12.07.2016

Quantenschaltkreis mit Photonen

Photon-Photon-Logikgatter nutzt ein stark gekoppeltes Atom-Resonator-System.

Physiker aus der Abteilung Quanten­dynamik um Gerhard Rempe entwickelten ein Quanten­logik­gatter, in dem zwei Lichtquanten die entscheidenden Akteure sind. Die Schwierig­keit bei solchen Vorhaben liegt darin, dass Photonen normalerweise nicht in Wechsel­wirkung miteinander treten und sich einander ungestört durchdringen. Das macht sie ideal für die Übertragung von Quanten­information, jedoch weniger geeignet für deren Verar­beitung.

Abb.: Illustration der beim Logikgatter zwischen zwei Photonen ablaufenden Prozesse: die Photonen (blau) treffen nacheinander von rechts auf den teildurchlässigen Spiegel eines Resonators, in dem ein einzelnes Rubidiumatom gespeichert ist. Das Atom im Resonator spielt die Rolle eines Mediators, der zwischen den zwei Photonen eine deterministische Wechselwirkung vermittelt. Das Schema im Hintergrund fasst das vollständige Gatterprotokoll zusammen. (Bild: B. Hacker et al. / MPQ)

Diese scheinbar unüber­windbare Hürde haben die Wissen­schaftler ausgetrickst, indem sie ein drittes Teilchen hilfsweise ins Spiel kommen lassen: ein einzelnes in einem optischen Resonator gefangenes Atom, das die Rolle eines Mediators übernimmt. „Das Besondere bei unserer Gatter­implemen­tierung ist, dass die Wechsel­wirkung zwischen den Photonen deterministisch ist“, erklärt Stephan Ritter. „Dies ist essentiell für zukünftige, komplexere Anwendungen, wie skalier­bare Quanten­computer oder globale Quanten­netzwerke."

In allen modernen Computern basiert die Daten­verarbeitung darauf, dass Infor­mationen zunächst binär kodiert und dann mit Hilfe logischer Operationen verarbeitet werden. Dies erfolgt mit Logikgattern, die bestimmten Eingangs­werten über deter­ministische Protokolle eindeutig Ausgangs­werte zuordnen. Auch für die Verarbeitung von Informationen in Quanten­computern sind quantenmechanische Logik­gatter die Schlüssel­bausteine. Für die Realisierung eines universellen Quanten­computers ist es dabei erforderlich, dass jedes Eingangs­quantenbit eine maximale Veränderung der anderen Quanten­bits bewirken kann. Die praktische Schwierig­keit liegt in der besonderen Natur von Quanten­information: im Unterschied zu klassischen Bits kann sie nicht kopiert werden, klassische Methoden der Fehler­korrektur scheiden also aus. Das Gatter muss daher bei jedem einzelnen Photon, das Information überträgt, funktio­nieren.

Wegen der besonderen Bedeutung von Photonen als Informations­träger wird seit langem darüber geforscht, wie ein deter­ministisches Photon-Photon-Gatter zu realisieren wäre. Eine von mehreren Möglich­keiten, photonische Quantenbits zu kodieren, ist die Verwendung des Polarisations­zustandes einzelner Photonen. Hierbei entsprechen die Zustände „0“ und „1“, die ein klassisches Bit annehmen kann, zwei orthogonalen Polarisations­zuständen. Im Gatter kann die Pola­risation eines jeden Photons die des jeweils anderen beeinflussen. Welche Eingangs­polarisa­tionen zu welchen Ausgangs­polarisa­tionen führen, ist dabei wie beim klassischen Logikgatter von vorneherein festgelegt. So wird zum Beispiel die lineare Polari­sation des zweiten Photons um 90° gedreht, wenn das erste im logischen Zustand „1“ ist, und unverändert gelassen, sollte das erste „0“ sein. Im Gegensatz zu klassischen Logik­gattern, die durch eine solche Beschreibung schon vollständig festgelegt wären, gibt es für Quanten­gatter hingegen eine unendliche Anzahl von möglichen Eingangs­zuständen. Für jedes muss das Quanten­logik­gatter die eine richtige Kombination an Ausgangs­zuständen erzeugen.

In dem hier beschriebenen Experiment treffen zwei unabhängig voneinander kodierte Photonen kurz nach­einander von außen auf einen Resonator, der aus zwei Spiegeln höchster Güte gebildet wird. In seinem Zentrum wird ein einzelnes Rubidium­atom festgehalten, das mit dem Resonator ein stark gekoppeltes System bildet. Der Resonator verstärkt das Lichtfeld des von außen kommenden Photons am Ort des Atoms so stark, dass eine direkte Wechsel­wirkung möglich wird. Daher wird der Zustand des Atoms von dem Photon beeinflusst, und zwar genau dann, wenn dieses am Spiegel reflektiert wird. Diesen veränderten Zustand des Atoms spürt nun das zweite auf den Resonator treffende Photon.

Beide Photonen werden nach der Reflexion in einer 1,2 Kilometer langen Glasfaser für einige Mikro­sekunden gespeichert. Während­dessen wird der atomare Zustand gemessen. Eine darauf konditionierte Polari­sations­drehung am ersten Photon ermöglicht die Rückwirkung des zweiten Photons auf das erste. „Die beiden Photonen sind nie zur gleichen Zeit am gleichen Ort, sehen sich also überhaupt nicht. Trotzdem erzielen wir maximale Wechsel­wirkung zwischen ihnen“, erklärt Bastian Hacker, Doktorand am Experiment.

Die Wissen­schaftler konnten mit ihren Experi­menten bestätigen, dass je nach Wahl der Polari­sation für die beiden einlaufenden Photonen entweder das erste Photon das zweite beeinflusst, oder umgekehrt. Mit Hilfe einer Reihe von Messungen, bei denen die Werte der beiden auslaufenden Photonen bestimmt wurden, erstellten sie „Wahrheits­tabellen“, welche den Erwartungen für bestimmte Gatter­operationen entsprechen und damit die verschiedenen Operations­modi des Photon-Photon-Gatters demonstrieren.

Von besonderem Interesse ist der Fall, wenn die Eingangs­polarisation der Photonen so eingestellt ist, dass sie sich gegenseitig beeinflussen. Dann befinden sich die beiden auslaufenden Photonen in einem verschränkten Zustand. „Diese Möglichkeit der Ver­schränkungs­erzeugung unterscheidet ein Quanten­gatter grundlegend von seinem klassischen Gegen­stück“, erläutert Doktorand Stephan Welte. „Verschränkte Photonen können zum Beispiel für die Tele­portation von Quanten­zuständen genutzt werden.“

Die Wissen­schaftler können sich vorstellen, dass mit dem neuen Photon-Photon-Gatter in Zukunft eine rein optische Quanten­informations­verarbeitung möglich wird. „Die Verteilung der Photonen über ein optisches Quanten­netzwerk würde den Anschluss beliebig vieler Knoten und damit den Aufbau eines skalier­baren optischen Quanten­computers ermöglichen, bei dem das Photon-Photon-Gatter als zentrale Rechen­einheit dient“, erläutert Gerhard Remple.

MPQ / JOL

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