Rasant wirbelndes Quark-Gluon-Plasma
Nach der Kollisionen von Goldionen bildeten sich die schnellsten jemals beobachteten Strudel.
Unmittelbar nach dem Urknall entstand ein heißes Plasma aus Gluonen und Quarks, die sich darauf zu schweren Hadronen vereinigten. Neue Einblicke in den exotischen Materiezustand eines Quark-Gluon-Plasmas gewann nun ein internationales Team von Physikern am Ionenbeschleuniger Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) in Upton. Dabei entdeckten sie die bislang schnellsten Strudel überhaupt, die nach dem Zusammenstoß von Goldionen entstanden. Von diesem Experiment erwarten die Wissenschaftler neue Erkenntnisse über die starke Wechselwirkung und die Entstehung von Masse.
Abb.: Illustration eines rasant rotierenden Quark-Gluon-Plasmas, das nach dem Zusammenstoß von Goldionen entstand. (Bild: BNL)
Physiker beschreiben ein Quark-Gluon-Plasma als nahezu perfekte Flüssigkeit mit verschwindend geringer Viskosität. „Und genau diese Flüssigkeit wollen wir viel besser verstehen“, sagt Michael Lisa von der Ohio State University und Mitglied der STAR-Kollaboration des RHIC am Brookhaven National Laboratory. Dazu wurden in dem Beschleuniger Goldionen fast bis auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und zur Kollision gebracht. Protonen und Neutronen der Goldatomkerne zerfielen in einzelne Quarks und ihre Bindeteilchen, die Gluonen. Für extrem kurze Momente bildete sich ein Quark-Gluonen-Plasma, in dem mehr als 100.000 Mal höhere Temperaturen als im Inneren der Sonne herrschten.
Erstmals konnten die Physiker auch die rasante Rotationsbewegung dieser extrem dünnflüssigen Materie – Vortizität oder auch Wirbelstärke genannt – auf bis zu zehn Milliarden Billionen Umdrehungen pro Sekunde bestimmen. Direkt ließen sich diese Strudel allerdings nicht analysieren. Doch Michael Lisa und seine Kollegen suchten mit haushohen Detektoren – Spurendriftkammer und Flugzeit-Spektrometer – um den Kollisionspunkt nach Hinweisen für das Verhalten des Quark-Gluon-Plasmas. Ihre Suche fokussierten sie auf das aus dem Quark-Gluonen-Plasma entstandene Lambda-Hyperon; ein Hadron, das sich aus je einem Up-, Down und Strange-Quark zusammensetzt.
Das selbst extrem schnell rotierende Lambda-Hyperon zerfiel in kürzester Zeit weiter in ein Proton und ein Pion. Aus der Messung von Polarisation und Drehmoment dieser Protonen konnten die Physiker auf den Spin des Lambda-Hyperons und schließlich auf die Vortizität des Quark-Gluonen-Plasmas zurückschließen. „Verglichen mit anderen Systemen in der Natur, ist das Quark-Gluonen-Plasma die am schnellsten rotierende Flüssigkeit, die jemals beobachtet wurde“, schreibt Hannah Petersen, Kernphysikerin an der Universität Frankfurt, in einem begleitenden Kommentar.
Abb.: Nachweis der in Protonen und Pionen zerfallenden Lambda-Hyperonen mit dem Teilchendetektor am RHIC-Ionenbeschleuniger. (Bild: BNL)
Mit diesen Messungen entdeckte die STAR-Kollaboration nicht nur die schnellsten, jemals beobachteten Strudelbewegungen. Sie erwarten auch wichtige Impulse für die Kernphysik. Denn nun können die Theorien zur starken Wechselwirkung zwischen den Quarks, zur Entstehung von Protonen, Neutronen und im Endeffekt aller Masse tragenden Elemente besser überprüft werden. Auch über die Entstehung extremer Magnetfelder bei den Ionenkollisionen sollen diese Kollisionsversuche Aufschluss liefern.
Viele weitere Experimente mit Quark-Gluonen-Plasmen und noch empfindlicheren Detektoren werden nötig sein, um die Details der starken Wechselwirkung und die frühe Phase nach dem Urknall besser verstehen zu können. So könnten in naher Zukunft weitere Versuche mit Quark-Gluonen-Plasmen nicht nur am Ionenbeschleuniger in Upton, sondern auch am neuen FAIR-Beschleuniger in Darmstadt und in einigen Jahren am NICA-Experiment im russischen Dubna folgen.
Jan Oliver Löfken
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