19.11.2018

Reibungsloser Ablauf

Ausgleich des triboelektrischen Effekts kann Abnutzung drastisch verringern.

Ein Viertel der weltweiten Energie­verluste lässt sich auf Reibung zurück­führen. Zu diesem Schluss kamen erst letztes Jahr Forscher aus Finnland und den USA. In Zeiten des Klima­wandels und des daraus resul­tierenden Zwanges, Energie zu sparen, lassen diese Zahlen aufhorchen. Nun hat sich ein türkisches Forscher­team um Tarik Baytekin eines Teils der Problematik angenommen: mechanische Systeme mit iso­lierenden Kunststoff­teilen, die aneinander reiben. Sie haben den Zusammenhang zwischen Tribo­elektrizität, also der Entstehung von Oberflächen­ladungen durch Reibung, und dem daraus resul­tierenden Energie­verlust systematisch untersucht. Gleich­zeitig stellen sie verschiedene Methoden vor, wie sich die Aufladung der Ober­flächen verhindern lässt, um die dadurch verursachte Zunahme der Reibung zu vermeiden.

Abb.: Durch ein einfaches Experiment, bei dem ein Zylinder wiederholt eine schiefe Ebene hinabglitt, wurde der Einfluss der Oberflächenladungen auf den Reibungskoeffizienten bestimmt. (Bild: K. Sayfidinov et al., Sci. Adv.)

Eigent­lich ist die Bezeichnung „tribo­elektrisch“, die sich vom griechischen Wort für Reiben ableitet, irre­führend. Denn es kommt nur auf den Kontakt zwischen den Materialien an, dessen Fläche durch das Aneinander­reiben lediglich vergrößert wird. Der Effekt, dass die an den Ober­flächen entstehenden, einander entgegen­setzten Ladungen zu einer zusätz­lichen Anziehung und damit zu höherer Reibung führen, ist bereits seit geraumer Zeit bekannt. Wie Baytekin und sein Team in ihrer aktuellen Studie anmerken, ist in der Literatur jedoch weder etwas über die Auswir­kungen des Effekts auf Abnutzung und Energie­verbrauch, noch über Möglich­keiten der Verrin­gerung der Reibung durch die Reduktion der Ladung zu finden.

Daher fokus­sierten sich die Forscher in ihrer Arbeit auf Kontakte zwischen Polymeren. Anhand solcher Systeme wird zum einen gezeigt, wie stark der dynamische Reibungs­koeffizient von der Oberflächen­ladungsdichte abhängt. Zum anderen werden verschiedene Methoden vorgestellt, mit deren Hilfe sich die Ladungen reduzieren lassen, was die Reibungs­verluste um bis zu zwei Drittel und die Abnutzung der Ober­flächen um einen Faktor Zehn verringern kann. Um den Einfluss der akkumulierten Ladungen auf den dynamischen und den statischen Reibungs­koeffizienten zu demons­trieren, haben die Forscher ein einfaches Experiment durch­geführt, bei dem ein mit PET beschich­teter Zylinder auf seiner flachen Seite wiederholt eine schiefe Ebene aus Zellulose hinab­gleitet.

Wie zu erwarten war, fanden sich nach jedem Durchgang mehr Ladungen an den Kontakt­flächen und der Zylinder rutschte dadurch langsamer. Nach 19 Versuchen hatte sich die Ladung im Vergleich zur ersten Messung vervierfacht und der Zylinder benötigte mehr als dreimal so lange, um die gleiche Strecke zurück­zulegen. Nachdem die Ladungen per Corona-Entladung neutra­lisiert worden waren, entsprach der dynamische Reibungs­koeffizient wieder dem der ersten Messung. Ein ähnliches Experiment zur Ermittlung des statischen Reibungs­koeffizienten, bei dem die Ebene so weit gekippt wurde, bis der Zylinder ins Rutschen kam, lieferte vergleich­bare Ergebnisse.

Neben Corona-Ent­ladungen testeten Baytekin und sein Team noch zwei weitere Methoden zum Entfernen der Ladungen. Zum einen reinigten sie die Flächen mit Ethanol, was ebenfalls gute Ergebnisse brachte und vor allem auch die Abnutzung der Flächen stark verringerte. Zum anderen überzogen sie die Rückseiten der Flächen mit einem leitenden Material, das sie über einen Draht erdeten. Den Forschern folgerten, dass dies zwar die ökono­mischste und technisch einfachste Methode sei. Nach 35 Rutsch­vorgängen war der dynamische Reibungs­koeffizient jedoch um neun Prozent gewachsen. Das ist zwar deutlich weniger als die ohne Erdung gemessenen fünfzig Prozent. Die effi­zienteste Methode, um die Reibung niedrig zu halten, war jedoch die Corona-Entladung.

Um die Relevanz ihrer Unter­suchungen für mechanische Systeme mit iso­lierenden Bauteilen zu demonstrieren, nahmen die Forscher auch ein Kugellager aus einem Kunst­stoffring und Glaskugeln unter die Lupe. Dabei zeigte sich, dass ohne Entladung der mechanische Dreh­widerstand zwar anstieg, jedoch bereits mit kurzer Wirkung der Corona-Entladung instantan halbiert werden konnte. 

In einem weiteren Experiment richteten die Forscher den Fokus auf die Abnutzung der Reibflächen. Dazu ließen sie ein massives Stück PVC wiederholt die Zellulose­fläche entlang gleiten und zählten die dabei entste­henden Kratzer. Während ohne Entladung nach 35 Durch­gängen etwa einhundert Kratzer zu sehen waren, fanden sich auf einer gleich großen Fläche nur zehn Linien, wenn die Ladungs­dichte während des Experiments per regelmäßiger Corona-Entladung unter zwei Nano­coulomb pro Quadrat­zentimeter gehalten wurde. Die Entfernung der Ladungen reduzierte die Abnutzung in diesem Fall also auf ein Zehntel.

Thomas Brandstetter

JOL

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