08.01.2021

Rätsel um Kondo-Effekt

Neue Resultate stellen signifikante Senke in Messkurven in Frage.

Der Kondo-Effekt beeinflusst den elek­trischen Widerstand von Metallen bei tiefen Temperaturen und erzeugt komplexe elektronische und magnetische Ordnungen. Neuartige Konzepte zur Daten­speicherung und -verarbeitung, etwa mittels Quantenpunkten, basieren darauf. 1998 veröffent­lichten US-amerikanische Forscher spektro­skopische Untersuchungen zum Kondo-Effekt mittels Rastertunnel­mikroskopie, die als wegweisend gelten und Auslöser für unzählige weitere Untersuchungen dieser Art waren. Zahlreiche dieser Untersuchungen müssen möglicher­weise noch einmal überprüft werden, nachdem Jülicher Forscher nun zeigen, dass sich der Kondo-Effekt nicht zweifels­frei auf diesem Weg nachweisen lässt. Stattdessen erzeugt ein anderes Phänomen genau den spektro­skopischen Finger­abdruck, der bisher dem Kondo-Effekt zuge­schrieben wurde.

Abb.: Eine atomar feine Spitze eines Rastertunnel­mikroskops tastet eine...
Abb.: Eine atomar feine Spitze eines Rastertunnel­mikroskops tastet eine Metall­oberfläche mit einem aufge­lagerten Kobaltatom ab. Eine charak­teristische Senke im Mess­ergebnis findet sich sowohl bei Ober­flächen aus Kupfer wie aus Silber und Gold. (Bild: FZJ)

Normaler­weise sinkt der Widerstand von Metallen mit fallender Temperatur. Der Kondo-Effekt bewirkt, dass er unterhalb eines material­typischen Schwellen­werts, der Kondo-Temperatur, wieder ansteigt. Das Phänomen entsteht, wenn magnetische Fremdatome, wie Eisen, nicht­magnetische Wirtsmetalle, wie Kupfer, verunreinigen. Fließt ein Strom, so werden die Atomrümpfe, vereinfacht dargestellt, von Elektronen umspült. Die Eisenatome haben ein quanten­mechanisches magnetisches Moment. Dies bewirkt, dass die Elektronen in der Nähe ihre Spins bei tiefen Temperaturen antiparallel zum Moment des Atoms ausrichten und wie eine Wolke an einer Bergspitze am Kobaltatom hängen bleiben. Dies behindert den Fluss der Elektronen – der elek­trische Widerstand steigt. Physikalisch spricht man von einer Verschränkung, einer starken Kopplung des Moments der Verun­reinigung mit den Spins der umgebenden Elektronen. Der Effekt lässt sich zum Beispiel in Quantenpunkten ausnutzen, Nano­kristallen, die einmal als superkleine Informations­speicher oder Prozessor­elemente dienen sollen.

Der Kondo-Effekt wurde schon 1934 beobachtet und 1964 von Jun Kondo grundlegend erklärt. 1998 gelang Experimental­physikern ein methodischer Durchbruch für die Untersuchung des Effekts. Mittels Rastertunnel­mikroskopie war es möglich geworden, einzelne Atome auf Oberflächen zu erkennen, zu positionieren und gezielt an diesen Stellen Energie­spektren aufzunehmen. Es zeigte sich eine charak­teristische Senke in der Messkurve an der Position von Kobaltatomen auf einer Goldoberfläche, die fortan an als Signatur für den Kondo-Effekt galt. Zuvor konnte der Kondo-Effekt nur indirekt über Widerstands­messungen nachgewiesen werden. Weitere Untersuchungen anderer Material­kombinationen und atomarer Arrangements mit dieser Technik folgten und ein eigenes Forschungsfeld entstand, das sich der Untersuchung von Vielteilchen­phänomenen mit atomarer Auflösung widmete.

Die Physiker vom Peter Grünberg Institut und Institute for Advanced Simulation am Forschungs­zentrum Jülich fanden nun jedoch eine alter­native Ursache für die Senke im Energiespektrum: die magnetische Anisotropie. Sie bewirkt unterhalb einer spezif­ischen Temperatur, dass das magnetische Moment des Fremdatoms an das Kristall­gitter des Wirtsmetalls koppelt, also die Ausrichtung des Momentes quasi einfriert. Oberhalb der Temperatur setzen Anregungen des magne­tischen Momentes durch die Spin­eigenschaften der tunnelnden Elektronen des Mikroskops ein. Solche Spinanregungen waren 1998 noch nicht messbar.

Schon seit Jahren arbeiteten die Forscher daran, theoretische Modelle für Spin­anregungen zu verbessern. Früh fanden sie Hinweise auf die Kondo-artige Signatur. Zunächst fehlte ihnen aber noch die Möglichkeit, wichtige, so genannte relati­vistische Effekte konsistent in ihre Berechnungen einzubeziehen. Nachdem dies gelungen war, nahmen sie sich erneut das System aus Kobalt und Gold vor. Ihre Berechnungen konnten sie nun zudem eindrucks­voll mit Daten aus rastertunnel­spektroskopischen Untersuchungen untermauen. Die gemessenen und die berechneten Spektren sind annähernd deckungsgleich.

„Dies bedeutet, dass vieles, was wir in den letzten zwei Jahrzehnten über den Kondo-Effekt gelernt zu haben glaubten und das bereits Einzug in Lehrbücher gehalten hat, noch einmal neu untersucht werden muss“, erläutert Samir Lounis, Leiter der Arbeits­gruppe „Functional Nanoscale Structure Probe and Simu­lation Laboratory“ (Funsilab). Erste neue Experi­mente basierend auf ihren Vorher­sagen schlagen die Forscher bereits vor. 

FZ Jülich / JOL

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