27.11.2014

Quantenkleber für Moleküle

Van-der-Waals-Kraft wächst nichtlinear mit steigender Molekülgröße.

Van-der-Waals-Kräfte wirken als eine Art Quantenkleber auf alle Arten von Materie ein. Wie stark sie einzelne Moleküle an eine Oberfläche binden, haben Wissenschaftler des Forschungszentrums Jülich mit einem neuen Messverfahren erstmals in allen wesentlichen Details experimentell bestimmt. Mit dem Rasterkraftmikroskop konnten sie nachweisen, dass die Kräfte nicht nur mit der Molekülgröße ansteigen, sondern sogar überproportional dazu anwachsen.

Abb.: Die Kraft auf jedes einzelne Atom im Molekül steigt mit der Molekülgröße. (Bild: FZ Jülich)

Obwohl vor rund 150 Jahren entdeckt, ist die Van-der-Waals-Kraft nach wie vor nur sehr schwierig zu bestimmen, wenn es um die Vorhersage des Verhaltens von Festkörpern, Flüssigkeiten und Molekülen geht. Präzise Messungen waren bisher nur für einzelne Atome oder makroskopische Objekte möglich. Von besonderer Bedeutung sind die Van-der-Waals-Kräfte jedoch gerade im mittleren Größenbereich, wo sie das Verhalten komplexer Moleküle, etwa von Biomolekülen und Proteinen, maßgeblich mitbestimmen.

„Mit unserer Methode konnten wir die Van-der-Waals-Kraft für einzelne Moleküle erstmals kontinuierlich über eine größere Distanz bestimmen“, berichtet Christian Wagner. Die gemessenen Werte stimmen mit theoretischen Vorhersagen überein, denen zufolge die Bindungsstärke mit der dritten Potenz des Abstands abnimmt – was die äußerst geringe Reichweite der Wechselwirkung erklärt. Zudem zeigte sich: Je größer das Molekül, desto stärker ist auch die Anziehung zur Oberfläche. Tatsächlich ist dieser Effekt sogar noch etwas stärker als einfache Modelle nahelegen. „In der Regel wird nur die Wechselwirkung aller beteiligten Atome addiert. Doch die Van-der-Waals-Kräfte, die wir gemessen haben, gehen um etwa zehn Prozent darüber hinaus", erklärt Wagner.

Der Grund für die überproportionale Zunahme: Die Van-der-Waals-Kraft geht auf eine Verschiebung der Elektronen in der Hülle von Atomen und Molekülen zurück, die von Quantenfluktuationen ausgeht. Da große organische Moleküle oftmals Elektronenwolken ausbilden, die sich über das gesamte Molekül erstrecken, bieten sie den Elektronen deutlich mehr Bewegungsfreiraum als ein einzelnes Atom. Daher lassen sie sich auch leichter verschieben, was die elektrische Anziehung überproportional erhöht.

Für die Messungen hefteten die Wissenschaftler komplexe organische Kohlenstoffverbindungen, die sie auf einer Metalloberfläche angelagert hatten, an die Spitze eines Rasterkraftmikroskops. Diese hatten sie ihrerseits an einem Schwingungssensor befestigt, sodass sich die Spitze ähnlich wie eine winzige Stimmgabel sehr schnell hin und her bewegt. Beim Ablösen der Moleküle von der Oberfläche verändert sich diese Schwingungsfrequenz und lässt Rückschlüsse auf die van-der-Waals-Kräfte zu, auch dann, wenn sich die Spitze bereits einige Moleküllängen – etwa vier Nanometer – von der Oberfläche entfernt hat.

Die ermittelten Werte sind auch für Simulationsrechnungen mittels der Dichtefunktionaltheorie interessant, deren Entwicklung 1998 mit dem Nobelpreis gewürdigt wurde. Das Verfahren ist die heute am häufigsten verwendete Methode zur Berechnung von strukturellen, elektronischen und optischen Eigenschaften von Molekülen und Festkörpern, hat aber trotz vieler Vorteile immer noch Probleme, die Van-der-Waals-Kräfte korrekt vorherzusagen.

FZJ / RK

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