06.03.2018

Quasiteilchen im Quantengas

Rotonen in einem Bose-Einstein-Kondensat nach­ge­wiesen.

Einem Forscherteam aus Österreich, Deutschland und Italien ist erstmals der Nach­weis von Rotonen in einem Quanten­gas gelungen. Diese Quasi­teil­chen wurden für die Beschrei­bung der Eigen­schaften von supra­flüs­sigem Helium ein­ge­führt. Die Arbeit des Teams beschreibt ähn­liche Phäno­mene in einem Quanten­gas und ebnet den Weg zu einem besseren Ver­ständ­nis para­digma­tischer Zustände von Quanten­flüssig­keiten wie Supra­fest­körpern.

Abb.: In einem Bose-Einstein-Kondensat in einer zigarren­förmigen Falle aus Laser­licht zeigen sich Rotonen. (Bild: H. Ritsch, IQOQI)

Suprafluidität wurde vor über achtzig Jahren in flüssigem Helium ent­deckt und ist ein nicht leicht ver­ständ­liches Phänomen, in dem sich Quanten­physik und Teil­chen­welle-Dualismus auf makro­sko­pischer Ebene zeigen. Seit damals hat es wesent­liche Fort­schritte im Ver­ständ­nis von Quanten­materie gegeben, obwohl manche Phäno­mene immer noch rätsel­haft bleiben. Ein Kenn­zeichen von Supra­flui­dität ist die Existenz von Quasi­teil­chen, das sind elemen­tare Anre­gungen geprägt von Wechsel­wirkungen. Das Ver­halten von solchen beson­deren Flüssig­keiten bei tiefen Tempe­ra­turen wird haupt­säch­lich von zwei Arten von Anre­gungen bestimmt. Die ersten sind Phononen, die lang­welligen Quanten der Schall­wellen. Die zweiten, sehr viel selt­samer und faszi­nie­render, sind die Rotonen. Sie haben einen hohen Impuls und im Gegen­satz zu gewöhn­lichen Teil­chen, für die die Energie mit dem Impuls ansteigt, zeigt die Disper­sions­rela­tion der Rotonen ein Mini­mum bei einem end­lichen Impuls. Dieses unge­wöhn­liche Ver­halten bringt die Tendenz der Flüssig­keit zum Aus­druck, kurz­wellige räum­liche Dichte­modu­la­tionen auf­zu­bauen, Vor­boten einer Kristall­labi­lität.

Ultrakalte Gase und ganz besonders Bose-Einstein-Kondensate stellen ein anderes Beispiel für Supra­flui­dität dar, bei denen sich auf­grund der viel gerin­geren Dichte aber zunächst keine Rotonen zeigen. Im Jahr 2003 schlugen Theore­tiker vor, Rotonen in einem Konden­sat aus stark magne­tischen Atomen zu erzeugen. Die lang­reich­weitige und richtungs­ab­hängige Wechsel­wirkung zwischen den Teil­chen sollte es ihrer Meinung nach möglich machen, den makro­sko­pischen Anre­gungs­zustand zu erzeugen. Dank theo­re­tischer Beiträge der Arbeits­gruppe von Luis Santos an der Uni Hannover und von Rick van Bijnen vom Institut für Quanten­optik und Quanten­informa­tion der Öster­reichischen Akademie der Wissen­schaften konnte das Team um Francesca Ferlaino von der Uni Inns­bruck und dem Institut für Quanten­optik und Quanten­infor­mation jetzt ers­mals Roton-Anre­gungen in einem di­polaren Quanten­gas beob­achten.

Als weltweit erste Forschungsgruppe hatten Wissenschaftler der Uni Inns­bruck 2012 ein Bose-Einstein-Kondensat aus Erbium-Atomen reali­siert. Der stark magne­tische Charakter dieser Atome führt zu einem extrem di­polaren Ver­halten des Quanten­systems. Mit diesem Modell­system konnte das Team bereits mehrere di­polare Wenig- und Viel­teil­chen­effekte nach­weisen. Jetzt ist es der Gruppe gelungen, ein Bose-Einstein-Kondensat aus etwa hundert­tausend Erbium-Atomen so zu präpa­rieren, dass Rotonen beob­achtet werden können. „Wir ver­wenden dazu eine zigarren­förmige Falle aus Laser­licht und orien­tieren die atomaren Dipole mit einem Magnet­feld quer dazu“, erklärt die Lauriane Chomaz von der Uni Inns­bruck. Wenn die Atome ent­lang der kurzen Seite der Zigarre sitzen, ziehen sich die Teil­chen an und sie stoßen sich ab, wenn sie in Längs­rich­tung sitzen. „Die lang­reich­weitige Wechsel­wirkung führt zu einem Über­sprechen zwischen den beiden Richtungen der Falle und dem attrak­tiven oder repul­siven Charakter der Wechsel­wirkung.“ Ener­getisch begünstigt das eine Modula­tion der atomaren Wolke ent­lang der Längs­achse mit einer Wellen­länge, die dem Durch­messer der Zigarre ent­spricht. Das macht eine Roton-Anregung aus. „Indem wir zusätz­lich die Wechsel­wirkung ab­schwächen, können wir den Roton-Modus ent­sprechend besetzen", sagt Chomaz.

Der erfolgreiche Nachweis dieses seit langem gesuchten Quasi­teilchens ebnet den Weg für die weitere Erforschung der Supra­flui­dität. Darüber hinaus schafft es auch Möglich­keiten, einen para­doxen Materie­zustand zu erkunden, der gleich­zeitig sowohl Eigen­schaften fester als auch supra­fluider Körper zeigt. Erste Nach­weise dafür hat es im ver­gangenen Jahr bereits in Experi­menten an Hybrid-Systemen aus Atomen und Licht gegeben. Magne­tische Atome können eine neue Perspek­tive bieten, um supra­solide Zustände direkt zu erkunden. Darüber hinaus bestätigt dieser Durch­bruch die Möglich­keiten, di­polare Gase für die Erforschung von Quanten­flüssig­keiten bieten.

U. Innsbruck / RK

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