Quantensimulation im großen Stil
Kommerzieller Quantenprozessor findet magnetischen Quantenphasenübergang.
Forscher haben die magnetischen Eigenschaften eines dreidimensionalen Spinsystems jetzt mit Hilfe eines D-Wave-Prozessors untersucht, der 2048 supraleitende Qubits enthält. Vor sieben Jahren hatten Richard Harris und seine Kollegen von D-Wave Systems in Burnaby, Kanada, mit einem Quantenprozessor eine Kette aus acht gekoppelten Spins simuliert. Dazu nutzten sie das Quantum Annealing. Bei diesem Verfahren arbeitet man sich durch langsame Änderung der Systemparameter von einem bekanntem quantenmechanischem Grundzustand des Systems zu einem unbekannten vor.
Abb.: Mit dem Quantenprozessor von D-Wave wurde ein dreidimensionales System aus 8 × 8 × 8 gekoppelten Spins simuliert. Die Farbe der Bonds (golden oder silbern) zwischen benachbarten Spins (rote und blaue Kugeln) gibt an, ob die jeweils zufällig gewählte Kopplung ferro- oder antiferromagnetisch ist. (Bild: R. Harris)
Jetzt haben die Forscher mit einem größeren Quantenprozessor ein dreidimensionales kubisches Spinsystem aus bis zu 8 × 8 × 8, also 512 Spins simuliert. Die z-Komponenten benachbarter Spins waren in zufälliger Weise miteinander gekoppelt, und zwar mit der Wahrscheinlichkeit p ferromagnetisch und 1−p antiferromagnetisch, mit der Kopplungsstärke J. Außerdem wirkte auf die x-Komponenten der Spins ein räumlich konstantes Magnetfeld.
Dieses Spinsystem ist das Ising-Modell im transversalen Magnetfeld, das abhängig von der Temperatur und den anderen Parametern ein äußerst komplexes Verhalten zeigt, welches man nur in Ausnahmefällen durch exakte Lösungen ermitteln kann. Zumeist ist man auf sehr aufwendige Berechnungen mit herkömmlichen Computern angewiesen, die schnell an ihre Grenzen stoßen. Durch das transversale Magnetfeld wird aus dem „klassischen“ Ising-Modell ein Quantensystem, bei dessen Simulation ein Quantenprozessor seine Stärken zeigen kann.
Der programmierbare Quantenprozessor bestand aus einer quadratischen Anordnung von 16 × 16 Zellen, deren jede 8 supraleitende Qubits enthielt, die in gewünschter Weise miteinander gekoppelt werden konnten. Indem die Forscher einen speziellen Schaltplan realisierten, konnten sie ein kubisches Spinsystem aus 4 × 4 × × 4, 6 × 6 × × 6 oder 8 × 8 × 8 nachbilden und sein Verhalten untersuchen.
Da die Experimente bei einer sehr tiefen Temperatur von 12 Millikelvin durchgeführt wurden, konnten thermische Schwankungen für hinreichend starke Kopplung zwischen den Spins keine Phasenübergänge im Spinsystem verursachen. Vielmehr waren die beobachteten plötzlichen Änderungen des jeweiligen Grundzustands, die bei stetiger Änderung der Parameter für bestimmte Parameterwerte auftraten, Quantenphasenübergänge.
Zunächst haben die Forscher das Spinsystem ohne transversales Magnetfeld untersucht, wobei sich die Spins nicht quantenmechanisch, sondern klassisch verhielten. Dieses System zeigt bei einer „kritischen“ Unordnungswahrscheinlichkeit pc=0,222 einen Phasenübergang von einem Antiferromagneten (unterhalb pc) zu einem ungeordneten „Spinglas“. Simulationen mit bis zu 1000 verschiedenen Realisierungen der zufällig gewählten Kopplung zwischen den Nachbarspins bestätigten diesen Übergang.
Dann simulierten die Forscher, mit eingeschaltetem transversalen Magnetfeld, das Quantenspinsystem. Ein hinreichend starkes Magnetfeld richtete die Spins einheitlich aus und erzeugte dadurch paramagnetische Ordnung. Von dieser paramagnetischen Phase ausgehend, verringerten die Forscher das Magnetfeld und untersuchten durch Quantum Annealing die Übergänge in die antiferromagnetische Phase und in die Spinglasphase.
Der Übergang vom Paramagneten zum Antiferromagneten war zweiter Ordnung und zeigte eine sich stetig ändernde Magnetisierung. Die Forscher konnten einen quantenkritischen Punkt lokalisieren, an dem dieser Quantenphasenübergang stattfand, und den dazugehörigen kritischen Exponenten ermitteln. Diese Resultate sind im Einklang mit Ergebnissen anderer Untersuchungen. Hingegen gab es für den Übergang vom Paramagneten zum Spinglas zwar Indizien, doch ein eindeutiger Nachweis mit dem Quantenprozessor steht noch aus.
Diese Ergebnisse demonstrieren die Möglichkeiten, die der Quantenprozessor für die Simulation von komplexen Quantenspinsystem eröffnet. Doch es muss betont werden, dass es sich dabei nicht um einen programmierbaren Quantencomputer handelt. Zudem ist unklar, ob und wie lange die supraleitenden Qubits des Prozessors in verschränkten Quantenzuständen sein können. Schließlich ist immer noch die Frage offen, ob der Quantenprozessor tatsächlich schneller ist als ein dem Problem angepasster herkömmlicher Computer. Hier hatten intensive Untersuchungen vor vier Jahren keinen „Quantum Speedup“ gefunden.
Rainer Scharf
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