05.02.2020

Quantensimulatoren bauen Feldtheorien

Neue Methode liefert eine quantenfeldtheoretische Beschreibung direkt aus dem Experiment.

Viele der ganz großen Fragen der Physik lassen sich mit Hilfe von Quantenfeld­theorien beantworten: Sie benötigt man, um Wechsel­wirkungen zwischen Teilchen zu beschreiben, sie sind in der Festkörper­physik genauso unverzichtbar wie in der Kosmologie. Meistens ist es allerdings extrem kompliziert, ein quantenfeld­theoretisches Modell für eine bestimmte Fragestellung zu entwickeln – besonders dann, wenn es sich um ein System handelt, das aus vielen wechselwirkenden Teilchen besteht. Nun hat ein Team der TU Wien und der Universität Heidelberg Methoden entwickelt, mit denen man diese Modelle direkt von der Natur ablesen kann. Dadurch wird es möglich, nicht nur zu messen und dann die Resultate mit theo­retischen Vorhersagen zu vergleichen, sondern man misst in gewissem Sinn die Theorie selbst. Das soll nun neues Licht in das komplizierte Gebiet der Viel­teilchen-Quantenphysik bringen.

Abb.: Die Quanten­theorie von Vielteilchen­systemen lässt sich nicht exakt...
Abb.: Die Quanten­theorie von Vielteilchen­systemen lässt sich nicht exakt lösen. Daher sind elegante Näherungen gefragt. (Bild: TU Wien)

In den letzten Jahren hat eine neue Methode, quanten­physikalische Systeme zu untersuchen, an Bedeutung gewonnen – die Quanten-Simulatoren. „Von manchen Quanten­systemen haben wir einfach keine befriedigende Beschreibung, etwa von Hoch­temperatur-Supraleitern. Andere Systeme können wir grundsätzlich nicht direkt beobachten, etwa das frühe Universum, kurz nach dem Urknall. Angenommen, wir möchten trotzdem etwas über solche Quanten­systeme lernen - dann wählen wir einfach ein anderes System, das man im Labor gut kontrollieren kann, und passen es gezielt so an, dass es sich ähnlich verhält wie das System, das uns eigentlich interessiert. So können wir zum Beispiel Experimente an ultra­kalten Atomen verwenden, um etwas über Systeme zu lernen, die wir sonst gar nicht untersuchen könnten“, erklärt Jörg Schmied­mayer vom Vienna Center of Quantum Science and Tech­nology (VCQ) am Atominstitut der TU Wien. Möglich ist das, weil es ganz fundamentale Gemeinsamkeiten zwischen unterschiedlichen quanten­physikalischen Beschreibungen unterschiedlicher Systeme gibt.

Doch egal, welches Quanten-System man untersucht, auf ein wesentliches Problem stößt man immer: „Wenn zu viele Teilchen im Spiel sind, dann werden die Formeln der Quanten­theorie rasch so kompliziert, dass man sie auch mit den besten Super­computern der Welt niemals lösen kann“, erklärt Sebastian Erne. „Das ist schade, denn gerade Systeme, die aus vielen Teilchen bestehen, sind besonders interessant. Im Alltag spielen immer viele Teilchen gleichzeitig eine Rolle.“ Es ist daher bei Viel­teilchen-Systemen nicht möglich, eine exakte Quantentheorie zu lösen, bei der jedes einzelne Teilchen präzise berücksichtigt wird. Man muss eine verein­fachte Quanten-Beschreibung finden, die alle wesentlichen Eigen­schaften enthält, aber keine Details über die einzelnen Teilchen mehr benötigt. „Das ist so ähnlich, wie wenn wir ein Gas beschreiben“, erklärt Jörg Schmiedmayer. „Dann interessiert uns auch nicht jedes einzelne Atom, wichtig sind Größen wie Druck und Temperatur.“

Doch wie kommt man zu solchen Theorien für Vielteilchen­systeme? Sie rein rechnerisch aus den Gesetzen abzuleiten, die für einzelne Teilchen gelten, ist extrem kompliziert. Doch wie sich nun herausstellt, ist das gar nicht unbedingt nötig. „Wir haben eine Methode gefunden, die quantenfeld­theoretische Beschreibung direkt aus dem Experiment abzulesen“, sagt Schmiedmayer. Die Natur liefert in gewissem Sinn ganz von selbst die Formeln, mit denen man sie beschreiben muss. Man weiß, dass jede Quantentheorie bestimmten formalen Regeln gehorchen muss – man spricht etwa von Korrelationen, Propa­gatoren, Vertices, Feynman-Diagrammen, von den Grundbausteinen, die es in jedem quanten­physikalischen Modell gibt. Das Forschungsteam hat einen Weg gefunden, diese einzelnen Grundbausteine experimentell zugänglich zu machen. So ergibt sich eine empirisch gefundene Quantentheorie für ein Vielteilchen­system, ganz ohne mit Papier und Bleistift arbeiten zu müssen.

„Dass das theo­retisch möglich ist, haben wir schon seit einigen Jahren vermutet, aber nicht jeder hat uns geglaubt, dass es tatsächlich funk­tioniert“, sagt Jörg Schmiedmayer. „Nun haben wir gezeigt, dass es tatsächlich klappt – anhand eines speziellen Falls, bei dem die Theorie auch rechnerisch gefunden werden kann. Unsere Mess­ergebnisse liefern genau dieselben Theorie-Bausteine.“ Gearbeitet wurde dabei mit Wolken aus tausenden ultrakalten Atomen, die in einer magnetischen Falle auf einem Atom-Chip festgehalten werden. „Aus den Quanten-Wellen­mustern dieser Atomwolken kann man jene Korrelations­funktionen ermitteln, aus denen dann die Grund­bausteine der dazu passenden Theorie abgeleitet werden“, erklärt Schmiedmayer. Nun hofft das Team, damit die Untersuchung von Quanten-Vielteilchen­systemen maßgeblich zu vereinfachen.

TU Wien / JOL

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