Rätsel um die Ausrichtung großer Galaxien
Großräumige kosmische Struktur beeinflusste die Galaxienentwicklung.
Die Rotationsachsen von Galaxien sind im Kosmos rein zufällig orientiert – so dachten die Astronomen früher. Für die meisten Galaxien ist diese Annahme tatsächlich korrekt, wie statistische Untersuchungen zeigen. Doch nicht für alle: Insbesondere bei großen elliptischen Galaxien im Zentrum großer Galaxienhaufen zeigt die Orientierung eine bemerkenswerte Korrelation mit der Ausrichtung der Galaxienhaufen selbst – die wiederum durch das kosmische Netz großräumiger filamentartiger Strukturen in der Umgebung beeinflusst ist.
Abb.: MACS 1149.5+2223, einer der untersuchten Galaxienhaufen. Seine Rotverschiebung beträgt 0,544, entsprechend einer Lichtlaufzeit von 5,5 Milliarden Jahren. (Bild: NASA / ESA)
Diese überraschende Übereinstimmung der Orientierung kosmischer Strukturen über Entfernungen von vielen Millionen Lichtjahren hinweg konnte bislang allerdings nahezu ausschließlich in unserer kosmologisch gesehen näheren Umgebung bis zu einer Rotverschiebung von 0,1 – entsprechend einer Lichtlaufzeit von etwa eine Milliarde Jahren – nachgewiesen werden. Damit blieb bislang auch unklar, wann in der kosmischen Geschichte sich diese Übereinstimmung etabliert hatte und über welchen physikalischen Mechanismus.
Dieses Manko motivierte Michael West vom Lowell Observatory in Flagstaff und seine Kollegen dazu, eine repräsentative Auswahl von 65 großen Galaxienhaufen im Rotverschiebungsbereich von 0,19 bis 1,8 – entsprechend Lichtlaufzeiten von 2,5 bis 10 Milliarden Jahren – mit dem Hubble Space Telescope genau zu untersuchen. Dabei zeigte sich, dass es auch in diesem Bereich eine deutliche Korrelation zwischen der Orientierung der Galaxienhaufen und ihrer größten Galaxien gibt. Da der Blick in große kosmische Entfernungen für Astronomen zugleich ein Blick zurück in die kosmische Geschichte ist, bedeutet dies, dass der Zusammenhang bereits vor zehn Milliarden Jahren – also etwa vier Milliarden Jahre nach dem Urknall – bestand.
„Das deutet darauf hin, dass die größten Galaxien über einen speziellen Prozess entstehen“, so West und seine Kollegen, „der von der Entwicklung der großräumigen, netzartigen Verteilung der Materie im Kosmos abhängt.“ Denkbar sei etwa der asymmetrische Einfall von Materie in die entstehenden Galaxienhaufen entlang bevorzugter, durch die großräumigen Filamente vorgegebener Richtungen. Tatsächlich zeigen Computersimulationen der kosmischen Strukturentstehung und -entwicklung solche Phänomene. Aber auch Gezeitenkräfte durch die Gravitation der großräumigen Materieverteilung könnten die Entwicklung beeinflusst haben, so die Forscher.
Rainer Kayser
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