Reinraum zum Mitnehmen
Neues Konzept für ein mobiles, zeltähnliches Reinraumsystem.
Mit „Cape" haben Forscher des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnik und Automatisierung IPA ein mobiles, zeltähnliches Reinraumsystem entwickelt, das sich in weniger als einer Stunde sowohl in Innenräumen als auch in wettergeschützten Außenbereichen aufbauen lässt. Der Anstoß zu dieser Innovation ist auf die OHB System AG, einem bedeutenden Unternehmen der europäischen Raumfahrt, zurückzuführen. Cape schützt empfindliche Produkte beim Herstellungsprozess, aber auch bei der Vermeidung von Querkontaminationen. Darüber hinaus lassen sich Anlagen und Produkte unter der Einhausung sterilisieren.
Schon geringe Kontaminationen führen in vielen Branchen zu Qualitätseinbußen. Geraten Verunreinigungen und Keime auf Automatisierungskompomenten, Werkzeuge, Mikrochips, Raumsonden oder medizintechnische Bauteile, kann dies zu fehlerhaften Endgeräten führen. Um solche Defekte zu vermeiden, lagern Unternehmen ihre kontaminationssensitiven Fertigungs- und Montageschritte in Reinräume aus. Diese sind jedoch teuer, nicht überall verfügbar und schützen nicht vor Querkontaminationen. Oftmals müssen auch die Reinräume selbst keimfrei gehalten werden, etwa beim Aufbau oder bei der Wartung von Automatisierungskomponenten. Mit Cape bekommen Hersteller nun eine mobile, kontaminationsfreie Fertigungsumgebung, die Luftreinheiten von der ISO-Klasse 1 bis 9 ermöglicht.
Sie eignet sich sowohl, um Verunreinigungen während der Wartungsarbeiten in Reinräumen möglichst auszuschließen, schafft aber auch einen sterilen Raum unter dem zeltähnlichen System. Unternehmen können Cape in Industriehallen oder auch im Außenbereich aufstellen, sofern ein fester Untergrund und ein Wetter- und Witterungsschutz vorhanden ist. Das Fraunhofer IPA projektiert diesen „Reinraum on Demand“, maßgeschneidert auf die kundenspezifischen Industriebedürfnisse, in unterschiedlichsten Ausführungen, Formen und Größen – wahlweise mit und ohne Boden. Der Reinraum kann auch ohne bauliche Anpassungen in der industriellen Fertigung in kürzester Zeit in bestehende Produktionsbereiche integriert werden. Die kleinste Variante misst gerade einmal dreißig auf dreißig Zentimeter. Sie eignet sich beispielsweise für Lötprozesse, wenn nur ein kleiner Schutzbereich abgeschottet werden soll. Eine Zeltvariante mit einem Gewicht von sechzig Kilogramm misst drei bis vier Meter Kantenlänge.
Cape besteht aus einem ausgasungsarmen, wasch- und sterilisierbaren Spezialgewebe, das wie eine Käseglocke von der Decke herabgelassen werden kann oder am Boden aufgebaut wird. Die Konstruktion des Systems besteht aus doppelrahmigen GFK-Segmenten. Die Steckverbindungen aus Aluminium werden werkzeugfrei arretiert. Für den Aufbau sind keinerlei Hilfsmittel und Werkzeuge erforderlich – ein großer Vorteil, Materialkosten und aufwändige Montagen entfallen. Für die mittelgroße Variante sind nur dreißig Minuten erforderlich. „Das elf auf zwölf auf sieben Meter große System bauen wir in ein bis zwei Tagen auf. Um einen herkömmlichen Reinraum dieser Größe zu installieren, benötigt man ein bis zwei Monate“, sagt Udo Gommel, Leiter der Abteilung Reinst- und Mikroproduktion am Fraunhofer IPA. „Zudem sparen Unternehmen Betriebskosten, wenn der Reinraum nicht benötigt wird“, sagt Gommel. Insbesondere Kunden, die nicht permanent eine reinheitstechnisch kontrollierte Umgebung benötigen, profitieren davon. Der Transport des Systems erfolgt in einer stabilen Box aus Aluminium, die sich auch als Luftfracht verschicken lässt.
Cape genügt höchsten Reinheitsanforderungen, unter anderem der ISO-Klasse 1. Das bedeutet, dass ein Kubikmeter Luft nicht mehr als zehn Partikel von 0,1 Mikrometer Größe enthalten darf. Dieser ultrareine Bereich ist etwa eine Milliarde mal sauberer als die Umgebungsluft. Ein eigens entwickeltes Strömungskonzept gewährleistet eine sterile Fertigungsumgebung. „Unser Luftverteilsystem, das unter anderem auch eine Filteranlage umfasst, sorgt für eine homogene Strömungsverteilung, die Strömungsführung ist gerichtet. Damit heben wir uns von am Markt verfügbaren Systemen ab. Da Cape aus einer durchlässigen, ausgasungsfreien und elektrostatisch ableitbaren Gewebehülle besteht, kann die Luft gleichmäßig radial von innen nach außen durchgedrückt werden. Indem man die relativen Luftdruckverhältnisse ändert beziehungsweise das Druckgefälle umkehrt, kann man entweder den Zeltinnenraum oder auch den Bereich außerhalb des Capes schützen“, führt Gommel aus. „Wie in zahlreichen Tests nachgewiesen wurde, treten keinerlei chemische Emissionen des Capes auf.“
FhG / JOL