Radioaktive Elemente als Wärmequelle für Planeten-Embryos
Anzahl der kurzlebigen Radionuklide in neu entstehenden Planetensystemen variiert stark.
Ein Forscherteam aus Österreich und den USA hat eine Sternentstehungs-Region im Sternbild Schlangenträger untersucht – und damit Einblick in die Bedingungen gewonnen, unter denen auch unser Sonnensystem entstanden ist. Eine wichtige Rolle spielte demnach die Anreicherung mit kurzlebigen radioaktiven Elementen: Sie bildeten die wichtigste Wärmequelle für Planeten-Embryos.
Die radioaktiven Elemente könnten von einer nahen Supernova oder den starken Sternwinden eines massereichen Wolf-Rayet-Sterns stammen. Das Vorkommen radioaktiven Materials bei der Entstehung des Sonnensystems gibt den Forschern bereits seit fünfzig Jahren Rätsel auf: Ist die Voraussetzung für die Bildung von Planetensystemen, dass sie sich weder zu nah noch zu weit entfernt von einer Quelle radioaktiven Materials befinden?
Das Team verwendete Multi-Wellenlängen-Beobachtungen der Sternentstehungsregion Schlangenträger, darunter auch neue Infrarotdaten des von der Uni Wien geleiteten Projekts VISIONS, das derzeit an der Europäischen Südsternwarte ESO durchgeführt wird. Die Daten zeigen die Wechselwirkungen zwischen den Wolken von sternbildenden Gasen und Radionukliden, die im nächstgelegenen, aus jungen Sternen bestehenden Sternhaufen entstanden. Die Ergebnisse der Forscher deuten darauf hin, dass Supernovae der vorangegangen Sterngeneration die wahrscheinlichste Quelle kurzlebiger Radionuklide in den sternbildenden Wolken sind.
„Unser Sonnensystem entstand höchstwahrscheinlich durch das Zusammenspiel einer riesigen Molekülwolke sowie eines jungen Sternhaufens. Ein oder mehrere Supernova-Ereignisse einiger massereicher Sterne in diesem Sternhaufen kontaminierten das Gas, das schließlich die Sonne und ihr Planetensystem entstehen ließ“, sagt Douglas Lin von der University of California in Santa Cruz.
Der Schlangenträger-Wolkenkomplex enthält viele dichte protostellare Kerne in verschiedenen Stadien der Sternenentstehung und der Entwicklung protoplanetarer Scheiben. Durch die Kombination von Bilddaten in Wellenlängen von Millimetern bis hin zu Gammastrahlen konnten die Forscher einen Strom von Aluminium-26 des nahe gelegenen Sternhaufens in Richtung der Sternentstehungsregion Schlangenträger visualisieren.
„Der Anreicherungsprozess stimmt mit dem überein, was bei der Bildung des Sonnensystems geschah“, sagt John Forbes vom Flatiron Institute in New York. „Als wir dieses passende Beispiel für einen möglichen Ablauf des Prozesses entdeckt hatten, versuchten wir, den nahe gelegenen Sternhaufen zu modellieren, der jene Radionuklide produzierte, die wir heute in Form von Gammastrahlen sehen. Wir verfügen mittlerweile über ausreichend Informationen, um sagen zu können, dass dieses Ereignis durch mehrere Quellen und nicht ausschließlich durch eine Supernova verursacht wurde.“
Die Ergebnisse zeigen auch, dass die Anzahl der kurzlebigen Radionuklide, die sich in neu entstehenden Planetensystemen befinden, stark variieren kann. „Viele neue Systeme werden mit einer Fülle von Aluminium-26 gebildet, so wie in unserem Sonnensystem. Die Schwankungen sind dennoch enorm – wir sprechen von mehreren Größenordnungen“, erklärt Forbes. „Das ist entscheidend für die frühe Entwicklung von Planetensystemen, da Aluminium-26 die wichtigste frühe Wärmequelle ist. Mehr Aluminium-26 bedeutet wahrscheinlich trockenere Planeten.“
U. Wien / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
J. Forbes, J. Alves & D. N. C. Lin: A Solar System formation analogue in the Ophiuchus star-forming complex, Nat. Astron., online 16. August 2021; DOI: 10.1038/s41550-021-01442-9 - Institut für Astrophysik, Universität Wien, Österreich
- Department of Astronomy and Astrophysics, University of California, Santa Cruz, USA
- Center for Computational Astrophysics, Flatiron Institute, New York, USA