26.06.2024

Quantenrechner löst Problem der Materialforschung

Qubit-Verbindungen in einem Quantenannealer bilden die Wechselwirkungen von Elektronen ab.

Schon lange verfolgen Physikerinnen und Physiker die Idee, Quanten­teilchen mit einem Computer zu simulieren, der selbst aus Quantenteilchen besteht. Genau dies ist Wissenschaftlern des Forschungs­zentrums Jülich nun gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Slowenien gelungen. Sie konnten zeigen, dass die Qubit-Verbindungen in einem Quantenannealer die Wechsel­wirkungen von Elektronen in einem real existierenden Quantenmaterial direkt abbilden. Das Ergebnis ist ein bedeutender Fortschritt und zeigt die praktische Anwendbarkeit eines Quanten­annealers bei der Lösung material­wissenschaftlicher Probleme. Darüber hinaus haben die Forschenden Faktoren bestimmt, welche die Energieeffizienz und Beständigkeit von Quanten­speichergeräten verbessern können.

Abb.: Illustration einer Quantensimulation von 1T-TaS2, die auf der...
Abb.: Illustration einer Quantensimulation von 1T-TaS2, die auf der Verarbeitungseinheit eines Quantenannealers durchgeführt wird.
Quelle: J. Vodeb & Y. Vaskivskyi, Jozef Stefan Inst.

Anfang der 1980er Jahre stellte Richard Feynman die Frage, ob es möglich sei, die Natur mit einem klassischen Computer präzise zu modellieren. Seine Antwort lautete: Nein. Die Welt besteht tief im Inneren aus funda­mentalen Teilchen, beschrieben durch die Quantenphysik. Das exponentielle Wachstum der Möglichkeiten, die in die Berechnungen einfließen müssen, bringt selbst die leistungs­fähigsten Supercomputer an ihre Grenzen. Feynman schlug stattdessen vor, einen Computer zu verwenden, der selbst aus Quanten­teilchen besteht. Mit seiner Vision gilt Feynman vielen als Urvater des Quantencomputers. 

Das Forschungsteam hat nun gezeigt, dass sie sich diese Idee tatsächlich praktisch umsetzen lässt. Bei dem von ihnen betrachteten Anwendungsfall handelt es sich um ein Vielteilchensystem. Solche Systeme beschreiben das Verhalten einer sehr großen Anzahl von Teilchen, die miteinander wechselwirken. In der Quantenphysik helfen sie dabei, Phänomene wie Supraleitung oder Quanten­phasenübergänge am absoluten Nullpunkt zu erklären. Statt thermischer Fluktuationen gibt es bei einer Temperatur von 0 Kelvin nur noch Quanten­fluktuationen, die auftreten, wenn ein physikalischer Parameter wie das Magnetfeld verändert wird.

„Eine Herausforderung bei der Erforschung von Quanten­materialien besteht darin, die Phasenübergänge von Vielteilchensystemen quantitativ zu messen und zu modellieren“, sagt Dragan Mihailović vom Jožef Stefan Institute. Nun untersuchten die Forschenden das Material 1T-TaS2, das von der supraleitenden Elektronik bis hin zu energie­effizienten Speicher­geräten Verwendung findet. „Wir haben das System in einen Nichtgleichgewichtszustand versetzt und dann beobachtet, wie sich die Elektronen im Festkörpergitter nach dem Nichtgleich­gewichts-Phasenübergang neu anordnen – sowohl experimentell als auch durch Simu­lationen“, sagt Jaka Vodeb vom Jülich Supercomputing Centre. Alle Berechnungen wurden mit dem Quantenannealer der Firma D-Wave durchgeführt, der in die Jülicher Nutzer­infrastruktur für Quantencomputing - JUNIQ - eingebunden ist.

Die Forschenden konnten den Übergang von der temperatur­gesteuerten zur verrauschten, von Quanten­fluktuationen dominierten Dynamik, erfolgreich nachbilden. Mit den Qubit-Verbindungen im Quantenannealer ließen sich die mikroskopischen Wechselwirkungen der Elektronen direkt abbilden. Die Ergebnisse stimmen mit theoretischen Vorhersagen und experimentellen Ergebnissen sehr gut überein. Es gibt aber auch einen praktischen Nutzen. Ein besseres Verständnis von 1T-TaS2-basierten Speicher­geräten könnte zu einem praktischen Quanten­speichergerät führen, das direkt auf einer Quanten­verarbeitungseinheit (QPU) implementiert wird. Solche Geräte können zur Entwicklung energie­effizienter elektronischer Geräte beitragen und damit den Energieverbrauch von Computersystemen entscheidend senken.

Die vorliegende Studie zeigt: Es ist möglich, praktische Probleme mit Quanten­annealern zu lösen. Sie können in der Kryptographie, den Material­wissenschaften oder bei der Simulation komplexer Systeme eingesetzt werden. Darüber hinaus haben die Erkenntnisse aber auch eine direkte Auswirkung auf die Entwicklung energie­effizienter Quanten­speichergeräte.

FZJ / JOL

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