Rasante Reise durchs Kristallgitter
Ein Elektron braucht 40 Attosekunden, um eine einzelne Lage von Atomen zu durchqueren.
Wie schnell ein Elektron durch die Atomlagen eines Kristallgitters flitzt, hat ein internationales Team um Forscher der TU München und des MPI für Quantenoptik gemessen. Mithilfe extrem kurzer Laserpulse stoppten die Physiker die Geschwindigkeit: Demnach braucht ein Elektron 40 Attosekunden, um eine Lage von Magnesiumatomen zu durchdringen. Eine Attosekunde ist der Milliardste Teil einer Milliardstel Sekunde. Die genaue Kenntnis, wie Elektronen sich durch ein Material bewegen, könnte bei der Entwicklung kleinerer und schnellerer elektronischer Bauteile helfen.
Abb.: Elektronen im Blick: Reinhard Kienberger inspiziert ein Experiment an der Attosekunden-Beamline, mit der er und seine Kollegen die Bewegung von Elektronen untersuchen. (Bild: T. Naeser, MPQ)
Für ihr Experiment, an dem auch Wissenschaftler der Uni München sowie der TU Wien mitwirkten, brachten die Physiker auf einen Wolframkristall eine definierte Anzahl von Lagen aus Magnesiumatomen auf. Auf diese Proben schickten die Forscher zwei Lichtpulse. Der erste Puls im extremen UV-Bereich dauerte rund 450 Attosekunden. Er drang in das Material ein und löste sowohl aus den Magnesiumlagen als auch aus dem darunter liegenden Wolframkristall je ein sehr nahe am Atomkern gelegenes Elektron heraus. Das Wolfram-Elektron und das Magnesium-Elektron bewegten sich nach ihrer Freisetzung durch den Kristall bis an dessen Oberfläche, an der sie den Festkörper verließen. Dort wurden die Teilchen vom elektrischen Feld des zweiten Lichtpulses erfasst, einem infraroten Wellenzug mit einer Dauer von weniger als fünf Femtosekunden.
Abb.: Ein Laserpuls (rot) und ein extrem-ultravioletter (XUV) Attosekundenpuls (violett) treffen auf eine Oberfläche aus Schichten von Magnesiumatomen (dunkelblau). Darunter befindet sich ein Kristallgitter aus Wolfram (grün). Der XUV-Puls schlägt aus den Wolframatomen Elektronen heraus. Mit dem Laserpuls können die Physiker anschließend messen, wie lange die Wolfram-Elektronen benötigen, um die Magnesiumschichten zu durchdringen. (Bild.: C. Hackenberger, MPQ).
Da das Wolfram-Elektron und das Magnesium-Elektron aufgrund unterschiedlich langer Wege auch zu unterschiedlichen Zeiten an der Oberfläche ankamen, spürten sie den zweiten, infraroten Lichtpuls zu verschiedenen Zeiten. Sie erfuhren also unterschiedliche Stärken des oszillierenden elektrischen Feldes. Demzufolge wurden beide Teilchen auch unterschiedlich stark beschleunigt. Aus den daraus resultierenden Energieunterschieden der Elektronen konnten die Forscher ermitteln, wie lange ein Elektron benötigte, um eine Lage von Atomen zu durchqueren.
Das Wissen, wie schnell sich ein Elektron von einem Ort zum anderen bewegt, ist auch für Anwendungen von Bedeutung: „Während sich beispielsweise in heutigen Transistoren eine Vielzahl von Elektronen über immer noch große Strecken bewegt, könnten in Zukunft einzelne Elektronen ein Signal über Nanostrukturen übermitteln“, sagt Reinhard Kienberger. „Dadurch könnten elektronische Geräte, zum Beispiel auch Computer, um ein Vielfaches schneller und kleiner werden.“ Um die entsprechenden Bauteile zu entwickeln, wollen Forscher besser verstehen, wie schnell Elektronen die winzigen Distanzen in solchen Schaltelementen zurücklegen.
MPG / RK