Rekordansturm der Nobelpreisträger
Auf dem Programm der 60. Lindauer Tagung steht auch ein Symposium zum Thema Elementarteilchen und Kosmos.
Auf dem Programm der 60. Lindauer Tagung steht auch ein Symposium zum Thema Elementarteilchen und Kosmos.
Zur 60. Tagung der Nobelpreisträger in Lindau am Bodensee kommen 61 Wissenschaftler, die die hohe Auszeichnung erhalten haben – das sind mehr als je zuvor. In Deutschland waren wohl nie so viele der Elite-Forscher auf einem Fleck versammelt, heißt es aus dem Kreis der Organisatoren. Der Rekordansturm der Spitzenforscher der Disziplinen Physik, Chemie und Medizin ist Lohn für die Reformer der Traditionstagung, der in den 1990er Jahren das Aus drohte. Das frühere Familientreffen der Nobelpreisträger am Bodensee ist mittlerweile eine international beachtete Tagung der besten Forscher von heute und morgen. Neben den Preisträgern reisen am Sonntag 650 Nachwuchsforscher aus 70 Ländern zu dem einwöchigen Treffen. Vor zehn Jahren waren gerade 15 Nationen vertreten.
Diese Entwicklung war noch vor wenigen Jahren nicht abzusehen. Mitte der 1990er Jahre machten aktive Topforscher einen Bogen um das "Kaffeekränzchen einer schrumpfenden Zahl älterer Herren". Eingeladene Studenten nutzten die Tagung als Urlaubsfrische. Auch für Sponsoren und Stifter war das kaum noch attraktiv. Ein Kurswechsel rettete die Tagung: Jahrelang waren aktuelle Themen nicht im Fokus des Treffens. Heute stehen Energie, Klima und Bevölkerungswachstum im Zentrum. Nobelpreisträger werden von Sonntag an bei über 50 Vorträgen über das Ende fossiler Rohstoffe und die Rolle der Wissenschaft für eine bessere Zukunft reden. Unangetastet blieben in der zehnjährigen Reformphase nur die Begegnungen der Preisträger mit jungen Forschern. Doch wird der Nachwuchs nun knallhart ausgewählt. Von der Nähe der Gespräche hinter verschlossenen Türen schwärmen beide Seiten.
Einen Schwerpunkt bei der diesjährigen Tagung stellt das Symposium zu aktuellen Diskussionen um das Standardmodell der Teilchenphysik und der Kosmologie dar. Sechs Nobelpreisträger, die in den vergangenen Jahrzehnten entscheidende Beiträge zur Erklärung von Elementarteilchen und Kosmos geleistet haben, werden am Dienstag, 29. Juni in Lindau erläutern, was sie sich von den Experimenten am Large Hadron Collider des CERN erhoffen. Unter der Überschrift "What will CERN teach us About the Dark Energy and Dark Matter of the Universe?" stellen die Physik-Nobelpreisträger David Gross (Nobelpreis 2004), John C. Mather (2006), Gerardus ’t Hooft (1999), Carlo Rubbia (1984), George F. Smoot (2006) und Martinus J.G. Veltman (1999) in einer Diskussion ihre Sicht der aktuellen Lage dar.
Bei der 60. Nobelpreistagung wird es außer dem erwähnten Symposium acht Vorträge und Diskussionen zu Elementarteilchen und Kosmologie geben:
- John C. Mather: “The History of the Universe, from the Beginning to the Ultimate End”
- George F. Smoot: “Mapping the Universe and its History”
- Robert W. Wilson (Physiknobelpreis 1978): “The Discovery of Cosmic Background Radiation and its Role in Cosmology”
- Carlo Rubbia: “Underground Physics: Neutrino and Dark Matter”
- David Gross: “Frontiers of Physics”
- Gerardus ‘t Hooft: “The Big Challenges”
- Martinus Veltman: “The Development of Particle Physics”
- James W. Cronin (Physiknobelpreis 1980): Cosmic Rays: “The Most Energetic Particles in the Universe”
Aber man muss nicht zu den Auserwählten gehören, die in Lindau vor Ort sind, um die Tagung zu verfolgen. Die Organisatoren haben in diesem Jahr die Fenster zur Welt aufgerissen: Diskussionen werden live im Internet übertragen. Eine Mediathek macht alte Vorträge abrufbar. Es gibt einen Blog. Eine Internet-Community soll entstehen. Erstmals können 2010 Nicht-Teilnehmer online Fragen an die Preisträger richten. "Im Projekt Lindau steckt viel mehr als die Tagung an sich", sagt Wolfgang Schürer, Vorsitzender der das Treffen tragenden Stiftung und Vizepräsident des Kuratoriums.
dpa/Kuratorium für die Tagungen der Nobelpreisträger in Lindau e.V./PH