29.04.2015

Quanteneigenschaften spezieller metallischer Magnete enträtselt

Geometrische Frustration führt in CeRhSn zu Quanten­kriti­kalität.

Als große Ausnahme bleibt Helium selbst am absoluten Nullpunkt unter Normaldruck im flüssigen Zustand. Ursache für dieses Phänomen ist die Heisen­bergsche Nullpunkts­energie, eine Folge der Quanten­mechanik. Daher gilt das Edelgas als „Quanten-Flüssigkeit“. Physiker der Universität Augsburg haben jetzt gemeinsam mit Kollegen von der japanischen Hiroshima University Kristalle aus einer speziellen Verbindung von Cer, Rhodium und Zinn synthe­tisiert und untersucht. Die Spins von CeRhSn gehen bei Abkühlen selbst bis zu wenigen Tausendsteln Grad über dem absoluten Nullpunkt nicht in einen geordneten Zustand über. Statt­dessen zeigen Sie Quanten-Spin­flüssig­keits­verhalten mit neuartigen Eigen­schaften in gewisser Analogie zu flüssigem Helium.

Abb.: Philipp Gegenwart vor der Tieftemperatur-Messapparatur, mit der er und seine Kollegen die Quanteneigenschaften von CeRhSn ermitteln konnten. (Bild: UA, K. Satzinger-Viel)

Üblicherweise sind Spins bei tiefen Temperaturen wegen paarweiser Wechsel­wirkungen zwischen jeweils benachbarten Spins stabil und regelmäßig ausge­richtet. In CeRhSn-Kristallen sind die Spins ungewöhnlich angeordnet: Sie sitzen auf den Ecken miteinander verbundener Dreiecke. Diese spezielle Struktur macht es unmöglich, dass sich die übliche Ordnung ausbildet, bei der alle nächsten Nachbarspins anti­parallel zueinander stehen – es herrscht geometrische Frustration. Sie begünstigt, dass die bei tiefen Temperaturen immer auftretenden Quantenfluktuationen in solchen Materialien einen besonders starken Einfluss haben und zu einem instabilen und fluktuierenden magnetischen Verhalten führen. „Diesen Zustand nennen wir Quanten-Spin­flüssig­keit, er ist experi­mentell noch so gut wie unerforscht“, erläutert Philipp Gegenwart, Leiter des Lehrstuhls für Experimentalphysik VI.

Bisherige Untersuchungen zu den ungelösten Fragen im Zusammenhang mit Quanten-Spin­flüssig­keiten hätten sich auf elektrisch isolierende Magneten beschränkt, so der Augsburger. „Wir haben einen neuen Weg einge­schlagen und erstmals in einem metal­lischen Magneten Hinweise auf Quanten-Spin­flüssig­keits­verhalten beobachten können. Hierzu haben wir die Verbindung CeRhSn gezielt gewählt, um sowohl geometrische Frustration als auch eine zusätzliche Schwächung der magnetischen Ordnung durch die Wechsel­wirkung der magnetischen Momente mit Leitungs­elektronen zu erreichen."

Zu diesem Zweck wurden von den japanischen Projekt­partnern hochwertige CeRhSn-Kristalle hergestellt, die die Augsburger dann mit speziell entwickelten, hoch­empfind­lichen Mess­methoden untersucht haben. Zu diesen Methoden zählt unter anderem die Detektion von kleinsten Längen­änderungen bei Tempe­raturen bis zu wenigen Tausendsteln Grad über dem absoluten Nullpunkt.

„Unsere Messungen an CeRhSn-Kristallen beweisen, dass die Spins in Quanten-Spin­flüssig­keiten nicht erstarren, sondern vielmehr bis zu den tiefsten Temperaturen ihren flüssig­keits­artigen Zustand beibehalten, weil sie sich aufgrund ihrer geome­trischen Frustration quanten-kritisch verhalten", so Gegenwart, was jetzt erstmals exem­plarisch eine metal­lische Quanten­spin­flüssig­keit charakte­risiere und so ein vielversprechendes neues Forschungs­feld eröffne.

UA / OD

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