Riesenstern auf dem Weg durch’s gelbe Loch
Gelber Hyperriese macht rasante und dramatische Entwicklungsphase durch.
Die Sternenklasse der gelben Hyperriesen ist eine äußerst seltene Spezies. Lediglich sechs Exemplare sind in unserer Milchstraße bekannt. Es handelt sich dabei um Riesensterne mit ungefähr der 20- bis 50-fachen Sonnenmasse und einer effektiven Temperatur von 4000 bis 8000 Kelvin. Den Grund ihrer Seltenheit vermuten Astronomen darin, dass die gelben Hyperriesen nur eine sehr kurzlebige Übergangsphase in der Sternentwicklung von Hyperriesen sind. Ein Forscherteam aus sechs europäischen Ländern berichtet nun über ein langjähriges Beobachtungsprogramm, bei dem sie bei einem solchen Stern eine Reihe von Eruptionsprozessen und einen deutlichen Temperaturanstieg nachweisen konnten.
Abb.: Künstlerische Darstellung der Entwicklung des Hyperriesen HR 8752. Die Temperatur steigt von 5000 auf 8000 Kelvin im Zeitraum von 1985 bis 2005, während sein Umfang vom 750-fachen der Sonne auf das 400-fache abnimmt. (Bild: A. Lobel ROB)
Gelbe Hyperriesen gehören zu den leuchtkräftigsten Sternen überhaupt. Im Hertzsprung-Russel-Diagramm, in dem die Sterne auf Grundlage ihrer Leuchtkraft und Temperatur in verschiedene Kategorien eingeteilt sind, liegt ihr Bereich oben in der Mitte und ist beinahe leer. Diese Zone wird deshalb auch „gelbe Entwicklungslücke“ oder „yellow evolutionary void“ genannt.
Der untersuchte Stern HR 8752 strahlt etwa 250.000 mal stärker als unsere Sonne. Er ist mit dem Fernglas sichtbar und liegt im Sternbild Kassiopeia, weshalb er auch als V509 Cassiopeia bezeichnet wird. In alten Sternkatalogen vor 1850 taucht er nicht auf, obwohl er mit seiner heutigen Magnitude damals beobachtbar war. Die Forscher gehen deshalb davon aus, dass er sich schon seit über 150 Jahren in einem Entwicklungsprozess befindet und hierbei immer heller wird.
Bei ihren Beobachtungen konnten die Forscher auf Daten aus über 100 Jahren zurückgreifen. Im Zeitraum von 1900 bis 1980 zeigte HR 8752 dabei eine ziemlich konstante Oberflächentemperatur von rund 5000 Kelvin. Im Jahr 1973 zeigte sich ein Minimum, das wahrscheinlich durch eine größere Eruption bedingt war. Ab 1980 begann die Temperatur dann anzusteigen, woraufhin mehrere Forscher ein systematisches Beobachtungsprogramm starteten.
Sie nahmen den Stern über die letzten Jahrzehnte mit hochaufgelösten Spektren unter die Lupe. Dadurch konnten sie in dieser Zeit einen mehrfachen Wechsel von Eruptionen sowie nachfolgenden Stabilisierungsprozessen der Sternatmosphäre studieren. Die Abfolge dieser Ereignisse gleicht einem Zickzack-Kurs, bei dem die effektive Temperatur der Sternoberfläche bei größeren Massenauswürfen sinkt, um nach der Stabilisierung dann wieder zuzunehmen.
Insgesamt stieg die Temperatur weiter. Im Jahr 2000 erreichte sie 7500 Kelvin und ist mittlerweile auf rund 8000 Kelvin angestiegen. Sie hat sich innerhalb einer kosmologisch gesehen äußerst kurzen Zeitspanne damit fast verdoppelt. Die gelbe Entwicklungslücke reicht allerdings bis gut 10.000 Kelvin. HR 8752 hat deshalb voraussichtlich noch eine Wegstrecke vor sich, bis er vermutlich in die Phase eines „Leuchtkräftigen Blauen Veränderlichen“ eintritt und sein Leben als Supernova aushauchen und schließlich zu einem Schwarzes Loch werden wird.
Bei seinen Eruptionen verliert HR 9752 auch schnell an Masse. Die Forscher schätzen, dass er allein innerhalb der letzten 20 Jahre knapp eine Sonnenmasse an Material in seine Umgebung ausgestoßen hat. Dieses Gas verhüllt temporär den Blick auf die Photosphäre, die eigentliche Sternoberfläche, und erzeugt bei den periodischen Ausbrüchen sogenannte Pseudophotosphären.
Die Forscher konnten die effektive Beschleunigung und die Geschwindigkeit der Gasturbulenzen ermitteln und stellten dabei fest, dass bei jeder der aufeinanderfolgenden Eruptionen die neu entstandene Pseudophotosphäre eine geringere Beschleunigung und eine höhere Turbulenz aufwies als bei der vorhergehenden. Sie ermittelten bei diesen Ausbrüchen und Erholungsphasen eine Periodizität von einigen hundert Tagen. Dies entspricht im Verlauf der effektiven Temperatur einer ansteigenden Sägezahnkurve.
Gleichzeitig veränderte sich aber auch der Stern selbst. Jeweils nach der Dispersion der ausgestoßenen Hülle und der Restrukturierung der Sternatmosphäre wurde die Photosphäre heißer und kompakter. Der Stern schrumpfte deutlich, und zwar beinahe um die Hälfte. War er zunächst rund 750-fach größer als unsere Sonne, besitzt er nun nur noch den 400-fachen Durchmesser.
Die rasante Entwicklungsphase, die der Stern gerade durchmacht, besteht nach Ansicht der Forscher aber aus zwei Teilen und wird durch die Ionisation der äußeren Sternatmosphäre bestimmt. Bis hin zu 8000 Kelvin ist der Ionisierungsgrad von Wasserstoff, jenseits davon derjenige von Helium für die Instabilität der Sternhülle ausschlaggebend. Demzufolge sollte sich HR 8752 derzeit in einem Zwischenzustand befinden. Wie schnell die weitere Sternentwicklung verlaufen wird, lässt sich derzeit aber nur schwer abschätzen. Nach den überraschenden Entwicklungsprozessen, die er in den letzten Jahrzehnten gezeigt hat, wird er deshalb auch weiterhin ein „heißer Beobachtungskandidat“ bleiben.
Dirk Eidemüller
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