Radioaktives Molekül im All
Erster direkter Nachweis beim veränderlichen Stern CK Vulpeculae geglückt.
Der erste eindeutige Nachweis eines radioaktiven Moleküls, 26AlF, im Weltraum, ist in der direkten Umgebung des historischen Nova-ähnlichen Objekts CK Vul gelungen, bei dem es sich höchstwahrscheinlich um den Überrest der Kollision zweier Sterne handelt. Der Helligkeitsausbruch dieser Quelle konnte in den Jahren 1670 bis 1672 in Europa beobachtet werden. Das Interesse an diesem Objekt lebte erst vor wenigen Jahren wieder auf, als man molekulares Gas mit einzigartiger Isotopenzusammensetzung im Überrest nachweisen konnte. Die Entdeckung gelang einem internationalen Forscherteam unter der Leitung von Tomasz Kamiski unter der Beteiligung von Karl Menten vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn.
Abb.: Falschfarbdarstellung der Molekülkomponenten des kühlen Gasnebels um den Stern CK Vul als Überlagerung auf ein Nachtbild der ALMA-Antennen in 5100 Meter Höhe auf der Chajnantorebene in Chile. (Bild: T. Kamiski / ESO,Y. Beletsky / ALMA)
Der veränderliche Stern CK Vulpeculae (CK Vul) ist als Ort eines stellaren Helligkeitsausbruchs, einer Nova, bekannt, die von europäischen Astronomen im 17. Jahrhundert in Richtung des Sternbilds Vulpecula (lat. das Füchschen) beobachtet werden konnte. Die Nova Vul 1670 war leicht mit bloßem Auge zu erkennen und zeigte deutliche Helligkeitsschwankungen über die beiden folgenden Jahre. Es dauerte dann lange Zeit, bis zum Jahr 2013, bevor ein Team von Astronomen durch Beobachtungen mit dem Atacama Pathfinder Experiment APEX, molekulares Gas mit einzigartiger Isotopenzusammensetzung im Überrest dieses Ausbruchs nachweisen konnte. Die Analyse dieses überraschenden Befundes deutete darauf hin, dass ein sehr seltenes Ereignis dafür die Ursache war, nämlich der Zusammenstoß und die anschließende Verschmelzung zweier Einzelsterne. Die Kollision erzeugte ein Objekt, das man auch als Roter Transient oder Rote Nova bezeichnet, eine erst seit kurzem definierte neue Klasse eruptiver Sterne.
Die Beobachtung des Isotops 26Al ermöglicht Einblicke in den Verschmelzungsprozess von CK Vul und zeigt, dass selbst tief im Inneren liegende Schichten des Sterns bei solch einer Kollision zutage treten können. Darüber hinaus ermöglichten es die gefundenen Resultate, die Natur des zugrunde liegenden Doppelsternsystems genauer einzugrenzen. Es handelt sich dabei um ein Low-mass Binary System mit einer Komponente von 0,8-2,5 Sonnenmassen, die sich als Roter Riese in einem bereits fortgeschrittenen Stadium ihrer Sternentwicklung befand. Der erste direkte Nachweis von 26Al in einem sternartigen Objekt ist auch in einem größeren Zusammenhang für die chemische Entwicklung der Milchstraße von Bedeutung.
Zum ersten Mal konnte eine aktive Quelle für die Erzeugung des radioaktiven Nuklids 26Al durch Beobachtungen belegt werden. Es ist bereits seit Jahrzehnten bekannt, dass etwa zwei Sonnenmassen von 26Al über die Milchstraße verteilt sind. Obwohl über ihre Gammastrahlung nachweisbar, ist die genaue Herkunft dieser radioaktiven Wolke bisher unbekannt. Mit den aktuellen Abschätzungen über die Masse von 26Al in CK Vul und der Anzahl von Sternkollisionen in der Milchstraße erscheint es sehr unwahrscheinlich, dass die Kollisionen alleine verantwortlich sind für die Erzeugung dieses radioaktiven Materials in der Milchstraße. Allerdings könnte die tatsächliche Masse von 26Al in atomarer Form in CK Vul und anderen Überresten solcher Sternverschmelzungen deutlich höher sein. Vielleicht ist auch die derzeit angenommene Verschmelzungsrate unterschätzt, so dass die Rolle der Sternverschmelzungen bei der Erzeugung radioaktiven Materials vielleicht nicht vernachlässigt werden sollte.
Durch die aktuellen Beobachtungen ist eine völlig neue Art von Objekten für die Erzeugung von 26Al in der Milchstraße in den Fokus gerückt. Sie zeigen außerdem, dass moderne Radiointerferometer wie ALMA bei Millimeterwellenlängen zur Suche nach dem Ursprung des radioaktiven 26Al in der Milchstraße eingesetzt werden können und das mit wesentlich höherer Winkelauflösung als bei Gammastrahlungs-Observatorien. Ein anderer wichtiger Aspekt ist, dass die Linienpositionen im Spektrum zunächst von Molekülspektroskopikern berechnet wurden. Die Darstellung von Material mit darin enthaltenem 26Al durch direkte Labormessungen würde extrem herausfordernd und auch teuer, so dass die Berechnungen den einzig gangbaren Weg darstellen. Die beobachteten Linienübergänge stimmen perfekt mit den aus den Berechnungen vorhergesagten überein.
MPIfR / JOL