13.05.2019

Rechnen mit dem Zufall

Computeranwendung magnetischer Skyrmionen rückt näher.

Wissenschaftlern der der Johannes Gutenberg-Universität Mainz ist es gelungen, ein Schlüssel­element für eine neuartige Computer­anwendung zu entwickeln. Das Element basiert auf den gleichen magnetischen Strukturen, die auch bereits für die Speicherung elek­tronischer Daten auf magnetischen Schieberegistern, den Racetracks, erforscht werden. Dort werden Skyrmionen, magnetische Wirbelstrukturen, als Bit-Einheiten zur Daten­speicherung untersucht. Nun jedoch wurde ein neuer Ansatz vorgestellt, der sich besonders in Richtung „Proba­bilistisches Rechnen“ bewegen soll – ein alternatives Konzept für die elektronische Daten­verarbeitung, bei dem Informationen nicht wie üblich als 1 und 0 übertragen werden, sondern durch Wahrschein­lichkeiten.

Abb.: Ein Reshuffler wirkt im Wesentlichen wie ein Skyrmion-Mixer: Man gibt...
Abb.: Ein Reshuffler wirkt im Wesentlichen wie ein Skyrmion-Mixer: Man gibt eine spezifische Anfangs­sequenz hinein und erhält eine zufällig geänderte Reihenfolge der Ausgangs­zustände. (Bild: A. Donges, U. Konstanz)

Dabei könnte die Zahl 2/3 zum Beispiel ausgedrückt werden durch eine lange Kette von 1 und 0, die jedoch im Mittelwert 2/3 ergibt. Das Schlüssel­element, das diesem Ansatz fehlte, war ein funk­tionierender „Bit-Reshuffler“, also ein Gerät, das eine Zahlen­sequenz zufällig umordnet, ohne die Anzahl von 1 und 0 in der Sequenz zu ändern. Genau dies soll nun von den Skyrmionen erreicht werden. 

Die wissenschaftliche Studie wurde auf dünnen magnetischen Metall­filmen durchgeführt. Sie wurden optisch in einem speziellen Mikroskop untersucht, das die magnetische Ausrichtung der Filme sichtbar machte. Die Filme haben die spezielle Eigenschaft, senkrecht zur Filmebene magnetisiert zu sein, was erst die Stabi­lisierung der magnetischen Skyrmionen ermöglicht. Skyrmionen weisen eine topologische Stabilisierung auf, was sie generell gegen eine zu leichte Zerstörung sichert – ähnlich dem Versuch, einen Haarwirbel wegzukämmen. Genau diese Eigenschaft macht Skyrmionen sehr viel­versprechend für technische Anwendungen, wie hier als Informations­speicher. Der Vorteil ist, dass die erhöhte Stabilität die Wahrschein­lichkeit von ungewolltem Datenverlust verringert beziehungs­weise die Erhaltung der Gesamtzahl der Bits sicherstellt.

Die generelle Funktions­weise des Reshufflers beruht darauf, dass er eine feststehende Anzahl von Eingangs­signalen wie 1 und 0 erhält und die Reihenfolge der Signale verändert, also vermischt, sodass am Ende eine Sequenz mit der gleichen Anzahl von 1 und 0, aber zufällig umgeordneter Reihenfolge entsteht. Da Skyrmionen durch Strom verschoben werden können, ist der erste Teil der Aufgabe, die Datensequenz von Skyrmionen in das Gerät zu schieben, relativ einfach. Die Wissenschaftler schafften es aber nun erstmals, die Skyrmionen im Reshuffler selbst thermisch diffundieren zu lassen, was deren genaue Bewegungen völlig unvorhersehbar machte. Diese Unvorher­sehbarkeit ermöglichte es dann wiederum, die Bitsequenz zufällig umzuordnen, wobei dennoch alle Bits erhalten blieben. Dieses neu entwickelte Element ist nun das Puzzleteil, was bisher noch fehlte, damit proba­bilistisches Rechnen grundsätzlich verwirklicht werden kann.

„Der Erfolg ergibt sich aus drei Teilen: Erstens ist es gelungen, ein Material herzustellen, in dem sich die Skyrmionen rein thermisch bewegen können; zweitens wurde gesehen, dass wir uns Skyrmionen als Teilchen vorstellen können, die sich ähnlich wie Pollen in einer Flüssigkeit bewegen. Am Ende haben wir gezeigt, dass das Reshuffler-Prinzip in experi­mentellen Systemen anwendbar ist und dass es zur Wahrscheinlich­keitsrechnung benutzt werden kann. Die Forschung war eine Kooperation zwischen mehreren Instituten und es hat mir sehr gefallen, dass ich an dem Projekt teilnehmen konnte", betont Jakub Zázvorka aus der Gruppe von Mathias Kläui, nun an der Universität Prag tätig. „Ich finde es besonders spannend, dass wir in unseren Experimenten zeigen konnten, dass topologische Skyrmionen ein geeignetes System sind, mit dem man Frage­stellungen nicht nur aus der Spintronik, sondern auch aus der statistischen Physik untersuchen kann“, sagt Kläui. 

JGU Mainz / JOL

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