03.11.2016

Quasiteilchen in hauchdünner Schicht

Entstehung von Fermi-Polaronen in atomar dünnen Halbleitern untersucht.

In der Festkörper-Physik sind Elektronen und Atome für die verschiedensten Phänomene verantwortlich – doch ein aufschluss­reiches Bild ergibt sich erst, wenn man viele von ihnen zu Quasi­teilchen zusammenfasst. Herauszufinden, welche Quasi­teilchen genau sich in einem Material bilden und wie diese sich gegenseitig beeinflussen, ist allerdings keine leichte Aufgabe und gleicht einem enormen Puzzle, dessen Teile sich durch langwierige Forschung nach und nach zusammenfügen. Ataç Imamolu und seinen Mitarbeitern vom Institut für Quanten­elektronik der ETH Zürich ist es nun gelungen, in einer kombinierten experimentellen und theoretischen Studie ein neues Puzzle­teil zu finden, das zudem ein bisher falsch platziertes Teil an die richtige Stelle rückt.

Abb.: Ein Polaron (orange) bildet sich inmitten der Elektronen (violett) eines Festkörpers. (Bild: M. Sidler, ETH Zürich)

In Festkörpern bilden sich Quasiteilchen beispielsweise, wenn ein Licht­teilchen absorbiert wird. Die Bewegungs­energie von Elektronen, die sich in einem Festkörper tummeln, kann nur Werte annehmen, die sich in fest umgrenzten Bändern befinden. Ein Licht­teilchen kann nun ein Elektron aus einem niedrigen in ein höheres Energieband befördern, wobei es im niedrigen Band ein Loch hinterlässt.

Wenn die wechselseitige Anziehung stark genug ist, kann man das Elektron-Loch-Paar als Quasi­teilchen betrachten: ein Exziton. Binden sich dagegen zwei Elektronen und ein Loch aneinander, so bildet sich ein Trion. Befinden sich aber gleichzeitig Exzitonen und eine große Zahl von freien Elektronen im Material, so braucht man zur Beschreibung seiner qualitativ neuen, emergenten Eigenschaften ein neues, Fermi-Polaron genanntes Quasi­teilchen.

Imamolu und seine Kollegen wollten nun die Eigenschaften von Quasi­teilchen studieren, die in einem bestimmten Typ von Halbleiter vorkommen, in dem sich Elektronen nur in zwei Dimensionen bewegen können. Dazu nahmen sie eine einzelne, nur einen Nanometer dünne Schicht aus Molybdän-Diselenid, die zwischen zwei Bornitrid-Scheiben eingebettet war. Dem fügten sie eine Graphen­schicht hinzu, um damit eine elektrische Spannung anzulegen, mit deren Hilfe sie die Dichte der Elektronen im Material steuern konnten. Schließlich packten sie die Anordnung zwischen zwei Mikro­spiegel, die zusammen einen optischen Resonator bildeten.

Mit dieser komplexen Versuchs­anordnung konnten die Zürcher Physiker nun im Detail studieren, wie stark das Material unter verschiedenen Bedingungen Licht absorbiert. Dabei fanden sie heraus, dass sich bei optischer Anregung in der Halbleiter­struktur Fermi-Polaronen bilden und nicht, wie bisher angenommen, Exzitonen oder Trionen. „Die damals verfügbaren Daten dazu wurden bisher von der Forschung – meine eigene eingeschlossen – immer falsch interpretiert”, gibt Imamolu zu. „Mit unserem neuen Experiment haben wir nun das bisher gültige Bild zurechtgerückt.”

„Das Ganze war eine Teamleistung, an der Harvard-Professor Eugene Demler massgeblich beteiligt war. Er hat als ITS-Fellow mehrere Monate mit uns zusammen­gearbeitet”, sagt Meinrad Sidler, Doktorand in Imamolus Gruppe. Die jetzt gewonnenen Erkenntnisse werden Imamolu und seine Mitarbeiter noch eine Zeit lang beschäftigen, denn um das Zusammen­spiel bosonischer (Exzitonen) und fermionischer Teilchen (Elektronen) geht es in einem großen Forschungs­projekt, für das Imamolu letztes Jahr einen Advanced Grant des European Research Council (ERC) gewonnen hat und das auch vom Nationalen Forschungs­schwer­punkt Quanten­wissenschaften und -technologie (NFS QSIT) gefördert wird. Ein besseres Verständnis solcher Mischungen von Quasi­teilchen hätte einerseits wichtige Auswirkungen auf die Grundlagen­forschung, anderseits winken aber auch spannende Anwendungen. So ist es beispielsweise ein zentrales Ziel des ERC-Projekts zu zeigen, wie sich Supra­leitung mit Hilfe von Laserlicht kontrollieren lässt.

ETH Zürich / DE

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