23.06.2005

Revolutionäre Quantenwirbel

Zehn Jahre nach dem ersten Nachweis eines Bose-Einstein-Kondensats ist es erneut gelungen, einen neuen Zustand der Materie zu beobachten.




Zehn Jahre nach dem ersten Nachweis eines Bose-Einstein-Kondensats ist es erneut gelungen, einen neuen Zustand der Materie zu beobachten.

Auch Fermionen können eine Supraflüssigkeit bilden. Das zeigt eine jetzt im Fachmagazin "Nature" veröffentlichte Arbeit amerikanischer Physiker. Zehn Jahre nach dem ersten Nachweis eines Bose-Einstein-Kondensats ist es damit erneut gelungen, einen neuen Zustand der Materie bei extrem tiefen Temperaturen zu beobachten. Die Suprafluidität des auf ein Fünzigmilliardstel Kelvin abgekühlten Gases aus Lithium-6 Atomen verriet sich in den Experimenten durch die Ausbildung wirbelartiger Strukturen, so genannter Vortices.

Die Physik unterscheidet zwei Arten von Elementarteilchen: Bosonen mit ganzzahligem Spin und Fermionen mit halbzahligem Spin. Auch Atome sind, abhängig von ihrem resultierendem Gesamtdrehimpuls, Bosonen oder Fermionen. Bosonen können bei extrem niedrigen Temperaturen in ein Bose-Einstein-Kondensat oder eine Supraflüssigkeit übergehen, eine Art gemeinsamer Quantenzustand, bei dem sich alle beteiligten Teilchen kollektiv bewegen. Dadurch kann beispielsweise Helium-4 im suprafluiden Zustand an einer Behälterwand aufwärts kriechen.

Fermionen dagegen unterliegen dem Paulischen Ausschließungsprinzip: Keine zwei Partikel eines Systems können den gleichen Quantenzustand einnehmen. Deshalb sollten Fermionen keine kollektiven Zustände wie Supraflüssigkeiten formen können. Können sie aber doch: dann nämlich, wenn sie sich zu Paaren zusammentun, die dann als Bosonen in Erscheinung treten. Ein Beispiel dafür sind die Cooper-Paare aus Elektronen in der Supraleitung.

Martin Zwierlein vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge und seinen Kollegen gelang es nun erstmals nachzuweisen, dass ultrakalte Lithium-6-Atome ebenfalls Paare bilden können und so in eine Supraflüssigkeit kondensieren. Hinweise auf einen solchen Übergang hatten zwar auch schon andere Forscher in ihren Experimenten gefunden, doch ein direkter Nachweis der Suprafluidität fehlte bislang. Zwierlein und seinem Team gelang es jetzt zu zeigen, dass sich in dem kalten Lithium-Gas regelmäßig angeordnete Wirbel herausbilden. Diese Vortices sind ein eindeutiger Beweis dafür, dass sich das Lithium in einem supraflüssigen Zustand befindet.

Abb.: Wirbel bei tiefen Temperaturen: a) Bose-Einstein-Kondensat aus bosonischen Natrium-Atomen; b) Bose-Einstein-Kondensat aus Lithiumatom-Paaren; c) Supraflüssigkeit aus Lithiumatom-Paaren. Der Übergang vom Bose-Einstein-Kondensat zur Supraflüssigkeit hängt von der Stärke der Paarbindung zwischen den Lithiumatomen ab. (Quelle: Andre Schrotzek/Nature)

Supraflüssigkeiten können nämlich nicht wie gewöhnliche Flüssigkeiten rotieren, da ihr Drehimpuls von den Regeln der Quantenmechanik beherrscht wird. Dadurch zerfällt die Flüssigkeit in eine Vielzahl kleiner Wirbel, die jeder einen Teil des quantisierten Drehimpulses tragen. Diese Wirbel bilden filamentartige Strukturen, die die ganze Supraflüssigkeit durchziehen. Da sich die Vortices zudem gegenseitig abstoßen, bilden sie ein regelmäßiges Gitter. Ein solches Gitter und seine Veränderungen in Abhängigkeit von äußeren Parametern haben Zwierlein und seine Kollegen beobachtet (Abb.).

Experimente mit ultrakalten Fermigasen bieten den Physikern einzigartige Möglichkeiten, Quanteneffekte zu untersuchen und beispielsweise die Eigenschaften von Hochtemperatur-Supraleitern zu verstehen. Zudem können die Forscher damit Einblicke in den Zustand der Materie in Neutronensternen, sowie in die Physik des Quark-Gluonen-Plasmas gewinnen, dass unser Universum unmittelbar nach dem Urknall erfüllte. "Der Nachweis der Suprafluidität in einem System aus Fermionen eröffnet deshalb", so kommentiert Quantenphysiker Rudolf Grimm von der Universiät Innsbruck in "Nature", "fantastische neue Aussichten für viele unterschiedliche Forschungsfelder der Quantenphysik von Vielteilchensystemen."

Rainer Kayser

Weitere Infos:

Weitere Literatur:

  • M. Greiner et al., Emergence of a molecular Bose-Einstein condensate from a Fermi gas, Nature 426, 537 (2003).
  • Zwierlein, M.W., Observations of Bose-Einstein condensation of molecules, Phys. Rev. Lett. 91, 250401

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