Quantensimulator für Hubbard-Modell
Gekoppelte Quantenpunkte legen Grundlage für die Simulation von Quanteneffekten.
Quantensysteme aus stark wechselwirkenden Fermionen weisen viele faszinierende physikalische Eigenschaften auf, für die eine zufriedenstellende Erklärung noch immer fehlt. Doch Quantensimulatoren etwa aus gekoppelten Quantenpunkten könnten auf kontrollierte Weise tiefere Einblicke in solche Systeme eröffnen und ihr Verhalten erklären.
Abb.: Elektronenmikroskopische Aufnahme des Hubbard-Simulators. Die drei Quantenpunkte und der als Ladungssensor arbeitende Quantenpunktkanal sind durch gestrichelte Kreise markiert. Zudem sind die sieben nebeneinander liegenden Elektroden sichtbar, mit denen die Modellparameter eingestellt werden. (Bild: T. Hensgens et al. / NPG)
Bei der Simulation von komplexen Quantensystemen haben die Atomphysiker gegenwärtig einen Vorsprung vor ihren Kollegen aus der Festkörperphysik. So wurde kürzlich mit ultrakalten Atomen in Lichtgittern das zweidimensionale Hubbard-Modell für 80 Gitterplätze simuliert. Dieses Modell beschreibt, wie sich in einem Kristall Elektronen zwischen benachbarten Gitterplätzen tunnelnd bewegen und einander abstoßen wenn sie sich begegnen. Von solchen umfassenden Simulationen sind die Festkörperphysiker noch weit entfernt, doch sie holen auf. Dabei haben sie zwei Vorteile. Zum einen sind ihnen komplexe Quantensystemen wie etwa Hochtemperatursupraleiter schon seit langem vertraut. Zum anderen könnten sie Simulatoren aus vielen tausenden von Bauelementen mit Methoden der Halbleitertechnologie fertigen.
Damit ein Quantensimulator zuverlässig funktioniert, müssen sich seine einzelnen Bauelemente präzise steuern lassen und in gewünschter Weise zusammenspielen. Dass Halbleiterquantenpunkte diese Anforderung erfüllen, haben Forscher um Lieven Vandersypen von der TU Delft und Sankar Das Sarma von der University of Maryland jetzt demonstriert. Sie haben bei tiefen Temperaturen eine lineare Anordnung aus drei Quantenpunkten hergestellt, die in einem zweidimensionalen Elektronengas mit Hilfe von Elektroden hervorgerufen wurden. An diesem noch rudimentären Quantensimulator wollten sie zeigen, dass sich die entscheidenden Parameter des Hubbard-Modells zuverlässig einstellen lassen.
Diese Parameter sind die Coulomb-Energie U zweier Elektronen, die auf demselben Gitterplatz oder Quantenpunkt sitzen, und die Kopplung t benachbarter Quantenpunkte, die die Elektronen tunneln lässt. Für die Einstellung der Parameter standen sieben Elektroden zur Verfügung: drei zur Regelung der Coulomb-Energie, zwei für die Kopplung der Punkte miteinander und zwei weitere, die die beiden Endpunkte mit einem Elektronenreservoir verbanden, sodass sie aufgeladen werden konnten.
Mögliche Änderungen des Ladungszustands der drei Quantenpunkte wurden mit einem in der Nähe liegenden Quantenpunktkanals registriert, dessen Leitfähigkeit empfindlich auf zusätzliche Ladungen reagierte. Mit diesem Sensor ließ sich verfolgen, wie die drei Punkte bei geeigneter Änderung der Elektrodenpotentiale nach und nach Elektronen aufnahmen. So wurden die Punkte zunächst jeweils einfach, zwei-, drei- und schließlich vierfach geladen. Danach kalibrierten und bestimmten die Forscher die Hubbard-Parameter U und t mit Hilfe der Elektrodenpotentiale. Dazu beobachteten sie das Ladungsverhalten der drei Quantenpunkte und verglichen es mit dem Ergebnis numerischer Berechnungen. Demnach erreichte die charakteristische Größe U/t einen Wert von 7,1. Die auftretenden Energien waren groß im Vergleich zur thermischen Energie: t = 54 kBT, wobei T=70 mK war. Somit sind Simulationen im Bereich starker Quantenkorrelationen möglich.
Abb.: Der Phasenraum des Simulators. Mit zunehmender Tunnelkopplung t schrumpfen die Lücken zwischen den Energiebändern (blaue Linien) der verschiedenen Ladungszustände (ungeladen bis vierfach geladen). Im orange markierten Bereich (111) finden typischerweise Experimente mit Spin-Qubits statt. (Bild: T. Hensgens et al. / NPG)
Mit diesem Hubbard-Simulator bestätigten die Forscher eine Vorhersage zur Coulomb-Blockade in linearen Anordnungen von Quantenpunkten, die Das Sarma und C. A. Stafford vor 23 Jahren gemacht hatten. Sobald ein Quantenpunkt von einem Elektron besetzt ist, erhöht sich für andere Elektronen, die den Punkt passieren wollen, die dafür nötige Energie. Reicht ihre Energie nicht aus, so wird der Stromfluss durch den Quantenpunkt blockiert.
Wenn die Elektronen zwischen benachbarten Punkten tunneln können, treten an die Stelle der in den Quantenpunkten lokalisierten Zustände Minibänder von ausgedehnten Zuständen. Doch für einen nicht zu großen Tunnelparameter t öffnet sich zwischen den besetzten und den unbesetzten Minibändern eine Bandlücke, sodass die Quantenpunktkette sich wie ein Isolator verhält. Diese kollektive Coulomb-Blockade konnten die Forscher jetzt beobachten.
Für eine unendlich lange Kette von Quantenpunkten sollte sich mit zunehmendem t die Bandlücke schließen und die Blockade verschwinden. An ihrer Dreierkette konnten die Forscher beobachten, wie die Bandlücke mit wachsendem t tatsächlich kleiner wurde. Sie schloss sich jedoch nicht ganz, da sich die Kette bei starker Tunnelkopplung wie ein einziger Quantenpunkt verhielt, der wiederum die normale Coulomb-Blockade zeigte.
Die Forscher sind zuversichtlich, dass man Hubbard-Simulatoren aus einer wesentlich größeren Zahl von Quantenpunkten herstellen und auch präzise kalibrieren kann. Die aufwendige Einstellung der zahllosen Parameter ließe sich dabei mit einem Computer automatisiert durchführen. Mit gängigen Fabrikationsverfahren könnten Simulatoren gefertigt werden, deren Quantenpunkte in Quadrat- oder Dreiecksgittern angeordnet sind.
Rainer Scharf
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