18.02.2011

Quantenreflexion lässt Heliumdimere überleben

Die äußerst fragilen Moleküle werden an einer Oberfläche reflektiert, ohne das starke Oberflächenpotential zu spüren.

Die äußerst fragilen Moleküle werden an einer Oberfläche reflektiert, ohne das starke Oberflächenpotential zu spüren.

Die van der Waals-Kraft zwischen einer Materialoberfläche und einem ungeladenen Atom oder Molekül ist in großer Entfernung schwach anziehend, doch auf den letzten Nanometern wird sie ruppig: erst zieht sie das Teilchen stark an, bei weiterer Annäherung stößt sie es heftig ab. Bei dieser rohen Behandlung sollten fragile Gebilde wie Heliumdimere zerbrechen, selbst wenn sie sich der Oberfläche sehr langsam nähern. Doch jetzt berichten Forscher vom Fritz-Haber-Institut in Berlin, dass Heliumdimere die Reflexion an der Metalloberfläche eines Beugungsgitters unbeschadet überstanden haben.

Abb.: Durch Quantenreflexion wird das fragile Heliumdimer unbeschadet von einer Oberfläche zurückgeworfen, ohne der zerstörerischen Potentialmulde an der Oberfläche zu nahe zu kommen. (Bild: Bum Suk Zhao et al., Science)

Die Bindungsenergie des Heliumdimers He2 beträgt nur 10-7 eV. Die äußerst locker aneinander gebundenen Heliumatome haben daher eine ungewöhnlich große Bindungslänge von 5,2 nm. Wird das Molekül angeregt, zerbricht es sofort, da es keine gebundenen Rotations- oder Schwingungszustände gibt. Das Heliumdimer ist somit stets im Grundzustand. Diese Eigenschaften machen es zu einer idealen Sonde, mit der man den Einfluss extrem kleiner Potentiale und schwacher Kräfte untersuchen kann.

Nähert sich das Dimer einer Oberfläche auf etwa 1 nm, so fällt es aufgrund der van der Waals-Kraft in eine etwa 5 meV tiefe Potentialmulde, wodurch es umgehend zerrissen wird. Doch wie die Quantentheorie zeigt, muss es soweit nicht kommen, wenn das Dimer mit der Oberfläche kollidiert. Mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit kann das Teilchen schon einige 10 nm vor der Oberfläche umkehren und somit von der zerstörerischen Wirkung des Potentials verschont bleiben. Für sehr kleine Teilchengeschwindigkeiten geht diese Wahrscheinlichkeit sogar gegen 100 %.

Um diese Quantenreflexion von Heliumdimeren erstmals zu beobachten, haben Wieland Schöllkopf und seine Kollegen einen Strahl von 1 mK kalten Heliumatomen hergestellt, der auch Dimere und Trimere (He3) enthielt. Diesen Strahl ließen sie streifend auf die Oberfläche eines Beugungsgitters treffen. Bei einem Einfallswinkel von nur 0,39 mrad war die Normalgeschwindigkeit, mit der sich die Atome und Moleküle der Oberfläche näherten, 0,12 ms. Das entsprach einer kinetischen Energie von 0,59 neV. Die Chancen standen für eine Quantenreflexion standen somit gut.

Die meisten Atome und Moleküle wurden vom Beugungsgitter wie von einem Spiegel reflektiert, doch andere wurden gebeugt. Da die Heliumdimere aufgrund ihrer größeren Masse eine andere de Broglie-Wellenlänge haben als die Heliumatome, wurden sie durch Beugung in eine andere Richtung abgelenkt als die Atome. Um die auf diese Weise herausgefilterten Dimere nachzuweisen, haben die Forscher sie ionisiert und mit einem Massenspektrometer analysiert. Bei der Ionisation zerbrachen zwar fast alle Heliumdimere, sodass letztlich nur Heliumionen nachgewiesen wurden. Doch diese ließen sich eindeutig den Dimeren zuordnen.

Schöllkopf und seine Kollegen beobachteten, dass sowohl Heliumdimere auch Heliumtrimere von Gitterfläche zurückgeworfen worden waren, ohne dabei zu zerbrechen. Die fragilen Teilchen waren quantenmechanisch in sicherem Abstand von der Gitteroberfläche reflektiert worden, sodass sie deren zerstörerische Wirkung nicht zu spüren bekamen.

RAINER SCHARF


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