02.08.2017

Quantensimulator für Hubbard-Modell

Gekoppelte Quantenpunkte legen Grundlage für die Simulation von Quanteneffekten.

Quanten­systeme aus stark wechsel­wirkenden Fermionen weisen viele faszinierende physi­kalische Eigen­schaften auf, für die eine zufrieden­stellende Erklärung noch immer fehlt. Doch Quanten­simulatoren etwa aus gekoppelten Quanten­punkten könnten auf kontrol­lierte Weise tiefere Einblicke in solche Systeme eröffnen und ihr Verhalten erklären. 

Abb.: Elektronenmikroskopische Aufnahme des Hubbard-Simulators. Die drei Quantenpunkte und der als Ladungssensor arbeitende Quantenpunktkanal sind durch gestrichelte Kreise markiert. Zudem sind die sieben nebeneinander liegenden Elektroden sichtbar, mit denen die Modellparameter eingestellt werden. (Bild: T. Hensgens et al. / NPG)

Bei der Simulation von komplexen Quanten­systemen haben die Atom­physiker gegen­wärtig einen Vorsprung vor ihren Kollegen aus der Festkörper­physik. So wurde kürzlich mit ultra­kalten Atomen in Licht­gittern das zwei­dimensionale Hubbard-Modell für 80 Gitter­plätze simuliert. Dieses Modell beschreibt, wie sich in einem Kristall Elektronen zwischen benach­barten Gitter­­plätzen tunnelnd bewegen und einander abstoßen wenn sie sich begegnen. Von solchen umfas­senden Simu­lationen sind die Festkörper­physiker noch weit entfernt, doch sie holen auf. Dabei haben sie zwei Vorteile. Zum einen sind ihnen komplexe Quanten­systemen wie etwa Hoch­temperatur­supraleiter schon seit langem vertraut. Zum anderen könnten sie Simu­latoren aus vielen tausenden von Bau­elementen mit Methoden der Halbleiter­technologie fertigen.

Damit ein Quanten­simulator zuver­lässig funk­tioniert, müssen sich seine einzelnen Bau­elemente präzise steuern lassen und in gewünschter Weise zusammen­spielen. Dass Halbleiter­quanten­punkte diese Anforderung erfüllen, haben Forscher um Lieven Vander­sypen von der TU Delft und Sankar Das Sarma von der Univ­ersity of Maryland jetzt demons­triert. Sie haben bei tiefen Tempera­turen eine lineare Anordnung aus drei Quanten­punkten hergestellt, die in einem zwei­dimensionalen Elektronen­gas mit Hilfe von Elektroden hervor­gerufen wurden. An diesem noch rudi­mentären Quanten­simulator wollten sie zeigen, dass sich die ent­scheidenden Parameter des Hubbard-Modells zuver­lässig einstellen lassen.

Diese Parameter sind die Coulomb-Energie U zweier Elektronen, die auf demselben Gitter­platz oder Quanten­punkt sitzen, und die Kopplung t benach­barter Quanten­punkte, die die Elektronen tunneln lässt. Für die Ein­stellung der Parameter standen sieben Elek­troden zur Verfügung: drei zur Regelung der Coulomb-Energie, zwei für die Kopplung der Punkte mit­einander und zwei weitere, die die beiden Endpunkte mit einem Elektronen­reservoir verbanden, sodass sie aufgeladen werden konnten.

Mögliche Änderungen des Ladungs­zustands der drei Quanten­punkte wurden mit einem in der Nähe liegenden Quantenpunkt­kanals registriert, dessen Leit­fähigkeit empfindlich auf zusätz­liche Ladungen reagierte. Mit diesem Sensor ließ sich verfolgen, wie die drei Punkte bei geeig­neter Änderung der Elektroden­potentiale nach und nach Elektronen aufnahmen. So wurden die Punkte zunächst jeweils einfach, zwei-, drei- und schließ­lich vierfach geladen. Danach kali­brierten und bestimmten die Forscher die Hubbard-Parameter U und t mit Hilfe der Elektroden­potentiale. Dazu beobachteten sie das Ladungs­verhalten der drei Quanten­punkte und verglichen es mit dem Ergebnis nume­rischer Berech­nungen. Demnach erreichte die charak­teristische Größe U/t einen Wert von 7,1. Die auftre­tenden Energien waren groß im Vergleich zur thermischen Energie: t = 54 kBT, wobei T=70 mK war. Somit sind Simulationen im Bereich starker Quanten­korrela­tionen möglich.

Abb.: Der Phasenraum des Simulators. Mit zunehmender Tunnelkopplung t schrumpfen die Lücken zwischen den Energiebändern (blaue Linien) der verschiedenen Ladungszustände (ungeladen bis vierfach geladen). Im orange markierten Bereich (111) finden typischerweise Experimente mit Spin-Qubits statt. (Bild: T. Hensgens et al. / NPG)

Mit diesem Hubbard-Simu­lator bestätigten die Forscher eine Vorher­sage zur Coulomb-Blockade in linearen Anord­nungen von Quanten­punkten, die Das Sarma und C. A. Stafford vor 23 Jahren gemacht hatten. Sobald ein Quanten­punkt von einem Elektron besetzt ist, erhöht sich für andere Elektronen, die den Punkt passieren wollen, die dafür nötige Energie. Reicht ihre Energie nicht aus, so wird der Stromfluss durch den Quanten­punkt blockiert.

Wenn die Elektronen zwischen benach­barten Punkten tunneln können, treten an die Stelle der in den Quanten­punkten loka­lisierten Zustände Mini­bänder von ausge­dehnten Zuständen. Doch für einen nicht zu großen Tunnel­parameter t öffnet sich zwischen den besetzten und den unbe­setzten Mini­bändern eine Bandlücke, sodass die Quantenpunkt­kette sich wie ein Isolator verhält. Diese kol­lektive Coulomb-Blockade konnten die Forscher jetzt beo­bachten.

Für eine unendlich lange Kette von Quanten­punkten sollte sich mit zunehmendem t die Bandlücke schließen und die Blockade ver­schwinden. An ihrer Dreier­kette konnten die Forscher beobachten, wie die Bandlücke mit wachsendem t tatsächlich kleiner wurde. Sie schloss sich jedoch nicht ganz, da sich die Kette bei starker Tunnel­kopplung wie ein einziger Quanten­punkt verhielt, der wiederum die normale Coulomb-Blockade zeigte.

Die Forscher sind zuver­sichtlich, dass man Hubbard-Simu­latoren aus einer wesentlich größeren Zahl von Quanten­punkten herstellen und auch präzise kalibrieren kann. Die aufwendige Ein­stellung der zahllosen Parameter ließe sich dabei mit einem Computer auto­matisiert durchführen. Mit gängigen Fabrikations­verfahren könnten Simu­latoren gefertigt werden, deren Quanten­punkte in Quadrat- oder Dreiecks­gittern angeordnet sind.

Rainer Scharf

JOL

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