können. Hierzu haben wir die Verbindung CeRhSn gezielt gewählt, um sowohl geometrische Frustration als auch eine zusätzliche Schwächung der magnetischen Ordnung durch die Wechselwirkung der magnetischen Momente mit Leitungselektronen zu erreichen."
Zu diesem Zweck wurden von den japanischen Projektpartnern hochwertige CeRhSn-Kristalle hergestellt, die die Augsburger dann mit speziell entwickelten, hochempfindlichen Messmethoden untersucht haben. Zu diesen Methoden zählt unter anderem die Detektion von kleinsten Längenänderungen bei Temperaturen bis zu wenigen Tausendsteln Grad über dem absoluten Nullpunkt.
„Unsere Messungen an CeRhSn-Kristallen beweisen, dass die Spins in Quanten-Spinflüssigkeiten nicht erstarren, sondern vielmehr bis zu den tiefsten Temperaturen ihren flüssigkeitsartigen Zustand beibehalten, weil sie sich aufgrund ihrer geometrischen Frustration quanten-kritisch verhalten", so Gegenwart, was jetzt erstmals exemplarisch eine metallische Quantenspinflüssigkeit charakterisiere und so ein vielversprechendes neues Forschungsfeld eröffne.
UA / OD