03.03.2021 • Quantenphysik

Quantenverschränkte Atomstrahlen

Bislang nur mit Photonen mögliche Quanten-Experimente sind jetzt auch mit Atomen möglich.

Sind Quanten­teilchen mitein­ander verschränkt, so lassen sie sich nicht mehr als unabhängige Teilchen betrachten: Man kann sie nur noch gemeinsam beschreiben. Seit Jahren können Forscher verschränkte Photonen herstellen – Paare von Licht­teilchen, die sich in völlig unter­schied­liche Richtungen bewegen, aber trotzdem zusammen­gehören. Viele spektakuläre Ergebnisse wurden mit solchen verschränkten Photonen erzielt, etwa im Bereich der Quanten­tele­portation oder der Quanten­krypto­graphie. Jetzt entwickelten Wissen­schaftler der TU Wien eine neue Methode, verschränkte Atompaare herzustellen – und zwar nicht nur auf zufällige, sondern auf genau definierte Weise. Das gelang mit Hilfe ultra­kalter Atomwolken in elektro­magnetischen Fallen auf eine Atomchip.

Abb.: Der Atom­chip an der TU Wien. (Bild: TU Wien)
Abb.: Der Atom­chip an der TU Wien. (Bild: TU Wien)

Es gibt unter­schied­liche Methoden, verschränkte Teilchen herzu­stellen. So kann man etwa mit speziellen Kristallen Paare verschränkter Photonen erzeugen: Ein Photon mit hoher Energie wird vom Kristall in zwei Photonen niedrigerer Energie umgewandelt – das bezeichnet man als „Down Conversion“. Damit lassen sich rasch und einfach große Zahlen verschränkter Photonen­paare produzieren.

Atome zu verschränken ist viel schwieriger. Man kann einzelne Atome mit Hilfe von kompli­zierten Laser-Operationen verschränken – dann bekommt man allerdings immer nur ein einziges Atompaar. Oder man lässt den Zufall regieren, um Quanten­ver­schränkungen zu erzeugen: Wenn zwei Teilchen mitein­ander auf eine passende Weise wechsel­wirken, können sie danach ebenfalls verschränkt sein. Und man kann Moleküle zerbrechen, sodass miteinander verschränkte Bruchteile davon­fliegen. Doch all diese Methoden sind nicht kontrol­lierbar. „In diesem Fall bewegen sich die Teilchen in zufällige Richtungen. Wenn man Experimente durchführt, möchte man aber genau bestimmen können, wohin sich die Atome bewegen“, sagt Jörg Schmied­mayer von der TU Wien.

Schmiedmayer und seinem Team gelang die Herstellung kontrol­liert verschränkter Atompaare mit einem Trick: Die Forscher erzeugen eine Wolke aus ultrakalten Atomen, die an einem kleinen Chip von elektro­magnetischen Kräften fest­gehalten werden. „Wir manipu­lieren diese Atome so, dass sie nicht den Zustand mit der niedrigsten möglichen Energie annehmen, sondern den nächst­höheren Energie­zustand“, sagt Team-Mitglied Filippo Borselli. Das wurde durch eine Zusammen­arbeit mit Tommaso Calarco am Forschungs­zentrum Jülich möglich, der mit seiner Gruppe eine optimale Quanten­kontrolle zur Anregung der Atome in der Falle entwickelte. Von diesem angeregten Zustand kehren die Atome dann spontan in den Grund­zustand mit niedrigster Energie zurück.

Allerdings ist die elektro­magnetische Falle so konstruiert, dass diese Rückkehr in den Grund­zustand für ein einzelnes Atom physikalisch nicht möglich ist – das würde die Impuls­erhaltung und Quanten­symmetrien verletzen. Die Atome können daher nur paarweise in den Grund­zustand wechseln und danach in entgegen­gesetzte Richtungen davonfliegen, sodass ihr Gesamt­impuls weiterhin null ist. So entstehen verschränkte Zwillings­atome, die sich exakt in jene Richtung bewegen, die von der elektro­magnetischen Falle auf dem Chip vorgegeben wird.

Die Falle besteht aus zwei lang­gezogenen, parallelen Bereichen. Die Zwillings­atome können im linken oder im rechten Bereich entstanden sein, oder – wie es die Quanten­physik eben auch erlaubt – in beiden. „Es ist wie beim wohl­bekannten Doppel­spalt­experiment, bei dem man ein Teilchen auf eine Wand mit zwei Schlitzen schießt“, sagt Borselli. „Das Teilchen kann gleich­zeitig sowohl durch den linken als auch durch den rechten Schlitz gelangen, dahinter über­lagert es sich mit sich selbst, und dadurch entstehen Wellen­muster, die man messen kann.“

Dasselbe Prinzip lässt sich nutzen, um nach­zu­weisen, dass es sich bei den Zwillings­atomen tatsäch­lich um verschränkte Teilchen handelt: Nur wenn man das Gesamt­system misst – also beide Atome gleich­zeitig, kann man die für Quanten­phänomene typischen wellen­artigen Über­lagerungen nach­weisen. Wenn man sich hingegen auf ein einzelnes Teilchen beschränkt, verschwindet die Wellen­über­lagerung voll­ständig.

„Das zeigt uns, dass es in diesem Fall quanten­physikalisch eben keinen Sinn ergibt, die Teilchen einzeln zu betrachten“, erklärt Schmied­mayer. „Beim Doppel­spalt­experiment verschwinden die Überl­agerungen, sobald man misst, ob das Teilchen durch den linken oder durch den rechten Spalt geht. Sobald diese Information verfügbar ist, wird die Quanten­über­lagerung zerstört. Bei uns ist es ähnlich: Wenn die Atome verschränkt sind und man nur eines davon misst, könnte man theoretisch das andere Atom noch dafür verwenden, um zu messen, ob beide im linken oder im rechten Bereich der Falle entstanden sind und die Inter­ferenz verschwindet.“

Nachdem jetzt nachgewiesen ist, dass sich auf diese Weise mit ultra­kalten Atomwolken tatsächlich zuverlässig verschränkte Zwillings­atome herstellen lassen, sollen weitere Quanten­experimente mit diesen Atom­paaren durch­ge­führt werden – ähnlich wie sie bisher mit Photonen­paaren möglich sind.

TU Wien / RK

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