Quantensimulator „spielt“ Magnet
Atome mit Lasern so geordnet, dass sie Verhalten von Elektronen in magnetischen Materialien nachahmen.
Magnetische Materialien existieren in teilweise exotischen Varianten, deren Eigenschaften trotz jahrzehntelanger Forschung noch weitgehend unverstanden sind. Tilman Esslinger und seine Gruppe am Institut für Quantenoptik und -elektronik der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich haben nun einen wesentlichen Schritt unternommen, diese Lücken zu schließen. Das Team kombiniert Laserstrahlen und Atome so miteinander, dass Strukturen entstehen, die sich exakt wie magnetische Materialien verhalten. Diese Methode verspricht grundlegende Erkenntnisse zu magnetischen Materialien zu liefern, die über das hinausgehen, was heutzutage mit theoretischen und computergestützten Methoden möglich ist. Die Arbeit könnte Forschern auch helfen, neue Materialien zu finden, die interessante Eigenschaften hinsichtlich zukünftiger Technologien und Anwendungen besitzen.
Abb.: Im Quantensimulator übernehmen Atome (rot und blau) die Rolle der Elektronen, der „Kristall“ (grau) wird durch ein optisches Gitter aus mehreren Laserstrahlen erzeugt. (Bild: T. Uehlinger, ETH Zürich)
Ein typischer Kühlschrankmagnet besteht aus mehreren ferromagnetischen Teilstücken und in jedem Segment sind sämtliche Elementarmagnete parallel zueinander ausgerichtet, woraus das magnetische Verhalten resultiert. In anderen magnetischen Materialien ist die Situation weniger anschaulich, da die magnetischen Bausteine in komplizierteren Mustern angeordnet sind. Ein Beispiel hierfür sind die sogenannten Quanten-Spin-Flüssigkeiten, in welchen die Elementarmagnete in einer Weise wechselwirken, die sie daran hindert, jemals in einem geordneten Zustand vorzuliegen.
Physiker und Materialwissenschaftler sind an solchen unkonventionellen Magneten interessiert, weil sie grundlegende Probleme der Vielteilchen-Quantenphysik verkörpern, aber auch, weil diese Materialien Eigenschaften besitzen, die eine Grundlage bilden könnten für zukünftige magnetische Speichermedien oder für neuartige Formen der Informationsverarbeitung.
Da herkömmliche Untersuchungsmethoden für diese komplizierten Systeme häufig unzureichend sind, verfolgen Esslinger und seine Mitarbeiter einen gänzlich anderen Ansatz. Um mehr über das eigentlich interessante Material heraus zu finden, führen die Wissenschaftler ihre Messungen an einem künstlich erschaffenen Gegenstück durch, das leichter zu handhaben ist und in dem wichtige Parameter (wie etwa die Stärke der Wechselwirkung zwischen den Elementarmagneten) verändert werden können. Dieses Verfahren wird als Quantensimulation bezeichnet.
Esslinger und sein Team schaffen ihre künstlichen Materialien, indem sie Atome verwenden, die sich im Wesentlichen wie Elektronen verhalten. Diese bringen sie dann in ein optisches Gitter ein, das durch eine Überlagerung mehrerer Laserstrahlen erzeugt wird. Sowohl die Laserstrahlen wie auch die gefangenen Atome können mit großer Genauigkeit gesteuert werden. „Auf diese Weise können wir das quantenmechanische Verhalten von verschiedenen magnetischen Materialien simulieren“, sagt Esslinger.
In den vergangenen Jahren haben Physiker in diversen Forschungsgruppen intensiv daran gearbeitet, einen Quantensimulator für magnetische Materialien zu entwickeln – diese spezifische Anwendung gilt als eines der wichtigsten Ziele in diesem Feld. Esslinger und seinem Team ist es jetzt erstmals gelungen, ein Experiment aufzubauen, in dem das Verhalten einer großen Anzahl von Elektronen in einem magnetischen Material direkt reproduziert wird.
„Der Schlüssel zu unserem Erfolg ist eine Methode, die es uns ermöglicht, die extrem niedrigen Temperaturen zu erreichen, die benötigt werden, um Quantenmagnetismus erkunden zu können“, erklärt Daniel Greif, Erstautor der Studie. Ihre neue Methode ermöglichte es den Physikern, ein magnetisches System mit 5000 Atomen zu erschaffen. Gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Matthias Troyer am Institut für Theoretische Physik untersuchen sie derzeit, ob das Verhalten dieses Systems auf einem herkömmlichen Computer nachvollzogen werden kann.
Quantensimulatoren bieten die Möglichkeit, verschiedenste Szenarien durchzuspielen, wie Elektronen in einem magnetischen Material miteinander wechselwirken. Die Ergebnisse solcher Simulationen lassen sich dann mit dem Verhalten natürlicher magnetischer Materialien vergleichen. Es besteht aber auch die Aussicht darauf, magnetische Zustände zu entdecken, die bisher noch nicht in natürlichen Materialien gesehen wurden. Dies wiederum könnte zu neuen Anwendungen führen, sagt Esslinger: „Die Triebfeder hinter neuen Technologien ist oft die Entwicklung neuer Materialien, wie etwa Hochtemperatur-Supraleiter, Graphen oder eben neue magnetische Materialien.“
ETH Zürich / PH