30.08.2010

Reiche Früchte

Nach sechs Jahren Routinebetrieb wird der Forschungsreaktor FRM II umgerüstet, um u. a. ein für die Nuklearmedizin wichtiges Radioisotop herstellen zu können.

Physik Journal – Nach sechs Jahren Routinebetrieb wird der Forschungsreaktor FRM II umgerüstet, um u. a. ein für die Nuklearmedizin wichtiges Radioisotop herstellen zu können.

Rund 70 000-Mal pro Woche kommt es in Deutschland bei Untersuchungen der Schilddrüse, des Skeletts oder des Herzens zum Einsatz: das metastabile Radioisotop Technetium-99, ein Gammastrahler mit einer Halbwertszeit von nur sechs Stunden. Seit vergangenem Jahr zeichnet sich bei der Versorgung damit ein Engpass ab, da sich das Mutternuklid Molybdän-99 nur in einer Handvoll Anlagen weltweit erzeugen lässt, die zum Teil bereits Jahrzehnte alt sind und zusehends ausfallen. Daher haben die Betreiber des Forschungsreaktors FRM II in Garching bereits im letzten Jahr in einer Machbarkeitsstudie gezeigt, dass der FRM II zur Versorgung mit dem knappen Isotop beitragen könnte. Inzwischen ist die Finanzierung sicher gestellt, und ab Mitte Oktober soll die Umrüstung beginnen. „Ab 2014 wird der FRM II in der Lage sein, etwa 50 Prozent des europäischen Bedarfs abzudecken“, freute sich der bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch Ende Juli, als er gemeinsam mit Ministerpräsident Horst Seehofer die Neutronenquelle in Garching besuchte.

Bild: Winfried Petry, wissenschaftlicher Direktor des FRM II, mit Minister­präsident Horst Seehofer am ­Reaktorbecken. (Bildquelle:TU München)

Molybdän-99 lässt sich über die Spaltung von hochangereichertem Uran durch Neutronen erzeugen. Dazu soll nun zunächst in einer vier- bis fünfmonatigen Betriebspause, die für den Austausch einer Positronenquelle ohnehin geplant war, ein sog. Fingerhutrohr angebracht werden, mit dem sich das Uran nah am Brennelement platzieren lässt. Die Gesamtkosten für die Umrüstung betragen 5,4 Millionen Euro, von denen Bayern 1,2 Millionen übernimmt. Der Rest kommt vom Bundesgesundheitsministerium sowie einigen Unternehmen, die das Molybdän chemisch aufbereiten und die Technetium-Quellen vermarkten werden.

Das Bundesforschungsministerium beteiligt sich zwar nicht an der Finanzierung dieser Maßnahme, im Rahmen der Verbundforschung fördert es aber seit Anfang Juli mit über 10 Millionen Euro die weltweit intensivste Positronenquelle Nepomuc sowie neue Instrumente für den FRM II. Dazu zählt u. a. eine Hochdruckpresse, um Gestein unter Druck- und Temperaturverhältnissen wie im Erdinneren mit Neutronenbeugung untersuchen zu können. Ebenfalls mit Millionenbeträgen fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft DFG Experimente zur Teilchenphysik am FRM II. Eine Quelle ultrakalter Neutronen soll es gemeinsam mit neuen Instrumenten erlauben, nach einem elektrischen Dipolmoment des Neutrons zu suchen bzw. seinen Zerfall mit zehnfach höherer Genauigkeit als bisher zu analysieren. Angesichts der wissenschaftlichen Spitzenstellung des FRM II zeigte sich Horst Seehofer bei seinem Besuch überzeugt davon, dass „die Investitionen des Freistaats in die Wissenschaft reiche Früchte ­tragen“.

Seehofer äußerte sich auch zur geplanten Umrüstung des FRM II von hoch angereichertem Uran (HEU) auf Uran mit geringerer Anreicherung. Bayern hat sich dazu verpflichtet, so bald dies technisch und wissenschaftlich möglich ist. Angesichts der Fortschritte bei den derzeit laufenden Entwicklungsarbeiten für einen neuen Brennstoff zeigte er sich zuversichtlich, dass eine Umrüstung zum Jahr 2018 möglich sein wird.

Stefan Jorda

Quelle: Physik Journal, August/September 2010, S. 12

AH

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