Reibungsloser Ablauf
Ausgleich des triboelektrischen Effekts kann Abnutzung drastisch verringern.
Ein Viertel der weltweiten Energieverluste lässt sich auf Reibung zurückführen. Zu diesem Schluss kamen erst letztes Jahr Forscher aus Finnland und den USA. In Zeiten des Klimawandels und des daraus resultierenden Zwanges, Energie zu sparen, lassen diese Zahlen aufhorchen. Nun hat sich ein türkisches Forscherteam um Tarik Baytekin eines Teils der Problematik angenommen: mechanische Systeme mit isolierenden Kunststoffteilen, die aneinander reiben. Sie haben den Zusammenhang zwischen Triboelektrizität, also der Entstehung von Oberflächenladungen durch Reibung, und dem daraus resultierenden Energieverlust systematisch untersucht. Gleichzeitig stellen sie verschiedene Methoden vor, wie sich die Aufladung der Oberflächen verhindern lässt, um die dadurch verursachte Zunahme der Reibung zu vermeiden.
Abb.: Durch ein einfaches Experiment, bei dem ein Zylinder wiederholt eine schiefe Ebene hinabglitt, wurde der Einfluss der Oberflächenladungen auf den Reibungskoeffizienten bestimmt. (Bild: K. Sayfidinov et al., Sci. Adv.)
Eigentlich ist die Bezeichnung „triboelektrisch“, die sich vom griechischen Wort für Reiben ableitet, irreführend. Denn es kommt nur auf den Kontakt zwischen den Materialien an, dessen Fläche durch das Aneinanderreiben lediglich vergrößert wird. Der Effekt, dass die an den Oberflächen entstehenden, einander entgegensetzten Ladungen zu einer zusätzlichen Anziehung und damit zu höherer Reibung führen, ist bereits seit geraumer Zeit bekannt. Wie Baytekin und sein Team in ihrer aktuellen Studie anmerken, ist in der Literatur jedoch weder etwas über die Auswirkungen des Effekts auf Abnutzung und Energieverbrauch, noch über Möglichkeiten der Verringerung der Reibung durch die Reduktion der Ladung zu finden.
Daher fokussierten sich die Forscher in ihrer Arbeit auf Kontakte zwischen Polymeren. Anhand solcher Systeme wird zum einen gezeigt, wie stark der dynamische Reibungskoeffizient von der Oberflächenladungsdichte abhängt. Zum anderen werden verschiedene Methoden vorgestellt, mit deren Hilfe sich die Ladungen reduzieren lassen, was die Reibungsverluste um bis zu zwei Drittel und die Abnutzung der Oberflächen um einen Faktor Zehn verringern kann. Um den Einfluss der akkumulierten Ladungen auf den dynamischen und den statischen Reibungskoeffizienten zu demonstrieren, haben die Forscher ein einfaches Experiment durchgeführt, bei dem ein mit PET beschichteter Zylinder auf seiner flachen Seite wiederholt eine schiefe Ebene aus Zellulose hinabgleitet.
Wie zu erwarten war, fanden sich nach jedem Durchgang mehr Ladungen an den Kontaktflächen und der Zylinder rutschte dadurch langsamer. Nach 19 Versuchen hatte sich die Ladung im Vergleich zur ersten Messung vervierfacht und der Zylinder benötigte mehr als dreimal so lange, um die gleiche Strecke zurückzulegen. Nachdem die Ladungen per Corona-Entladung neutralisiert worden waren, entsprach der dynamische Reibungskoeffizient wieder dem der ersten Messung. Ein ähnliches Experiment zur Ermittlung des statischen Reibungskoeffizienten, bei dem die Ebene so weit gekippt wurde, bis der Zylinder ins Rutschen kam, lieferte vergleichbare Ergebnisse.
Neben Corona-Entladungen testeten Baytekin und sein Team noch zwei weitere Methoden zum Entfernen der Ladungen. Zum einen reinigten sie die Flächen mit Ethanol, was ebenfalls gute Ergebnisse brachte und vor allem auch die Abnutzung der Flächen stark verringerte. Zum anderen überzogen sie die Rückseiten der Flächen mit einem leitenden Material, das sie über einen Draht erdeten. Den Forschern folgerten, dass dies zwar die ökonomischste und technisch einfachste Methode sei. Nach 35 Rutschvorgängen war der dynamische Reibungskoeffizient jedoch um neun Prozent gewachsen. Das ist zwar deutlich weniger als die ohne Erdung gemessenen fünfzig Prozent. Die effizienteste Methode, um die Reibung niedrig zu halten, war jedoch die Corona-Entladung.
Um die Relevanz ihrer Untersuchungen für mechanische Systeme mit isolierenden Bauteilen zu demonstrieren, nahmen die Forscher auch ein Kugellager aus einem Kunststoffring und Glaskugeln unter die Lupe. Dabei zeigte sich, dass ohne Entladung der mechanische Drehwiderstand zwar anstieg, jedoch bereits mit kurzer Wirkung der Corona-Entladung instantan halbiert werden konnte.
In einem weiteren Experiment richteten die Forscher den Fokus auf die Abnutzung der Reibflächen. Dazu ließen sie ein massives Stück PVC wiederholt die Zellulosefläche entlang gleiten und zählten die dabei entstehenden Kratzer. Während ohne Entladung nach 35 Durchgängen etwa einhundert Kratzer zu sehen waren, fanden sich auf einer gleich großen Fläche nur zehn Linien, wenn die Ladungsdichte während des Experiments per regelmäßiger Corona-Entladung unter zwei Nanocoulomb pro Quadratzentimeter gehalten wurde. Die Entfernung der Ladungen reduzierte die Abnutzung in diesem Fall also auf ein Zehntel.
Thomas Brandstetter
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