07.03.2013

Quantenmessprozess auf dem Prüfstand

Wie ein isoliertes Atom auf den Nachweis eines von ihm gestreuten Photons reagiert.

Während der Erfolg der Quantenmechanik unbestreitbar ist, wirft der Quantenmessprozess noch immer Fragen auf. Der „Kollaps der Wellenfunktion“ eines Quantensystems, das einer Messung unterzogen wird, unterscheidet sich grundlegend von anderen quantenmechanischen Vorgängen. In seinem Verlauf folgt das Quantensystem nicht der Schrödinger-Gleichung, sondern es geht, nach Zustandsverschränkung und Dekohärenz, in einen von mehreren ausgezeichneten Messzuständen über. Wie solche Messzustände auftreten, haben israelische Forscher durch Photonenstreuung an einem Atom beobachtet.

Abb.: Das in der linearen Paul-Falle (unten) sitzende Atom wird von einem z-polarisierten Laserstrahl in y-Richtung getroffen. Ein vom Atom in x-Richtung gestreutes Photon wird, nachdem es eine Linse, ein Viertel- und ein Halbwellenplättchen sowie einen Polarisationsstrahlteiler passiert hat, mit einem von zwei Photodetektoren nachgewiesen. Dadurch lässt sich seine lineare oder seine zirkulare Polarisation messen. (Bild: Y. Glickman et al. / Science)

Roee Ozeri und seine Kollegen vom Weizmann-Institut in Rehovot haben untersucht, wie durch die Wechselwirkung eines einzelnen Atoms mit einem von ihm gestreuten Photon der Spin des Atoms und die Polarisation des Photons in einen verschränkten Zustand kommen, und wie bei einer Polarisationsmessung am Photon das Atom in einen Messzustand mit definiertem Spin übergeht. Das einzelne Photon stellte hierbei die kontrollierte Wechselwirkung des Atoms mit seiner Umwelt her. In einem früheren Experiment gelang es den Forschern, die Auswirkungen der Photonenstreuung auf das Atom rückgängig zu machen.

Bei ihrem neuen Experiment haben Ozeri und seine Mitarbeiter ein Strontium-88-Ion in einer linearen Paul-Falle isoliert festgehalten und mit Laserlicht gekühlt. Ein schwaches Magnetfeld in z-Richtung sorgte dafür, dass die beiden Spinzustände des Atoms unterschiedliche Energien hatten und einzeln ansprechbar waren. Mit Licht- und Radiopulsen konnten die Forscher den Spinzustand initialisieren, in gewünschter Weise drehen und schließlich auslesen.

Für das Streuexperiment wurde das Atom einem längs der y-Achse gerichteten Laserstrahl ausgesetzt, der in z-Richtung linear polarisiert war. Die Laserfrequenz war in Resonanz mit einem bestimmten atomaren Übergang, sodass die Laserphotonen vom Atom gestreut werden konnten, indem sie von ihm zunächst absorbiert und dann umgehend wieder abgestrahlt wurden. Dies passierte mit einer Wahrscheinlichkeit von fünf bis zehn Prozent.

Abb.: Wird die Polarisation des gestreuten Photons gemessen, so kollabiert der atomare Spinzustand. Dabei ändert sich seine von Neumann-Entropie, die hier für alle möglichen Spinzustände auf der Bloch-Kugel aufgetragen ist. In x-Richtung ist die Änderung minimal (blau), auf dem y-z-Äquators ist sie maximal (rot). (Bild: Y. Glickman et al. / Science)

Photonen, die senkrecht zur y-z-Ebene in die x-Richtung gestreut wurden, liefen durch einen Polarisationsanalysator, der den Polarisationszustand der einzelnen Photonen in einer gewünschten Basis (linear oder zirkular) bestimmen konnte. Dabei wurde etwa jedes 400-ste gestreute Photon registriert. Die Forscher untersuchten nun, wie der Spinzustand des Atoms nach der Streuung eines Photons vom dessen Polarisation sowie vom atomaren Spinzustand vor der Streuung abhing.

Zeigte der atomare Spin ursprünglich in die positive oder negative x-Richtung, also längs der Flugrichtung der gestreuten Photonen, so waren diese Photonen rechts- bzw. linkszirkular polarisiert. Wegen der Drehimpulserhaltung drehte sich der atomare Spin in Folge der Photonenstreuung um, zeigte aber weiterhin längs der x-Achse. Wurde anschließend der zirkulare Polarisationszustand der Photonen gemessen, so änderte das den atomaren Spinzustand (+x) bzw. (–x) nicht mehr.

Anders war dies, wenn der atomare Spin in einer kohärenten Überlagerung von (+x) und (–x) war, also z. B. im Zustand (+z). Wurde wieder die zirkulare Polarisation des gestreuten Photons gemessen, so projizierte dies den atomaren Spin je nach dem zufällig auftretenden Messergebnis „rechtzirkular“ oder „linkszirkular“ in den Messzustand (+x) oder (–x). Aus dem reinen Anfangszustand (+z) war somit durch Dekohärenz ein statistisches Gemisch geworden, was mit einem Informationsverlust und einer Zunahme der von Neumann-Entropie einherging. Wurde die ermittelte Entropie für viele verschiedene Anfangszustände auf der Bloch-Kugel aufgetragen, die die Gesamtheit aller Spinvektoren bildlich darstellt, so war die Entropie minimal für (+x) und (–x), hingegen maximal für Linearkombinationen der y- und z-Spinzustände. Demnach war die Dekohärenz des Spinzustands auf dem „y-z-Äquators“ der Bloch-Kugel besonders stark. Dahinter steckte die Zustandsverschränkung zwischen Atom und Photon.

Nur wenn der atomare Spin ursprünglich in einem der beiden Messzustände (+x) und (–x) war, konnte ihn die Photonenstreuung nicht mit der Polarisation des Photons verschränken. Das zeigten die Forscher, indem sie für unterschiedliche Anfangszustände des atomaren Spins eine vollständige Zustandstomographie für das Atom und das Photon nach der Streuung durchführten. Den daraus ermittelten Grad der Verschränkung drückten sie durch die „Concurrence“ aus, die sie wieder auf der Bloch-Kugel auftrugen. Während die x-Zustände kaum mit den Photonen verschränkt waren, zeigte sich auf dem y-z-Äquators maximale Verschränkung.

Demnach wirkt die Beobachtung des Atoms durch Streuung eines Photons auf den atomaren Spinzustand zurück und projiziert ihn in einen der beiden ausgezeichneten Messzustände (+x) und (–x). Ist der Spin anfangs in einer kohärenten Überlagerung der Messzustände, so wird er mit dem Polarisationszustand des Photons verschränkt. Daraufhin tritt Dekohärenz auf und der Spin wird in einen der Messzustände projiziert. Hingegen wird der Spin nicht von der Photonenstreuung dekohärent beeinflusst, wenn er von Anfang an in einem Messzustand ist. Auch zwei und mehr Spins lassen sich in gemeinsame Zustände bringen, die die Umwelt nicht dekohärent beeinflussen kann. In diesen dekohärenzfreien Zuständen ließe sich Quanteninformation vor Umwelteinflüssen geschützt speichern. Mit mehreren Ionen in Paul-Fallen wollen die Forscher solche Zustände herstellen.

Rainer Scharf

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