24.02.2012

Qubit als Schwingungssensor

Einzelner Spin mit der magnetischen Spitze eines Rasterkraftmikroskops gekoppelt.

Die Abgrenzung zwischen makroskopischen und mikroskopischen Objekten, für die die klassische Physik bzw. die Quantenphysik gilt, beginnt sich aufzulösen. Kleine mechanische Oszillatoren, die man mit bloßem Auge sehen kann, lassen sich mit Quantenspins koppeln und vorübergehend in verschränkte Quantenzustände bringen. Jetzt ist es Forschern in Harvard gelungen, mit einem einzelnen Spin zu verfolgen, wie der Arm eines Rasterkraftmikroskops um seine Ruhelage schwingt. Das erklärte Ziel ist es, seine Schwingungen im quantenmechanischen Grundzustand sichtbar zu machen.

Abb.: Die magnetische Spitze des Rasterkraftmikroskops beeinflusst den Spinzustand der Störstelle (NV) im Diamanten. (Bild: S. Kolkowitz et al., Science)

Mehrere Forschergruppen arbeiten gegenwärtig daran, ein Quantensystem – etwa ein Qubit oder einen Spin – an einen mechanischen Oszillator zu koppeln. Indem man den Zustand des Quantensystems wiederholt misst, kann man die Bewegungen des Oszillators mit großer Genauigkeit verfolgen. Bei tiefen Temperaturen, wenn nur noch wenige Phononen im Oszillator schwingen, will man mit Hilfe des Spins oder des Qubits den Oszillator in seinen Grundzustand bringen. Die Kopplung zwischen dem Quantensystem und dem Oszillator führt zu quantenmechanisch verschränkten Zuständen, wie vor zwei Jahren Experimente mit supraleitenden Qubits und piezoelektrischen Resonatoren gezeigt hatten. Allerdings wiesen deren Phononen nur eine sehr kurze Lebensdauer auf.

Langlebiger waren die Phononen in dem Oszillator, den Forscher um Mikhail Lukin von der Harvard University bei ihren Experimenten benutzt haben. Es handelte sich dabei um den Arm eines Rasterkraftmikroskops, an dessen frei schwingendem Ende eine mit Kobaltatomen magnetisierte Spitze saß. Der Arm war so ausgerichtet, dass sich die schwingende Spitze in einem konstanten Abstand von ca. 50 Nanometern über der ebenen Oberfläche eines Diamanten bewegte. Etwa 5 Nanometer tief im Diamanten saßen Stickstofffehlstellen (Nitrogen Vacancies oder NV), bei denen jeweils ein Kohlenstoffatom durch ein Stickstoffatom ersetzt war und ein benachbartes Kohlenstoffatom fehlte.

Solch eine NV hat ein ungepaartes Elektron, dem sich aus dem Kristall ein weiteres Elektron zugesellt. Die Spins der beiden Elektronen addieren sich zu einem Gesamtspin S=1. Mit einem statischen Magnetfeld sorgten die Forscher dafür, dass die beiden zunächst entarteten Zustände Sz=+1 und Sz=–1 unterschiedliche Energien hatten. Mit Mikrowellen von abgestimmter Frequenz konnten dann die Fehlstellen zu einem Übergang von Sz=0 zu Sz=+1 angeregt werden. Den Quantenzustand dieses Zweiniveausystems verfolgten die Forscher anhand der Fluoreszenzstrahlung, die es abgab, wenn der Diamant mit grünem Licht bestrahlt wurde.

Wurde die magnetische Spitze des Rasterkraftmikroskops über die Fehlstelle bewegt, so änderte sich die Anregungsenergie des Fehlstellenspins durch den vom inhomogenen Magnetfeld der Spitze verursachten Zeeman-Effekt. Mit Elektronenspinresonanz konnten die Forscher die veränderte Anregungsenergie und daraus den Gradienten des Magnetfeldes bestimmen. Er erreichte Werte von 100.000 Tesla pro Meter. Wenn nun die Spitze Schwingungen über der Fehlstelle ausführte, so war diese einem oszillierenden Magnetfeld ausgesetzt, das auf den Quantenzustand des Spins wirkte.

Mit einem Piezoelement brachten die Forscher den Arm des Mikroskops zum Schwingen. Gleichzeitig setzten sie den Spin der Fehlstelle Mikrowellenpulsen aus, die diesen im Takt der Schwingungen neu ausrichtete, so dass sich die Wirkung des oszillierenden Magnetfeldes auf den Spin verstärkte. Anhand des Fluoreszenzsignals konnten die Forscher die Schwingungsamplitude messen und die Güte des Oszillators ermitteln, die bei 220 lag. Wurde der Piezoantrieb ausgeschaltet, so klangen die Schwingungen des Oszillators ab, der allerdings nicht völlig zur Ruhe kam, sondern Brownsche Bewegungen ausführte. Auch diese viel kleineren Bewegungen ließen sich mit Hilfe des Quantenzustandes des Fehlstellenspins messen, wobei die Genauigkeit etwa 6 Pikometer erreichte.

Bei Zimmertemperatur enthielt der Oszillator eine große Zahl von Phononen und war noch weit von seinem quantenmechanischen Grundzustand entfernt. Will man mit dem Spin der Stickstofffehlstelle auch die extrem kleine Schwingungen im Grundzustand messen, so muss man zunächst die Kohärenzzeit des Spins verlängern, die im Experiment vor allem durch die störende Wirkung der Kernspins von Kohlenstoff-13-Atomen verringert wurde, mit denen der Diamant verunreinigt war. Mit einem isotopenreinen Diamanten und bei einer Temperatur von 4 Kelvin sollten sich mit Hilfe des Spins erste Anzeichen der Nullpunktschwingungen des Oszillators sichtbar machen lassen, meinen die Forscher.

Darüber hinaus könnten dann auch mehrere Störstellenspins mit Hilfe des Oszillators kohärent miteinander gekoppelt werden. Auf diese Weise ließe sich Quanteninformation zwischen den Spin-Qubits austauschen. Die Forscher sind zuversichtlich, dass bei einer Temperatur von 0,1 Kelvin der Oszillator mit Hilfe des Störstellenspins in seinen Grundzustand gebracht werden kann, indem ihm durch den Spin gezielt Phononen entzogen werden. Der Spin würde dann seine Anregungen an ein Mikrowellenfeld abgeben. Der quantenmechanische Grundzustand von kleinen aber dennoch makroskopischen Oszillatoren wäre dann zum Greifen nah.

Rainer Scharf

PH

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