Quantenschaltkreis mit Photonen
Photon-Photon-Logikgatter nutzt ein stark gekoppeltes Atom-Resonator-System.
Physiker aus der Abteilung Quantendynamik um Gerhard Rempe entwickelten ein Quantenlogikgatter, in dem zwei Lichtquanten die entscheidenden Akteure sind. Die Schwierigkeit bei solchen Vorhaben liegt darin, dass Photonen normalerweise nicht in Wechselwirkung miteinander treten und sich einander ungestört durchdringen. Das macht sie ideal für die Übertragung von Quanteninformation, jedoch weniger geeignet für deren Verarbeitung.
Abb.: Illustration der beim Logikgatter zwischen zwei Photonen ablaufenden Prozesse: die Photonen (blau) treffen nacheinander von rechts auf den teildurchlässigen Spiegel eines Resonators, in dem ein einzelnes Rubidiumatom gespeichert ist. Das Atom im Resonator spielt die Rolle eines Mediators, der zwischen den zwei Photonen eine deterministische Wechselwirkung vermittelt. Das Schema im Hintergrund fasst das vollständige Gatterprotokoll zusammen. (Bild: B. Hacker et al. / MPQ)
Diese scheinbar unüberwindbare Hürde haben die Wissenschaftler ausgetrickst, indem sie ein drittes Teilchen hilfsweise ins Spiel kommen lassen: ein einzelnes in einem optischen Resonator gefangenes Atom, das die Rolle eines Mediators übernimmt. „Das Besondere bei unserer Gatterimplementierung ist, dass die Wechselwirkung zwischen den Photonen deterministisch ist“, erklärt Stephan Ritter. „Dies ist essentiell für zukünftige, komplexere Anwendungen, wie skalierbare Quantencomputer oder globale Quantennetzwerke."
In allen modernen Computern basiert die Datenverarbeitung darauf, dass Informationen zunächst binär kodiert und dann mit Hilfe logischer Operationen verarbeitet werden. Dies erfolgt mit Logikgattern, die bestimmten Eingangswerten über deterministische Protokolle eindeutig Ausgangswerte zuordnen. Auch für die Verarbeitung von Informationen in Quantencomputern sind quantenmechanische Logikgatter die Schlüsselbausteine. Für die Realisierung eines universellen Quantencomputers ist es dabei erforderlich, dass jedes Eingangsquantenbit eine maximale Veränderung der anderen Quantenbits bewirken kann. Die praktische Schwierigkeit liegt in der besonderen Natur von Quanteninformation: im Unterschied zu klassischen Bits kann sie nicht kopiert werden, klassische Methoden der Fehlerkorrektur scheiden also aus. Das Gatter muss daher bei jedem einzelnen Photon, das Information überträgt, funktionieren.
Wegen der besonderen Bedeutung von Photonen als Informationsträger wird seit langem darüber geforscht, wie ein deterministisches Photon-Photon-Gatter zu realisieren wäre. Eine von mehreren Möglichkeiten, photonische Quantenbits zu kodieren, ist die Verwendung des Polarisationszustandes einzelner Photonen. Hierbei entsprechen die Zustände „0“ und „1“, die ein klassisches Bit annehmen kann, zwei orthogonalen Polarisationszuständen. Im Gatter kann die Polarisation eines jeden Photons die des jeweils anderen beeinflussen. Welche Eingangspolarisationen zu welchen Ausgangspolarisationen führen, ist dabei wie beim klassischen Logikgatter von vorneherein festgelegt. So wird zum Beispiel die lineare Polarisation des zweiten Photons um 90° gedreht, wenn das erste im logischen Zustand „1“ ist, und unverändert gelassen, sollte das erste „0“ sein. Im Gegensatz zu klassischen Logikgattern, die durch eine solche Beschreibung schon vollständig festgelegt wären, gibt es für Quantengatter hingegen eine unendliche Anzahl von möglichen Eingangszuständen. Für jedes muss das Quantenlogikgatter die eine richtige Kombination an Ausgangszuständen erzeugen.
In dem hier beschriebenen Experiment treffen zwei unabhängig voneinander kodierte Photonen kurz nacheinander von außen auf einen Resonator, der aus zwei Spiegeln höchster Güte gebildet wird. In seinem Zentrum wird ein einzelnes Rubidiumatom festgehalten, das mit dem Resonator ein stark gekoppeltes System bildet. Der Resonator verstärkt das Lichtfeld des von außen kommenden Photons am Ort des Atoms so stark, dass eine direkte Wechselwirkung möglich wird. Daher wird der Zustand des Atoms von dem Photon beeinflusst, und zwar genau dann, wenn dieses am Spiegel reflektiert wird. Diesen veränderten Zustand des Atoms spürt nun das zweite auf den Resonator treffende Photon.
Beide Photonen werden nach der Reflexion in einer 1,2 Kilometer langen Glasfaser für einige Mikrosekunden gespeichert. Währenddessen wird der atomare Zustand gemessen. Eine darauf konditionierte Polarisationsdrehung am ersten Photon ermöglicht die Rückwirkung des zweiten Photons auf das erste. „Die beiden Photonen sind nie zur gleichen Zeit am gleichen Ort, sehen sich also überhaupt nicht. Trotzdem erzielen wir maximale Wechselwirkung zwischen ihnen“, erklärt Bastian Hacker, Doktorand am Experiment.
Die Wissenschaftler konnten mit ihren Experimenten bestätigen, dass je nach Wahl der Polarisation für die beiden einlaufenden Photonen entweder das erste Photon das zweite beeinflusst, oder umgekehrt. Mit Hilfe einer Reihe von Messungen, bei denen die Werte der beiden auslaufenden Photonen bestimmt wurden, erstellten sie „Wahrheitstabellen“, welche den Erwartungen für bestimmte Gatteroperationen entsprechen und damit die verschiedenen Operationsmodi des Photon-Photon-Gatters demonstrieren.
Von besonderem Interesse ist der Fall, wenn die Eingangspolarisation der Photonen so eingestellt ist, dass sie sich gegenseitig beeinflussen. Dann befinden sich die beiden auslaufenden Photonen in einem verschränkten Zustand. „Diese Möglichkeit der Verschränkungserzeugung unterscheidet ein Quantengatter grundlegend von seinem klassischen Gegenstück“, erläutert Doktorand Stephan Welte. „Verschränkte Photonen können zum Beispiel für die Teleportation von Quantenzuständen genutzt werden.“
Die Wissenschaftler können sich vorstellen, dass mit dem neuen Photon-Photon-Gatter in Zukunft eine rein optische Quanteninformationsverarbeitung möglich wird. „Die Verteilung der Photonen über ein optisches Quantennetzwerk würde den Anschluss beliebig vieler Knoten und damit den Aufbau eines skalierbaren optischen Quantencomputers ermöglichen, bei dem das Photon-Photon-Gatter als zentrale Recheneinheit dient“, erläutert Gerhard Remple.
MPQ / JOL