03.07.2024

Quantenkontrolle von Elektronenspins

Quantenzustände der Spins lassen sich mit spinpolarisierten Strömen kontrollieren.

Zusätzlich zur elektrischen Ladung der Elektronen, nutzt man ihren Spin zunehmend, um damit zum Beispiel Daten zu speichern und zu verarbeiten. Auf dem Markt gibt es bereits Speicherelemente, die Infor­mationen in sehr kleinen, aber immer noch klassischen Magneten – also mit sehr vielen Elektronenspins - speichern. Diese MRAMs beruhen darauf, dass Ströme aus Elektronen mit parallel ausgerichteten Spins die Magnetisierung an einer bestimmten Stelle eines Materials ändern können. Dass man mit solchen spin­polarisierten Strömen auch die Quanten­zustände einzelner Elektronenspins in einem Molekül kontrollieren kann, zeigen Pietro Gambardella und seine Mitarbeitenden an der ETH Zürich. Ihre Ergebnisse könnten in Zukunft in verschiedenen Techno­logien eingesetzt werden, unter anderem zur Kontrolle der Quanten­zustände von Qubits.

Abb.: ETH-Forscher Stepan Kovarik vor der Vakuumkammer, in der die Proben für...
Abb.: ETH-Forscher Stepan Kovarik vor der Vakuumkammer, in der die Proben für das Spin-Experiment hergestellt werden.
Quelle: K. Dietrich, M. Feofilova & H. Baysal, D-MATL

„Traditionell werden Elektronenspins mittels elektro­magnetischer Felder, beispielweise Radio- oder Mikrowellen, manipuliert“, sagt Sebastian Stepanow, Senior Scientist in Gambardellas Labor. Diese Elektronenspinresonanz wurde bereits Mitte der 1940er Jahre entwickelt und wird seitdem unter anderem in der Materialforschung, Chemie und Biophysik eingesetzt. „Dass man Elektronen­spinresonanz von einzelnen Atomen anregen kann, wurde zwar schon vor einigen Jahren demonstriert; der genaue Mechanismus dafür war aber bislang unklar“, sagt Stepanow. Um die quanten­mechanischen Vorgänge hinter diesem Mechanismus genauer zu studieren, präparierten die Forschenden Moleküle von Pentacen auf einem Silbersubstrat. Auf diesem war zuvor eine dünne Isolier­schicht aus Magnesiumoxid aufgebracht worden. Diese Schicht sorgt dafür, dass sich die Elektronen im Molekül annähernd so verhalten wie jene eines Moleküls im freien Raum.

Mit einem Rastertunnel­mikroskop charakterisierten die Forschenden zunächst die Elektronenwolken im Molekül. Dabei wird der Strom gemessen, der beim sogenannten quanten­mechanischen Tunneln der Elektronen von einer Nadelspitze aus Wolfram zu dem Molekül entsteht. Nach den Gesetzen der klassischen Physik könnten die Elektronen den Spalt zwischen der Nadelspitze und dem Molekül nämlich nicht überwinden, da ihnen dazu die Energie fehlt. Die Quantenmechanik dagegen erlaubt es den Elektronen, dennoch durch den Spalt zu tunneln, was zu einem messbaren Strom führt. Dieser Tunnelstrom kann spin­polarisiert werden, indem man mit der Wolframspitze zunächst einige Eisenatome aufhebt, die sich ebenfalls auf der Isolierschicht befinden. Die Eisenatome bilden auf der Spitze eine Art Mini-Magneten. Fließt ein Tunnelstrom durch diesen Magneten, so richten sich die Spins der Elektronen im Strom alle parallel zu seiner Magneti­sierung aus.

Nun setzten die Forschenden die magnetisierte Wolframspitze einer Gleichspannung sowie einer schnell schwingenden Wechselspannung aus und massen den dadurch erzeugten Tunnelstrom. Durch Verändern der Stärke der beiden Spannungen sowie der Frequenz der Wechselspannung konnten sie charak­teristische Resonanzen im Tunnelstrom beobachten. Die genaue Form dieser Resonanzen wiederum erlaubte es, Rückschlüsse auf die Prozesse zu ziehen, die sich zwischen den tunnelnden Elektronen und denen des Moleküls abspielten. Aus den Daten konnten Stepanow und seine Kolleginnen und Kollegen zwei Erkenntnisse ableiten. Einerseits reagierten die Elektronenspins im Pentacen-Molekül wie in der gewöhnlichen Elektronen­spinresonanz auf das elektro­magnetische Feld, das durch die Wechsel­spannung entstand. Andererseits wies die Form der Resonanzen auf einen zusätzlichen Prozess hin, der ebenfalls den Spin der Elektronen im Molekül beeinflusste.

„Dieser Prozess ist die Spin-Drehmoment-Übertragung, für die das Pentacen-Molekül ein ideales Modellsystem ist“, sagt Stepan Kovarik. Bei der Spin-Drehmoment-Übertragung ändert sich der Molekül-Spin durch den spin­polarisierten Elektronenstrom ohne die direkte Einwirkung eines elektro­magnetischen Feldes. Die ETH-Forschenden konnten zeigen, dass auf diese Weise auch quantenmechanische Überlagerungs­zustände des Molekül-Spins erzeugt werden können, wie sie beispiels­weise in Quanten­technologien zum Einsatz kommen. „Diese Spin-Kontrolle durch spin­polarisierte Ströme auf Quanten-Ebene eröffnet verschiedene Anwendungs­möglichkeiten“, sagt Kovarik. Im Gegensatz zu elektromagnetischen Feldern wirken die spinpolarisierten Ströme sehr lokal und können auf weniger als einen Nanometer genau justiert werden. Mit solchen Strömen könnten elektronische Schaltelemente in Quanten-Geräten präzise angesteuert und so etwa die Quanten­zustände von magnetischen Qubits kontrolliert werden.

ETHZ / JOL

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