08.05.2014

Quantenradierer für Zufallsphotonen

Interferenzexperiment mit verzögerter Wahl funktioniert jetzt auch mit thermischem Licht.

Ob Licht und Materie sich wellen- oder teilchenartig verhalten, hängt vom gewählten Experiment ab. Kann man z. B. beim Versuch am Doppelspalt den Weg der einzelnen Photonen verfolgen, so verschwinden die Interferenzerscheinungen der Lichtwellen. Sie treten jedoch wieder zutage, wenn man die Information über die Wege der Photonen nachträglich „ausradiert“. Jetzt konnten Wissenschaftler zum ersten Mal einen Quantenradierer für normales, thermisches Licht verwirklichen.

Abb.: Versuchsaufbau für den Quantenradierer: Das Laserlicht wird durch eine Milchglasscheibe (GG) auf zwei Schlitze (A und B) geworfen. Detektor D0 untersucht die Interferenz der von diesem Doppelspalt kommenden Photonen. Andere Photonen durchlaufen ein Mach-Zehnder-Interferometer und werden von den Detektoren D1 bis D4 registriert. Anschließend werden die Korrelationen der Zählraten ermittelt. (Bild: Tao Peng et al., PRL)

Die Idee des Quantenradierers („Quantum Eraser“) stammt von Marlan Scully und Kai Drühl. Sie hatten 1982 durch ein Gedankenexperiment gezeigt, dass die bis dahin gängige Interpretation der Welle-Teilchen-Dualität beim Doppelspaltexperiment unvollständig war. Schaut man für jedes einzelne Photon oder Elektron nach, durch welchen der beiden Spalte es fliegt, so verschwindet die Interferenz. Dies hatte man dadurch erklärt, dass beim „Nachschauen“ (etwa durch Streuung an anderen Teilchen) das Photon oder Elektron eine zufällige Phase erhält, die seine Interferenzfähigkeit zerstört.

Scully und Drühl ersetzten die beiden Spalte durch zwei Atome, die ein kurzwelliger Lichtpuls dazu bringt, ein langwelliges Photon abzustrahlen, wobei das Atom dann in einem angeregten Zustand verbleibt. Die von den beiden Atomen kommenden Photonen werden von einem Schirm aufgefangen, wo sie indes kein Interferenzmuster erzeugen, da sich am jeweiligen Zustand der Atome erkennen lässt, von welchem Atom ein jedes Photon stammt. Löscht man diese im Atom gespeicherte Information jedoch mit Hilfe eines weiteren Lichtpulses aus, der beide Atome im selben Zustand enden lässt, so kann man das Interferenzmuster wieder zum Vorschein bringen.

Dieses Gedankenexperiment haben inzwischen mehrere Forschergruppen realisiert. Im Jahr 2000 hatten Yanhua Shih und seine Kollegen in Zusammenarbeit mit Scully einen Quantenradierer für quantenmechanisch verschränkte Photonen hergestellt. Dazu regten sie zwei Atome (A, B) mit Laserlicht an, woraufhin diese Paare von verschränkten Photonen abstrahlten. Während das erste Photon eines Paares vom Detektor D0 registriert wurde, gelangte das zweite über mehrere Strahlteiler eines Mach-Zehnder-Interferometers zeitverzögert zu einem von insgesamt vier Detektoren. Wurde es vom Detektor D3 oder D4 registriert, so musste es vom Atom A bzw. B gekommen sein. Damit stand auch die Herkunft des ersten Photons fest, sodass keine Interferenz möglich war.

Abb.: Wird der Weg der einzelnen Photonen durch den Doppelspalt bestimmt, verschwindet die Interferenz (ΔR04). (Bild: Tao Peng et al., PRL)

Wurde das zweite Photon hingegen vom Detektor D1 oder D2 registriert, so trat der Quantenradierer in Aktion, der die Information über die Herkunft dieses Photons auslöschte. Es konnte nun ebenso gut von Atom A wie von Atom B stammen. Damit war auch die Herkunft des ersten Photons unbestimmt, sodass in diesem Fall Interferenz auftreten konnte. Wenn man aus den Photonen, die vom Detektor D0 registriert wurden, nur die auswählte, bei denen auch der Detektor D1 bzw. D2 ein Photon registriert hatte, so wurde beim Verschieben von D0 quer zur Strahlrichtung in beiden Fällen an der D0-Zählrate ein Interferenzmuster sichtbar.

Abb.: Indem der Quantenradierer die Information über den Weg der Photonen löscht, lässt er die Interferenz wieder hervortreten (ΔR01). (Bild: Tao Peng et al., PRL)

Erstaunlicherweise kann man diesen Quantenradierer in abgewandelter Form auch mit normalen, thermischen Photonen betreiben, wie die Forscher um Shih und Scully jetzt gezeigt haben. Diese Zufallsphotonen stellten sie her, indem sie mit einem He-Ne-Laser eine rotierende Milchglasscheibe bestrahlten, wobei die Kohärenzlänge des entstehenden Lichtes 160 Mikrometer betrug. Hinter der Scheibe befand sich in einem Abstand von 25 Zentimetern eine Blende mit zwei Schlitzen (A, B), die 150 Mikrometer breit und 0,7 Millimeter voneinander entfernt waren.

Passierten zwei Photonen zufällig (nahezu) gleichzeitig denselben Spalt, so waren sie miteinander korreliert; gingen sie durch unterschiedliche Spalte, so waren sie es nicht. Entsprechend schwankten die Photonenzahlen in korrelierter Weise nur innerhalb ein und desselben Schlitzes, nicht aber über beide Schlitze. Anhand der Teilchenzahlschwankungen ließen sich diejenigen Photonenpaare identifizieren, die aus demselben Schlitz kamen. Solche Paare von korrelierten Zufallsphotonen traten an die Stelle der verschränkten Photonenpaare des früheren Quantenradierer-Experiments.

Für den neuen Quantenradierer bündelten die Forscher einen Teil des vom Doppelspalt kommenden Lichtes mit einer Linse auf einen wiederum beweglichen Photonendetektor D0. Einen anderen Teil des Lichtes lenkten sie durch ein Mach-Zehnder-Interferometer auf vier Photodetektoren D1 bis D4. Wurde ein Photon von D3 oder D4 registriert, so musste es vom Schlitz A bzw. B gekommen sein. Ein damit korreliertes Photon, das von D0 registriert worden war, musste dann ebenfalls von A oder B stammen. Eine Interferenz war damit ausgeschlossen. Wurde hingegen ein Photon von D1 oder D2 registriert, so war dessen Herkunft genauso unbestimmt wie die des mit ihm korrelierten und von D0 registrierten Photons. In diesem Fall war die Information über den Ursprung der Photonen ausradiert worden, sodass Interferenz möglich wurde.

Indem die Forscher aus den gemessenen Detektorsignalen die Korrelationen der Teilchenzahlschwankungen ΔR0k=<Δn0Δnk> (mit k=1 bis 4) ermittelten, berücksichtigten sie bei der Suche nach dem Interferenzsignal nur die paarweise korrelierten Photonen. Wurde der Detektor D0 quer zur Strahlrichtung bewegt, so zeigten die Korrelation ΔR01 ein ausgeprägtes Interferenzmuster, während an ΔR04 erwartungsgemäß keine Interferenz erkennbar war. Wie schon im früheren Experiment konnten man auch hier nahezu beliebig lange hinauszögern, ob man an den zuvor vom Detektor registrierten Photonen den Wellen- oder den Teilchenaspekt hervortreten lässt. Dass dies auch mit zufällig erzeugten und umherfliegenden thermischen Photonen gelingt, ist umso erstaunlicher.

Rainer Scharf

DE

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