Physiker des IceCube-Neutrino-Observatoriums berichteten am 4. August 2015 auf der „34th International Cosmic Ray Conference“ in Den Haag, Niederlande, über die Beobachtung des höchstenergetischsten jemals gemessenen Neutrinos. Bereits im November 2013 veröffentlichte die Kollaboration die Ergebnisse einer Messung, die als Nachweis von nicht-terrestrischen Neutrinos gelten.
Abb.: IceCube-Bohrturm (Bild: Amble)
Nach mehreren Jahrzehnten der Detektorentwicklung und sechsjähriger Bauzeit wurde im Jahr 2010 IceCube am geografischen Südpol fertiggestellt. Hier arbeiten heute 310 Wissenschaftlern einer internationalen Kollaboration von 44 Instituten aus zwölf Ländern unter der Leitung der University of Wisconsin, Madison, USA. IceCube ist der weltweit größte Neutrinodetektor und instrumentiert zirka ein Kubikkilometer des antarktischen Eises in einer Tiefe zwischen anderthalb und zweieinhalb Kilometer mit ultra-sensitiven Lichtsensoren. Diese können das schwache Lichtsignal messen, das bei einer Neutrinowechselwirkung mit dem Eis entsteht. Bereits in den Messdaten der ersten Jahre konnten Forscher ein kosmisches Neutrinosignal entdecken.
Physiker der IceCube-Kollaboration haben nun mit Hilfe zusätzlicher Daten von nun insgesamt sechs Jahren Messzeit die vorherigen Messungen deutlich verbessert. . Die gemessenen Daten bestehen aus mehreren Milliarden aufgezeichneten Leucht-Ereignissen, die zumeist Untergrund und nicht auf Neutrinos zurückzuführen sind. Daraus hat man mit ausgefeilten Analysemethoden eine beeindruckende Auswahl von 340.000 Ereignissen extrahiert, die sich auf Wechselwirkungen von Myon-Neutrinos zurückführen lassen. Diese Neutrinos stammen zu ihrer überwiegenden Zahl nicht aus dem Kosmos, sondern sind bei Wechselwirkungen der kosmischen Strahlung mit der Erdatmosphäre entstanden.
Eines der Ereignisse sticht heraus: Es ist ein extrem hochenergetisches Neutrino, dessen Ursprung mit hoher Wahrscheinlichkeit außerhalb unseres Sonnensystems liegt. Leif Rädel, Wissenschaftler der RWTH Aachen und Entdecker des Ereignisses, erläutert: „Bei dem Ereignis handelt sich um ein Neutrino-induziertes Myon, dass über einen Kilometer durch das instrumentierte Detektorvolumen fliegt. Auf seinem Weg durch den Detektor verliert es eine Energie von zirka 2,6 Petaelektronenvolt, was einer erwarteten Myonenergie von 4 bis 5 Petaelektronenvolt entspricht. Das heißt, dass die Neutrinoenergie sogar noch größer gewesen sein muss.“ Sein Mitentdecker Sebastian Schoenen, ebenfalls von der RWTH, erklärt: „Diese hohe Energie bricht nicht nur den Weltrekord der von IceCube im Jahr 2013 beobachteten Neutrinoenergie von 2,2 Petaelektronenvolt. Diesmal ist es eine lange Spur, deren Richtung mit einer Genauigkeit von besser als ein Grad gemessen werden kann. Daher kann nach astronomischen Quellen in der Herkunftsrichtung des Ereignisses gesucht werden.“
Christopher Wiebusch, Leiter der Aachener Gruppe, fasst zusammen: „Unser Gruppe hat sich auf diese Suche nach hochenergetischen Spuren spezialisiert. Bereits die Analyse der ersten Daten zeigte Hinweise auf ein kosmisches Neutrinosignal. Hierfür wurde die Aachener Physikerin Anne Schukraft mit dem Hertha-Sponer-Preis der Deutschen Physikalischen Gesellschaft (DPG) ausgezeichnet. Dies hat uns darin bestärkt, die Analysemethoden ständig zu verbessern. Dieser Erfolg ist eine große Belohnung für viele Jahre harte Arbeit.“
Die internationale Sprecherin der IceCube-Kollaboration, Olga Botner von der Universität Uppsala, Schweden, verdeutlicht die zukünftige Perspektive: „Die Beobachtung dieses Multi-Petaelektronenvolt-Myon-Neutrinos bedeutet einen weiteren Schritt in der Erforschung des Universums bei hohen Energien. Da Myon-Neutrinos eine sehr gute Richtungsauflösung besitzen, bringt uns die Entdeckung dem Lösen des Rätsels der Quellen der höchstenergetischen kosmischen Strahlung näher.“
RWTH Aachen / DE