Rehabilitation von Goethes Farbenlehre
Newtons und Goethes optische Experimente repräsentieren komplementäre Aspekte desselben Phänomenbereichs.
Mit der Entdeckung des „Magenta-Spektrums“ und seiner Komplementarität zum bekannten „Grün-Spektrum“ führte Goethe keine Gegenexperimente zu Newton durch, sondern machte dort unterdrückte Teilphänomene sichtbar. Zu diesem Schluss kommt Mathias Rang im Rahmen seiner Dissertation an der Uni Wuppertal. Dabei erwies sich die vorgängig von Torger Holtsmark theoretisch erwogene und von Rang zunächst ohne Wissen dieser Vorarbeit entwickelte Spiegelspaltblende als aufschlussreich, macht sie doch die ganze Bandbreite an Lichtspektren sichtbar. „Mit Hilfe der Spiegelspaltblende konnte ich zeigen, dass sich die Spektren von Newton und Goethe in ihrer Entstehung gegenseitig bedingen, sodass Goethes und Newtons Experimente gegenseitige Ergänzungen darstellen“, erläutert Rang. Durch die Beschreibung mit einem quantitativen Formalismus konnte Rang die optische Äquivalenz der Spektren belegen und die vollständige Symmetrie in den spektralen Phänomenen theoretisch begründen.
Abb.: Experiment zu komplementären Spektren mit einer Spiegelspaltblende (Bild: M. Rang, Goetheanum)
Als mögliche Anwendung ist die Erhöhung der Messgenauigkeit in der Spektroskopie von lichtschwach leuchtenden Flächen – wie sie beispielsweise bei Biolumineszenzen vorkommen – denkbar. Weitere Entwicklungsmöglichkeiten sieht Rang in einer thermodynamischen Begründung der optischen Symmetrie. „Für uns ist die Dissertation von Matthias Rang ein wichtiger Meilenstein“, sagt Johannes Grebe-Ellis, der die Dissertation betreut hat. „Die Arbeit Rangs fußt unmittelbar auf der jahrzehntelangen Forschungstätigkeit zu optischen Phänomenen an der Naturwissenschaftlichen Sektion.“
Matthias Rang ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Naturwissenschaftlichen Sektion am Goetheanum. In seiner Dissertation „Phänomenologie komplementärer Spektren“ entwickelt er eine phänomenologische Beschreibung inverser und komplementärer Spektren. Er zeigt, dass inverse optische Phänomene nicht notwendig vollständig invertiert sind. Vor dem Hintergrund einer Analyse der Eigenschaften optischer Räume wird eine verallgemeinerte Invertierungsvorschrift angegeben, die vollständige, abbildungsoptisch symmetrisierte Invertierungen ermöglicht und die sich auch strahlungsphysikalisch begründen lässt.
Für eine verallgemeinerte Form des experimentum crucis Newtons zeigt Rang, dass vollständig inverse Zustände auch nach wiederholten optischen Abbildungen und Mehrfachanwendungen spektral-analysierender Operationen invers bleiben. Die Eigenschaft der Inversion kann daher als Erhaltungsgröße im spektralen Zustandsraum angesehen werden. Außerdem lassen sich mit einer neu entwickelten selbstinvertierenden Spiegelblende inverse und komplementäre Spektren als sich gegenseitig bedingende spektrale Zustände erzeugen. Mit Hilfe dieser Methode ist es daher möglich, inverse Spektren nicht als unterschiedliche Phänomene, sondern als Teilzustände eines verallgemeinerten Zustands aufzufassen.
Goetheanum / RK