Quantentelefonat zwischen Wien und Peking
Erster interkontinentaler Austausch von Quantenschlüsseln erfolgreich demonstriert.
Von Quantenkryptografie bis Quanteninternet: Die Erforschung der Welt der Quanten verspricht für die Zukunft eine Vielzahl neuer technologischer Möglichkeiten. Welche Fortschritte die Grundlagenforschung auf dem Weg zu deren Realisierung inzwischen erreichen konnte, machte nun eine Weltpremiere deutlich: Erstmals führten der Präsident der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, Chunli Bai, und sein Amtskollege Anton Zeilinger, Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ÖAW, sowie Universität Wien-Rektor Heinz W. Engl heute ein mithilfe von Quantentechnologie verschlüsseltes Videotelefonat über zwei Kontinente hinweg zwischen Wien und Peking.
Abb.: Die Bodenstation am Observatorium Lustbühel in Graz tauschte mit dem chinesischen Satelliten „Micius“ Photonen aus. (Bild: J. Handsteiner, ÖAW)
Durch die Quantenverschlüsselung war die Abhörsicherheit des Gesprächs, das bei einem Live-Experiment an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften sowie in der chinesischen Hauptstadt Peking geführt wurde, mindestens eine Millionen Mal höher als bei konventionellen Methoden der Verschlüsselung. Bei dem internationalen „Quantentelefonat“ konnten somit nicht nur die Inhalte des Gesprächs abhörsicher übertragen werden. Sondern es gelang auch, im Zuge der ersten interkontinentalen Quantenkommunikationsverbindung weitere Daten, in Form von Bildern des Physikers Erwin Schrödinger und des chinesischen Philosophen Micius, verschlüsselt und nicht hackbar zwischen Wien und Peking auszutauschen.
Möglich gemacht hat das Quantentelefonat eine internationale Kooperation von Forschern der Chinesischen Akademie der Wissenschaften, der ÖAW und der Universität Wien rund um die Quantenphysiker Jian Wei-Pan und Anton Zeilinger. Das Forschungsprojekt mit dem Namen QUESS (Quantum Experiments at Space Scale), das 2013 von Zeilinger und seinem ehemaligen Doktoranden Pan aus der Taufe gehoben wurde, nutzt einen im Sommer des vergangenen Jahres ins All beförderten chinesischen Satelliten für quantenphysikalische Experimente zwischen Erde und Weltraum. Mit dem erfolgreichen Ablauf der Videokonferenz konnten die Wissenschaftler das große praktische Potential dieser orbitalen Quantentechnologie für den zukünftigen Aufbau von globalen Kommunikationsverbindungen demonstrieren. Deren entscheidender Vorteil gegenüber herkömmlichen Verbindungen ist, dass sie aufgrund der speziellen Gesetzmäßigkeiten der Quantenphysik nicht gehackt werden können.
„Der erfolgreiche Austausch von quantenverschlüsselter Information zwischen zwei Kontinenten verdeutlicht das enorme Potential dieser durch die Grundlagenforschung ermöglichten Technologie“, betont Anton Zeilinger. Er ist überzeugt: „Ein weltweites und sicheres Quanteninternet rückt damit einen entscheidenden Schritt näher.“ „Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen“, zitiert Rektor Heinz W. Engl aus heutigem Anlass Max Planck, der als Begründer der Quantenphysik gilt. „Ein Telefonat verdeutlicht heute, welche Innovationskraft von Grundlagenforschung ausgeht.“
Für die Erzeugung des Quantenschlüssels, der beim Videotelefonat der beiden Akademiepräsidenten verwendet wurde, setzten die Forscher den 2016 vom chinesischen Weltraumbahnhof Jiuquan gestarteten Satelliten „Micius“ ein. Der Quantensatellit kreist in rund 500 Kilometern Höhe um die Erde. Aus seiner Umlaufbahn schickt er Photonen zu Bodenstationen in China und Europa, darunter auch zur „Satellite Laser Ranging Station“ am Observatorium Lustbühel in Graz. Dank dieser orbitalen Relaisstation ist es möglich, die auf der Erdoberfläche bestehenden technischen Einschränkungen in der Quantenkommunikation zu umgehen. Diese werden durch die Krümmung der Erde sowie den Signalverlust in langen Glasfaserleitungen hervorgerufen.
Im Vorfeld des Videotelefonats erzeugte „Micius“ nun zunächst Lichtteilchen mit einer zufälligen Polarisation. Diese einzelnen Photonen mit verschiedenen Polarisationen wurden dann als Folge von Nullen und Einsen an die Grazer Bodenstation übermittelt. Dort wurden die Polarisationszustände gemessen und mit der vom Satelliten gesendeten Abfolge stichprobenartig verglichen. Der Clou dabei: „Versucht jemand, die zwischen dem Satelliten und der Bodenstation ausgetauschten Photonen abzufangen und die Polarisation zu messen, dann verändert er durch die Messung den quantenphysikalischen Zustand der Teilchen – und fliegt sofort auf“, erklärt Johannes Handsteiner vom Wiener Institut für Quantenoptik und Quanteninformation. Auf dessen Dach befindet sich das „Hedy Lamarr Quantum Communication Telescope“, das für Vorbereitungen des Experiments eingesetzt wurde. Durch die Abweichung der Messdaten von Sender und Empfänger kann somit jeder Lauschangriff unmittelbar festgestellt werden. Weichen die Messdaten hingegen nicht voneinander ab, haben Sender und Empfänger einen ersten Quantenschlüssel.
Nachdem der zwischen Graz und „Micius“ erzeugte Schlüssel beim Satelliten hinterlegt wurde, führten die chinesischen Wissenschaftler mit ihrer Bodenstation denselben Ablauf durch, sodass der Satellit schließlich über zwei Quantenschlüssel verfügte. Diese wurden dann im Orbit kombiniert und das Ergebnis der Kombination wieder an die Bodenstationen in Österreich und China übermittelt. Mit dem jeweils „eigenen“ Schlüssel einerseits und dem kombinierten Schlüssel andererseits konnten beide Bodenstationen nun einen gemeinsamen Code generieren, der zur eindeutigen Chiffrierung und Dechiffrierung von Information – und somit zur abhörsicheren Verschlüsselung des Quantentelefonats – eingesetzt werden konnte. Mittels dieses gemeinsamen Codes konnte das Videotelefonat selbst dann über normale Internetverbindungen geführt werden. Denn dank des Quantenschlüssels konnten nur die Anwesenden in Wien und in Peking mithören.
ÖAW / JOL