Rasante Stoßwellen in Wasser gefilmt
Rückschlüsse auf die Zustandsgleichung von Wasser bei sehr hohem Druck möglich.
Das Aufsteigen kleiner Bläschen im Sprudelwasser kennt jeder aus dem Alltag. Eine ganz andere Art von mikroskopisch kleinen Blasen kann man erzeugen, indem man einen intensiven Laserpuls im Wasser fokussiert. Diese Kavitationsblase breitet sich mit Überschallgeschwindigkeit explosionsartig aus. Sie wird getrieben durch einen Überdruck, der den Normaldruck etwa um das hunderttausendfache übersteigt. Dabei wird eine starke sphärische Stoßfront erzeugt. Dies hat ein Team unter Leitung der Universität Göttingen gemeinsam mit dem Deutschen Elektronen-Synchrotron und dem Europäischem Röntgenlaser European XFEL mit einer neuartigen Röntgenbildgebungsmethode gefilmt und analysiert. Die Beobachtung lässt erstaunliche Rückschlüsse auf den Zustand von Wasser unter diesen extremen Bedingungen zu.
In ihrem Experiment hat das Team durch einen intensiven Laserimpuls von wenigen milliardstel Sekunden zunächst ein Plasma im Wasser erzeugt. Aus diesem bildet sich die Kavitationsblase und expandiert dann rasch, wobei sie eine stark komprimierte Wasserschicht, die Stoßfront, vor sich herschiebt. „Im Gegensatz zu sichtbarem Licht, mit dem wir aufgrund starker Wechselwirkung durch Brechung und Streuung nicht ins Innere der Blase hineinschauen können, lässt sich mit Röntgenstrahlung nicht nur die Form, sondern das gesamte Dichteprofil von Blase und Stoßfront auflösen“, erklärt Malte Vassholz, Doktorand an der Universität Göttingen. „Dazu haben wir mittels eines speziellen Algorithmus das Dichteprofil aus den gemessenen Röntgenhologrammen rekonstruiert.“ Durch kontrollierte Verzögerung zwischen dem Infrarot-Laserstrahl, mit dem die Blase erzeugt wurde, und dem Röntgenlaserstrahl, mit dem sie abgebildet wurde, erhielt das Team dann eine Art Film des gesamten Prozesses.
Die Ergebnisse des Experiments lassen neue Rückschlüsse auf die Zustandsgleichung von Wasser bei sehr hohem Druck zu. Tim Salditt vom Institut für Röntgenphysik der Universität Göttingen erklärt: „Obwohl Wasser ohne Zweifel als wichtigste Flüssigkeit der Erde gilt, sind viele Eigenschaften und Zustände – gerade weit weg von den Normalbedingungen – noch wenig verstanden. Durch die einzigartigen Eigenschaften der am European XFEL erzeugten Röntgenlaserstrahlung, die wir für das Experiment nutzen konnten, und unserer neuen Single-Shot-Holographie-Methode können wir nun beobachten, was sich im Inneren der Blase und in der komprimierten Stofffront wirklich abspielt.”
Die Forschung eröffnet auch interessante Perspektiven auf Anwendungen. „Kavitation ist zwar in vielen technischen Anwendungen der Fluiddynamik, wie etwa in Pumpen oder bei Schiffsschrauben, höchst unerwünscht, wird aber umgekehrt technisch auch ausgenutzt, zum Beispiel bei der Materialbearbeitung mit Lasern oder um bestimmte chemische Reaktionen zu ermöglichen,“ erklärt Robert Mettin, der am Dritten Physikalischen Institut der Universität Göttingen schon seit langem an Kavitationsphänomenen forscht. „In der Laserchirurgie kommt die Erzeugung von Kavitationsblasen durch fokussierte Kurzpulslaser ebenfalls zum Einsatz,” ergänzt Salditt, „in Zukunft kann man solche Prozesse dann durch die von uns entwickelte Bildgebungsmethode direkt filmen“.
U. Göttingen / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M. Vassholz et al.: Pump-probe X-ray holographic imaging of laser-induced cavitation bubbles with femtosecond FEL pulses, Nat. Commun. 12, 3468 (2021); DOI: 10.1038/s41467-021-23664-1 - Institut für Röntgenphysik, Georg-August-Universität Göttingen
- CXNS – Center for X-ray and Nano Science, Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY, Hamburg