20.11.2009

Rasanter Spinwechsel im Diamant

Unerwartet schnelle Schaltprozesse mit Mikrowellen empfehlen dotierte Diamantschichten als ein Spintronik-Material der Zukunft.

Unerwartet schnelle Schaltprozesse mit Mikrowellen empfehlen dotierte Diamantschichten als ein Spintronik-Material der Zukunft.

Nanoröhrchen, Quantenpunkte, Supraleiter, gefangene Ionen: Viele Systeme werden derzeit auf ihre mögliche Anwendung in der Spintronik überprüft. Das ferne Ziel für die spintronischen Prozessoren ist es, allein den Wechsel eines einzigen Spinzustands für die Berechnung der digitalen Basiswerte "0" und "1" zu nutzen. Darüberhinaus könnte aus geeigneten Spinsystemen sogar die Hardware für zukünftige Quantencomputer entstehen. Für die Gruppe um David Awschalom von der University of California in Santa Barbara ist Diamant das interessanteste Material für ein Spintronik-Modul. Denn in ihnen kann bei Raumtemperatur ein Spinzustand nun sogar in weniger als einer Nanosekunde rasant geschaltet werden.

Kein perfekt reiner Diamant wäre für diese Spin-Experimente geeignet. Aber mit einer gezielten Stickstoff-Verunreinigung lässt sich eine Stickstofflücke (NV-Zentrum) im Kohlenstoff-Kristallgitter einbauen. In synthetischen, mit Stickstoff dotierten Diamant-Schichten, konzentrierten sich Daniel Awschalom und seine Kollegen genau auf die Spins dieser NV-Zentren. "Und einer der bemerkenswertesten Charakteristika dieser Zentren ist, dass wir ihre Quanteneigenschaften bei Raumtemperatur manipulieren können", sagt David Toyli, der an diesen Experimenten beteiligt war.

Mit lithografischen Verfahren fügten die Forscher einen flachen Wellenleiter zur Diamantschicht hinzu. Über diesen schickten sie kurze Mikrowellenpulse mit Frequenzen zwischen 29 und 440 Megahertz. Über diese Pulse ließ sich die Ausrichtung des Spins gezielt beeinflussen. Um die Spins und ihr Umklappen zu bestimmen, analysierten sie deren Einfluss auf polarisierte Laserpulse, die anschließend mit einem Photodetektor nachgewiesen wurden. Bei der höchsten Frequenz und einer Pulslänge von 7,5 Nanosekunden beobachteten sie so ein stark nicht-lineares Verhalten der rotierenden Spins. Ein komplettes Umklappen des Spins konnten sie sogar innerhalb einer halben Nanosekunde beobachten.

In diesen schnellen Schaltprozessen sehen Awschalon und seine Kollegen nun einen weiteren Vorteil der dotierten Diamant-Schichten für spintronische Anwendungen. Denn nun könnten die Spins bei Raumtemperatur mit Mikrowellen oder Lichtpulsen im optischen Bereich des elektromagnetischen Spektrums mit unerwartet hohen Taktraten kontrolliert werden. "Das Verstehen und die Kontrolle dieser Dynamik ist ein Schlüssel für ein optimierte, schnelle Quantenkontrolle eines Zwei-Niveau-Systems", schreiben die Physiker in ihrer aktuellen Veröffentlichung.

Ob solche Stickstoff-dotierten Diamanten oder doch andere Materialien den Werkstoff für zukünftige Spintronik-Chips darstellen werden, lässt sich heute noch nicht beurteilen. Aber davon, dass die Spintronik eine große Zukunft haben wird, ist Awschalom überzeugt: "Mit halbleitenden Spintronik-Modulen sind wir jetzt da, wo der Transistor in den 1950er Jahren war. Und in einigen Jahren könnten mit ihnen Größe, Kapazität und Geschwindigkeit von Computern radikal verändert werden."

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos

Weiterführende Literatur:

  • R. J. Epstein, F. M. Mendoza, Y. K. Kato, D. D. Awschalom: Anisotropic interactions of a single spin and dark-spin spectroscopy in diamond. Nat. Phys. 1, 94 (2005)
    http://dx.doi.org/10.1038/nphys141

KP

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