Quantenschlüssel fliegen frei
Teststrecke für Quantenkommunikation in Jena erreicht Spitzenwerte.
Hoch oben über den Dächern von Jena, auf dem Dach der Stadtwerke Jena in der Rudolstädter Straße, steht ein grüner Container. In seinem Innern verbirgt sich Bob. Bob ist ein Teleskop, oder um genauer zu sein, eine Empfangsstation für eine lokale Teststrecke für neuartige Kommunikationssysteme. Und wo Daten empfangen werden, muss es auch jemanden geben, der Daten sendet. Dies ist Alice – ein weiteres Teleskop. Sie steht 1,7 Kilometer Luftlinie entfernt in einem Labor des Fraunhofer IOF auf dem Beutenberg Campus.
Doch obwohl zwischen Bob und Alice eine halbe Stadt liegt, wissen beide miteinander zu reden – und das sogar auf äußerst vertrauliche und abhörsichere Art und Weise, denn sie nutzen Quantenkommunikation. Hierbei handelt es sich um ein Kommunikationssystem, das es praktisch unmöglich macht, Daten unbemerkt abzuhören. Aus diesem Grund ist die Quantenkommunikation schon heute für all jene Anwendungen von großem Interesse, wo sensible Daten langfristig geschützt und archiviert werden müssen, etwa bei Daten von Behörden und Regierungseinrichtungen, Gesundheitsdaten von Bürgern oder auch bei Konto- und Bankdaten.
Das Fraunhofer IOF widmet sich schon seit mehreren Jahren der Erforschung der Quantenkommunikation. Mit einer lokalen Teststrecke zwischen dem Institutsgebäude und den Jenaer Stadtwerken wird seit 2021 der Austausch von Quantenschlüsseln via Freistrahl, also durch die Luft hindurch, erforscht. Die Teststrecke erlaubt es den Forschern, schnell und unkompliziert neuste Systeme zur Quantenkommunikation in einer realen und anwendungsnahen Umgebung testen zu können – etwa Photonenquellen, Teleskopoptiken oder spezielle Messsysteme.
Bereits 2021 haben die Forscher auf der Teststrecke erstmals erfolgreich einen quantensicheren Schlüssel zwischen den beiden Standorten ausgetauscht. Der Schlüssel sorgt dafür, dass kein Dritter die Kommunikation zwischen Bob und Alice unbemerkt abhören kann. Dabei erreichten die Wissenschaftler Schlüsselgenerierungsraten von bis zu 2000 Byte pro Sekunde. Für den Austausch eines Quantenschlüssels innerhalb eines urbanen Gebietes gehört diese Generierungsrate weltweit zu den höchsten. Sie würde zum Beispiel ausreichen, um ein Telefonat innerhalb einer Stadt problemlos hochsicher zu verschlüsseln.
Der Beweis, dass die Quantenkommunikation nachweislich sicher arbeitet, ist damit von den Mitarbeitern des Fraunhofer IOF erbracht. Im nächsten Schritt geht es ihnen darum, zu untersuchen wie die Hardware, die zur Verteilung der Schlüssel notwendig ist, in Zukunft effizienter und kostengünstiger produziert werden kann. Denn nur so lassen sich Prototypen entwickeln, die in Industrie und Wirtschaft zum Einsatz kommen und damit eine Verbreitung der Quantenkommunikation im Alltag ermöglichen können. Speziell die Initiative QuNET, ein mit 125 Millionen Euro vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördertes und am Fraunhofer IOF koordiniertes Pilotprojekt, hat es sich dabei zum Ziel gesetzt, eine Grundlage für sichere und robuste IT-Netze zu schaffen, die schon heute gegen Cyberangriffe von morgen gewappnet sind. Erste Anwender dieser neuartigen Quantenkommunikation werden voraussichtlich Behörden oder Banken sein.
Obwohl damit auf der Teststrecke bereits der erste große Meilenstein erreicht wurde, gibt es noch zahlreiche Herausforderungen auf dem Weg zu einer praxisnahen Quantenkommunikation im Alltag. Demnach ist die Nutzung der Quantenkommunikation derzeit zum Beispiel nur auf die Nachtzeit beschränkt, wenn der Austausch von Quantenschlüsseln nicht durch Sonnenlicht beeinträchtigt werden kann. Um dem entgegenzuwirken, arbeiten die Jenaer Forscher derzeit an speziellen Filtern. Sie sollen es dem System künftig ermöglichen, unabhängig von den Lichtverhältnissen und damit auch am Tag arbeiten zu können.
Darüber hinaus plant das Team mittelfristig die Implementierung eines heterogenen Netzwerks. Dabei wird die Freistrahlstrecke mit einer Faserverbindung zwischen Jena und Erfurt gekoppelt. Erst im September war es so gelungen, auf der 75 km langen Faserstrecke erstmals erfolgreich Quantenschlüssel auszutauschen.
Durch die Kombination von Freistrahl- und Fasertechnologie wird die Quantenkommunikation in Zukunft nicht nur über vergleichsweise kurze Distanzen, etwa im innerstädtischen Bereich, sondern auch in größeren Metropolregionen nutzbar. Mithilfe von Sendern auf Kleinstsatelliten, die im Weltall stationiert sind und die ebenfalls am Fraunhofer IOF in Jena entwickelt werden, sind langfristig auch sichere Verbindungen über den gesamten Planeten möglich.
Fh.-IOF / DE