15.06.2018

Reinigender Monsun

Forschungsflugzeug HALO analysiert Schadstofftransport in der Atmosphäre.

Jedes Jahr während der Trocken­zeit im Winter bildet sich durch die Verbrennung von fossilen Brenn­stoffen und von Biomasse über Südasien eine riesige Schmutz­wolke: die Atmospheric Brown Cloud. Warum sie wieder verschwindet, sobald im Frühjahr die Regenzeit einsetzt, hat nun ein inter­nationales Wissenschaft­lerteam unter Feder­führung des Max-Planck-Instituts für Chemie heraus­gefunden. Demnach stärken Aufwinde, Gewitter und chemische Reaktionen die Selbst­reinigungs­kraft der Atmosphäre, sodass Luft­schadstoffe effizient aus der Luft gewaschen werden können. Die Schad­stoffe jedoch, die nicht beseitigt werden, steigen getrieben durch den Monsun bis in die obere Tropo­sphäre und verteilen sich dann weltweit.

Abb.: Eine riesige Schmutzwolke über Südasien: die Atmospheric Brown Cloud entsteht jedes Jahr während der Wintermonate durch die Verbrennung von Biomasse und fossilen Brennstoffen und verschwindet im März wieder (Bild: NASA, J. Schmaltz / LANCE / EOSDIS)

Die gigantische Luft­strömung des Monsuns führt im Winter zu Trocken­heit und Dürre, bringt im Sommer aber große Niederschlags­mengen. Der Monsun entsteht, da sich Luftmassen über dem Indischen Subkon­tinent in den Sommer­monaten sehr stark aufheizen, und die warme Luft aufsteigt. Dadurch wird feuchte Ozeanluft angesaugt und strömt über das Land in Richtung Himalaya. Über der Region bilden sich riesige Wolken, aus denen es über Monate hinweg regnen kann, was die Wasser­versorgung und die Ernten sichert. Atmosphären­forscher vermuten schon seit längerem, dass die aufstei­genden Luft­massen zudem verschmutzte Luft hoch in die Atmo­sphäre trans­portieren, und zwar über die Regen­wolken hinaus.

„Nach unserer Vorstellung gelangen Schadstoffe und Schmutz­partikel durch die Konvektion in einen Antizyklon, einen riesigen Wind­wirbel, der sich oberhalb der Wolken­ebene über Südasien bildet,“ so Jos Lelieveld, Direktor am Max-Planck-Institut für Chemie. In Südasien sind die Stickoxid- und Schwefeldioxid­emissionen aus der Verbrennung von Kohle und anderen fossilen Energie­trägern im letzten Jahrzehnt um fünfzig Prozent gestiegen. Aber auch andere Quellen, insbe­sondere die Verbrennung von Biomasse durch die vielen Menschen in der Region, nähren die Schmutz­wolke. Den Nachweis, dass der südasia­tische Monsun tat­sächlich Schadstoffe über die Wolken­schicht in große Höhen trans­portiert, lieferte nun eine aufwendige Expedition mit dem Forschungs­flugzeug HALO: Im Jahr 2015 startete das Max-Planck-Institut für Chemie mit Kollegen des Forschungs­zentrums Jülich, des Karlsruher Instituts für Techno­logie und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt DLR die Mission „Oxidation Mechanism Obser­vations“ (OMO). „Unsere Forschungs­flüge zeigten nicht zuletzt, dass die Atmo­sphäre durch den Monsun effizient von Schadstoffen gereinigt wird“, so der Expeditions­leiter Lelieveld.

Neue Messungen offen­baren aber auch die Janus­köpfigkeit des Monsuns, der wie die römische Gottheit zwei Gesichter hat: Ein Großteil der aus Südasien stammenden Schad­stoffe, die bis über die Wolken des Monsuns befördert werden, wird durch die Selbstrei­nigungskraft im Antizyklon nicht beseitigt. Sie reichern sich vielmehr an und verteilen sich rund um den Globus. So gelangen beispiels­weise nahezu zehn Prozent des Schwefel­dioxids aus Südasien in die Strato­sphäre, was wiederum Auswir­kungen auf das Klima und die Ozonschicht hat. Der Monsun ist mithin nicht nur eine Art effizienter Wasch­maschine für Schadstoffe, sondern trägt gleich­zeitig auch zur weltweiten Luftver­schmutzung bei.

Die Erkenntnisse gewannen die Wissen­schaftler aus Messungen in Ausläufern des Antizyklons: Mit dem Forschungs­flugzeug HALO flogen sie im Juli und August zwischen dem östlichen Mittelmeer und dem Indischen Ozean bis zu 15 Kilometer hoch in den Monsun­wirbel hinein und analysierten die Luftzusam­mensetzung. Sie kreuzten dabei auch Regionen über dem Nahen Osten, dem Mittelmeer und Nordafrika, um die Ausdehnung des Phänomens zu unter­suchen. Während der Messflüge bestimmten sie zahlreiche chemische Verbin­dungen, um Aufschluss über die Quellen der Luftver­schmutzung und die chemischen Vorgänge in der Atmo­sphäre zu erhalten: Schwefel- und Stickoxide, Ozon, Aerosol­partikel, chlor­haltige Moleküle, Kohlen­wasserstoffe und deren Abbau­produkte.

Ihre Messflüge ergaben, dass beispiels­weise die Konzen­trationen an Kohlen­monoxid und Schwefel­dioxid innerhalb des Antizyklons im Vergleich zu außerhalb deutlich erhöht waren. „Die großen Schwefel­dioxid­mengen stammen aus Verbrennungs­prozessen durch mensch­liche Akti­vitäten und liegen um vieles höher als natürliche Hintergrund­konzentra­tionen“, so der Atmosphären­forscher Hans Schlager des DLR. Das wiederum bedeutet, dass ein wesent­licher Teil der Luftver­schmutzung in Höhen bis zu 15 Kilometern trans­portiert wird. Zudem konnten die Forscher nachweisen, dass Indien eine bedeutende Schadstoff­quelle ist. Zuvor wurde vermutet, dass ein großer Teil der Emissionen aus China stammen könnte, da das Einfluss­gebiet des Monsuns bis nach Ostasien reicht.

„Wir haben außerdem die Hydroxyl-Konzen­tration analysiert und fanden innerhalb des Antizyklons deutlich höhere Konzentra­tionen als außerhalb“, so der Max-Planck-Forscher Hartwig Harder, der während der gesamten Expe­dition dabei war. Das Hydroxyl-Molekül ist besser als Wasch­mittel der Atmosphäre bekannt, da es ein sehr reaktives Radikal ist und Schadstoffe effizient oxidiert. Dies hat chemisch zwei Effekte: Zum einen ändern sich ihre Löslich­keit und damit auch ihr Vermögen, sich in bereits bestehenden Schwebe­partikeln in der Luft abzulagern, wodurch sie durch Niederschlag leichter aus der Luft ausge­waschen werden. Zum anderen können sich die oxidierten Moleküle aneinander­lagern und so neue Aerosol­partikel bilden. Weil sich der Antizyklon weit ausdehnt und die Partikel verteilt, kann sich dieser Effekt auf das Klima weltweit auswirken.

Primär entsteht das Atmo­sphären-Wasch­mittel, wenn Ozon und Wasser durch Sonnenlicht gespalten werden. Nachdem das Radikal mit Schad­stoffen reagiert hat, geht es normalerweise verloren. Sind jedoch Stickoxide vorhanden, wird das Radikal recycelt und kann wiederholt reinigen, erklärt der Atmosphären­chemiker Andreas Hofz­umahaus vom Forschungs­zentrum Jülich. Stickoxide entstehen nicht nur bei der Verbrennung von Diesel, sondern auch durch Blitze in der Atmosphäre. Da es die während der Monsun­gewitter reichlich gibt, bleibt die Selbstrei­nigungskraft in 15 Kilometer Höhe trotz der Luftver­schmutzung erhalten. Den Wissen­schaftlern zufolge wird sogar viel mehr OH recycelt als sich primär bildet, denn die OH-Konzen­tration steigt durch die Blitzaktivität auf das Zwei- bis Dreifache. Das heißt also, dass das Klima­phänomen Monsun nicht nur Schadstoffe hoch in die Atmosphäre pumpt, sondern gleich­zeitig einen Reinigungs­mechanismus bereitstellt, um einen Teil der Schadstoffe wieder zu entfernen.

Bestätigt wurde diese Erklärung durch die Ergeb­nisse eines eta­blierten nume­rischen Modellsystems, das die chemischen Prozesse in der Atmo­sphäre global abbildet. Anhand dieses Modells lassen sich unter anderem die Konzen­trationen einzelner chemischer Verbin­dungen wie Kohlen­monoxid, Schwefel­dioxid, Kohlenwasser­stoffe, Stickoxide und auch die des OH-Radikals ermitteln. Letztere sinkt nämlich um einen Faktor zwei bis drei ab, sobald die Wissen­schaftler die durch Blitze entstehenden Stick­oxide im Modell nicht berück­sichtigten. Da anzunehmen ist, dass die Schadstoff­emissionen in der Region in den nächsten Jahren weiter ansteigen, ist es für die Forscher um Jos Lelieveld von Interesse, wie sich das Gesicht des janus­köpfigen südasia­tischen Monsuns weiter­entwickelt: Bleiben Reinigungs- und Transport­mechanismus gleich­zeitig bestehen oder kippen sie in die eine oder andere Richtung.

MPG / JOL

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