Quantenverschränkte Atomstrahlen
Bislang nur mit Photonen mögliche Quanten-Experimente sind jetzt auch mit Atomen möglich.
Sind Quantenteilchen miteinander verschränkt, so lassen sie sich nicht mehr als unabhängige Teilchen betrachten: Man kann sie nur noch gemeinsam beschreiben. Seit Jahren können Forscher verschränkte Photonen herstellen – Paare von Lichtteilchen, die sich in völlig unterschiedliche Richtungen bewegen, aber trotzdem zusammengehören. Viele spektakuläre Ergebnisse wurden mit solchen verschränkten Photonen erzielt, etwa im Bereich der Quantenteleportation oder der Quantenkryptographie. Jetzt entwickelten Wissenschaftler der TU Wien eine neue Methode, verschränkte Atompaare herzustellen – und zwar nicht nur auf zufällige, sondern auf genau definierte Weise. Das gelang mit Hilfe ultrakalter Atomwolken in elektromagnetischen Fallen auf eine Atomchip.
Es gibt unterschiedliche Methoden, verschränkte Teilchen herzustellen. So kann man etwa mit speziellen Kristallen Paare verschränkter Photonen erzeugen: Ein Photon mit hoher Energie wird vom Kristall in zwei Photonen niedrigerer Energie umgewandelt – das bezeichnet man als „Down Conversion“. Damit lassen sich rasch und einfach große Zahlen verschränkter Photonenpaare produzieren.
Atome zu verschränken ist viel schwieriger. Man kann einzelne Atome mit Hilfe von komplizierten Laser-Operationen verschränken – dann bekommt man allerdings immer nur ein einziges Atompaar. Oder man lässt den Zufall regieren, um Quantenverschränkungen zu erzeugen: Wenn zwei Teilchen miteinander auf eine passende Weise wechselwirken, können sie danach ebenfalls verschränkt sein. Und man kann Moleküle zerbrechen, sodass miteinander verschränkte Bruchteile davonfliegen. Doch all diese Methoden sind nicht kontrollierbar. „In diesem Fall bewegen sich die Teilchen in zufällige Richtungen. Wenn man Experimente durchführt, möchte man aber genau bestimmen können, wohin sich die Atome bewegen“, sagt Jörg Schmiedmayer von der TU Wien.
Schmiedmayer und seinem Team gelang die Herstellung kontrolliert verschränkter Atompaare mit einem Trick: Die Forscher erzeugen eine Wolke aus ultrakalten Atomen, die an einem kleinen Chip von elektromagnetischen Kräften festgehalten werden. „Wir manipulieren diese Atome so, dass sie nicht den Zustand mit der niedrigsten möglichen Energie annehmen, sondern den nächsthöheren Energiezustand“, sagt Team-Mitglied Filippo Borselli. Das wurde durch eine Zusammenarbeit mit Tommaso Calarco am Forschungszentrum Jülich möglich, der mit seiner Gruppe eine optimale Quantenkontrolle zur Anregung der Atome in der Falle entwickelte. Von diesem angeregten Zustand kehren die Atome dann spontan in den Grundzustand mit niedrigster Energie zurück.
Allerdings ist die elektromagnetische Falle so konstruiert, dass diese Rückkehr in den Grundzustand für ein einzelnes Atom physikalisch nicht möglich ist – das würde die Impulserhaltung und Quantensymmetrien verletzen. Die Atome können daher nur paarweise in den Grundzustand wechseln und danach in entgegengesetzte Richtungen davonfliegen, sodass ihr Gesamtimpuls weiterhin null ist. So entstehen verschränkte Zwillingsatome, die sich exakt in jene Richtung bewegen, die von der elektromagnetischen Falle auf dem Chip vorgegeben wird.
Die Falle besteht aus zwei langgezogenen, parallelen Bereichen. Die Zwillingsatome können im linken oder im rechten Bereich entstanden sein, oder – wie es die Quantenphysik eben auch erlaubt – in beiden. „Es ist wie beim wohlbekannten Doppelspaltexperiment, bei dem man ein Teilchen auf eine Wand mit zwei Schlitzen schießt“, sagt Borselli. „Das Teilchen kann gleichzeitig sowohl durch den linken als auch durch den rechten Schlitz gelangen, dahinter überlagert es sich mit sich selbst, und dadurch entstehen Wellenmuster, die man messen kann.“
Dasselbe Prinzip lässt sich nutzen, um nachzuweisen, dass es sich bei den Zwillingsatomen tatsächlich um verschränkte Teilchen handelt: Nur wenn man das Gesamtsystem misst – also beide Atome gleichzeitig, kann man die für Quantenphänomene typischen wellenartigen Überlagerungen nachweisen. Wenn man sich hingegen auf ein einzelnes Teilchen beschränkt, verschwindet die Wellenüberlagerung vollständig.
„Das zeigt uns, dass es in diesem Fall quantenphysikalisch eben keinen Sinn ergibt, die Teilchen einzeln zu betrachten“, erklärt Schmiedmayer. „Beim Doppelspaltexperiment verschwinden die Überlagerungen, sobald man misst, ob das Teilchen durch den linken oder durch den rechten Spalt geht. Sobald diese Information verfügbar ist, wird die Quantenüberlagerung zerstört. Bei uns ist es ähnlich: Wenn die Atome verschränkt sind und man nur eines davon misst, könnte man theoretisch das andere Atom noch dafür verwenden, um zu messen, ob beide im linken oder im rechten Bereich der Falle entstanden sind und die Interferenz verschwindet.“
Nachdem jetzt nachgewiesen ist, dass sich auf diese Weise mit ultrakalten Atomwolken tatsächlich zuverlässig verschränkte Zwillingsatome herstellen lassen, sollen weitere Quantenexperimente mit diesen Atompaaren durchgeführt werden – ähnlich wie sie bisher mit Photonenpaaren möglich sind.
TU Wien / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
F. Borselli et al.: Two-Particle Interference with Double Twin-Atom Beams, Phys. Rev. Lett. 126, 083603 (2021); DOI: 10.1103/PhysRevLett.126.083603 - Vienna Center for Quantum Science and Technology Atominstitut, Technische Universität Wien, Österreich
- Quantum Control, Forschungszentrum Jülich