24.01.2019

Riesensterne als Galaxienkerne

Simulation zeigt Entstehung der ersten masse­reichen schwarzen Löcher im jungen Kosmos.

Es ist eines der großen Rätsel in der Astronomie: Wie sind die super­masse­reichen schwarzen Löcher ent­standen, die wir heute um Zentrum der meisten Galaxien finden? Die am weite­sten ent­fernten bekannten super­masse­reichen schwarzen Löcher sind als Quasare quer durch das All sicht­bar. Ihre Strahlung stammt aus der Früh­zeit des Uni­versums und ist seit gut 13 Milli­arden Jahren unter­wegs. Lange dachte man, diese riesigen frühen schwarzen Löcher wären aus den Sternen der ersten Genera­tion ent­standen.

Abb.: Eine 30.000 Lichtjahre durchmessende Region der Renais­sance...
Abb.: Eine 30.000 Lichtjahre durchmessende Region der Renais­sance Simu­la­tion, zentriert auf eine Gruppe junger Galaxien, die Strahlung (weiß) und Metalle (grün) produ­zieren. In der Vergröße­rung ist eine rotie­rende Gasscheibe zu sehen, die im weiteren Verlauf zu drei Riesen­sternen kolla­biert. (Bild: Advanced Visua­li­za­tion Lab, NCSA)

Da die ersten Sterne sich in der ursprünglichen Materie nach dem Urknall auf­grund des Mangels an schwereren Elementen nur aus Wasser­stoff und Helium bilden konnten, waren sie gut hundert­fach masse­reicher als unsere Sonne und dement­sprechend kurz­lebig. Nach der finalen Explo­sion in einer Paar­instabi­litäts-Super­nova sollten sie zwar schwarze Löcher mit etlichen Dutzend Sonnen­massen produ­ziert haben – aber selbst diese ziemlich masse­reichen stellaren schwarzen Löcher hätten kaum die Zeit gehabt, um zu den heute bekannten Giganten mit bis zu mehreren Milli­arden Sonnen­massen heran­zu­wachsen. Denn die Wachstums­rate schwarzer Löcher ist nicht beliebig groß: Je mehr sie fressen, umso stärker heizen sie auch ihre Umgebung auf und ver­ringern so die Menge an ein­fallender Materie.

Ein Forscherteam um John Wise vom Georgia Institute of Techno­logy in den USA hat jetzt mit Hilfe neuer Simu­la­tionen des frühen Uni­versums einen Weg identi­fi­ziert, wie es zu den ersten großen schwarzen Löchern gekommen sein könnte. Hierzu analy­sierten sie einige besonders dichte Regionen der „Renais­sance Simu­la­tion“, einer groß­ange­legten Simu­la­tion des frühen Uni­versums. Diese lief von 2011 bis 2014 auf einem Super­computer und erzeugte siebzig Terabyte an Daten. Die Forscher wieder­holten die Simu­la­tion von zwei besonders inte­res­santen Regionen noch­mals mit deut­lich gestei­gerter Detail­treue, um die wechsel­seitigen Ein­flüsse von Gas­dynamik, Stern­ent­stehung, chemischer Evolu­tion und Strahlung zu unter­suchen.

Dabei fanden die Wissenschaftler, dass sich an mehreren Stellen in den proto­galak­tischen Halos zwar größere Mengen dunkler Materie ange­häuft hatten, die ent­sprechend starke Gas­massen ange­zogen hatten. Ent­gegen der Erwar­tungen hatte hier aller­dings keine Stern­bildung statt­ge­funden. Masse­reiche Sterne der ersten Genera­tion hätten auf­grund ihrer starken Strahlung solche Materie­konzen­tra­tionen wieder auf­ge­wirbelt und die um­gebenden Gas­massen mit schweren Elementen ange­reichert, was erneute Stern­ent­stehung ange­kurbelt hätte. Statt­dessen zeigten diese stark ver­dich­teten Regionen in den Simu­la­tionen einen turbu­lenten Zustrom von Gas, der sich im Lauf der Zeit weiter ver­stärkte.

Anhand von früheren Simulationen waren die Astronomen davon aus­ge­gangen, dass zur weiteren Ver­dich­tung bei gleich­zeitiger Unter­drückung von Stern­bildung eine starke ultra­violette Strahlung von benach­barten Stern­bildungs­regionen not­wendig sein sollte. Diese zer­stören die H2-Mole­küle, die über mole­kulare Kühl­mecha­nismen zu lokaler Ver­dich­tung und Stern­ent­stehung führen.

In den neuen Simulationen war dieser Effekt aber nicht mehr ganz so ent­scheidend. Zwar bedurfte es immer noch einer gewissen UV-Strahlung. Aber der wichtigste Faktor bestand in dem schnellen und turbu­lenten Zustrom großer Gas­massen, wodurch sich die Bildung gravi­ta­tiver Zentren so lange ver­zögerte, bis sich enorme Materie­konzen­tra­tionen gebildet hatten. Dabei wuchsen diese inner­halb einiger Milli­onen Jahre auf bis zur dutzende Milli­onen Sonnen­massen heran.

Diese verdichteten sich an einigen Stellen zu gravitativen Zentren, in denen sich dann super­masse­reiche Sterne von bis zu hundert­tausend Sonnen­massen bildeten. Diese Riesen­sterne waren extrem kurz­lebig und kolla­bierten nach etwa einer Million Jahre direkt zu einem schwarzen Loch. Ein solches „direct collapse black hole“ hätte eine Anfangs­masse von einigen tausend bis zehn­tausend Sonnen­massen gehabt – und damit einen deut­lichen Start­vor­teil gegen­über stellaren schwarzen Löchern, die aus normalen Sternen der ersten Genera­tion hervor­gehen. Die Forscher sehen dieses Szenario mit turbu­lent zusammen­stürzenden Strömen aus ursprüng­lichem Gas aus diesem Grund als wahr­schein­lich­sten Weg zur Ent­stehung super­masse­reicher schwarzer Löcher.

Eine interessante Konsequenz dieser Analyse ist, dass es deut­lich mehr super­masse­reiche schwarze Löcher geben sollte, als es bis­herige Modelle vor­schlagen. Die Wissen­schaftler sind deshalb einer­seits gespannt auf das James Webb Space Tele­scope, mit dem sich nicht zuletzt Quasare und andere Galaxien­kerne in der Früh­zeit des Alls unter­suchen lassen. Außer­dem sollten sich Ver­schmel­zungen von schwarzen Löchern mit Hilfe von Gravi­ta­tions­wellen­detek­toren nach­weisen lassen und dadurch Hinweis auf ihre Größe geben. Damit sollte sich klären lassen, wie oft der neu identi­fi­zierte Prozess wirk­lich statt­ge­funden hat und welchen Anteil er an der beob­ach­teten Popula­tion schwarzer Löcher hat.

Dirk Eidemüller

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