Quasiteilchen unter der Lupe
Quantensimulator zeigt magnetische Struktur in unmittelbarer Umgebung magnetischer Polaronen.
Physikern des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik (MPQ) war es 2018 erstmals möglich, magnetische Polaronen zu fotografieren und ihr Umfeld genau zu studieren. Das Team unter Leitung von Christian Groß aus der Abteilung Quantenvielteilchensysteme von Immanuel Bloch präparierte spezielle Störstellen, sogenannte Doublonen, und injizierten sie in ein stark korrelierendes Vielteilchensystem aus Lithium, um Polaronen zu erzeugen. Dabei konnten die Forscher beobachten, dass dieses spezielle Teilchen stets von einer stark veränderten magnetischen Umgebung begleitet wird. Dieser Effekt war bereits theoretisch vorhergesagt, konnte in Garching aber erstmals experimentell mithilfe direkter Fotos nachgewiesen werden.
Erstmals ist es nun gelungen, die magnetische Struktur um die magnetischen Polaronen mithilfe eines Quantensimulators abzulichten. Möglich wurde der Erfolg durch die einzigartige Auflösungsmethode des Garchinger Quantensimulators, der die genaue magnetische Ausrichtung der Teilchen mitfotografiert. Der Quantensimulator, mit dem die Forschungsgruppe um Immanuel Bloch und Christian Groß arbeitet, nutzt ultrakalte Lithium-Atome, welche mit Laserstrahlen so manipuliert werden, dass sie sich wie Elektronen in einem Festkörper verhalten. Solche künstlichen Materialien sind mit heutiger Lasertechnologie sehr präzise kontrollierbar und bieten eine ideale Plattform, um quantenmechanische Phänomene in stark wechselwirkenden Vielteilchensystemen zu studieren.
Das Verhalten von Polaronen innerhalb eines Vielteilchensystems zu beobachten, stellte eine enorme Herausforderung dar und war nur mithilfe modernster optischer Mikroskopietechnik möglich. „Um in künstlichen Systemen nach magnetischen Polaronen zu suchen, bedarf es einer großen Menge an Fotos. Wir haben etwa 35.000 Bilder aufnehmen müssen. Ein Foto braucht zwanzig Sekunden. Nach jedem geschossenen Foto wiederholt die Maschine den Versuchsablauf und erstellt ein neues künstliches Material. Insgesamt sprechen wir von etwa 200 Stunden durchgehender Messzeit, in der strikte Bedingungen für die Stabilität unserer Maschine gelten. Sie muss während der ganzen Zeit perfekt laufen, ohne Unterbrechungen und Veränderungen in der Umgebung“, erläutert Erstautor Joannis Koepsell. Mittels dieser Aufnahmen konnten die Wissenschaftler die Details der inneren Struktur von Polaronen genau vermessen.
Magnetische Polaronen gehören zu den Quasiteilchen und treten in Materialien mit besonderen Eigenschaften auf, wie der Hochtemperatursupraleitung oder dem kolossalen magnetoresistiven Effekt. Sie sind für unser Verständnis stark korrelierender Materie ein essenzielles Konzept. „Aus der Entfernung sehen sie zwar aus wie Teilchen. In Wirklichkeit sind sie aber eine untrennbare Kombination aus Störstelle und ihrer Umgebung. Beide zusammen bilden das Quasiteilchen. Man kann sie nicht voneinander trennen. Egal, wo das Teilchen hingeht, nimmt es seine Umgebung mit,“ beschreibt sie der Doktorand Joannis Koepsell.
In der Zukunft wollen die Forscher mit neuen Techniken künstliche Materialien bei noch tieferen Temperaturen produzieren. „Der Knackpunkt ist folgender: Obwohl unser Simulator bei ultrakalten Temperaturen im Nano-Kelvin-Bereich operiert, bildet er aktuell Prozesse ab, die in einem Festkörper bei etwa 700 Grad Celsius stattfinden. Das ist natürlich noch nicht ideal. Eigentlich wollen wir Verhalten bei Raumtemperatur oder kälter simulieren. Der Heilige Gral bei diesem speziellen Thema ist also, noch kälter zu werden, so um den Faktor fünf bis zehn,“ so Koepsell. Bei niedrigeren Temperaturen wird erwartet, dass man beobachten kann, wie mehrere Polaronen miteinander interagieren, um schließlich exotische Phasen wie die Supraleitung auszubilden.
MPQ / DE