24.07.2023

Röntgen-Polarlichter auf Merkur

Sonde BepiColombo liefert neue Daten, um das Phänomen zu erklären.

Die Polarlichter des Merkurs sind nicht wie die der Erde mit dem bloßen Auge sichtbar, sondern strahlen ausschließlich Röntgenlicht aus. Nun beschreibt eine Forschergruppe um Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Sonnensystem­forschung in Göttingen wie Sonnenwind-Elektronen auf dem Planeten prasseln und so das hochenergetische Leuchten auslösen. Dafür wertete das Team Daten aus, die die europäisch-japanische Raumsonde BepiColombo bei ihrem Vorbeiflug am Merkur Anfang Oktober 2021 aufgenommen hatte. Die Auswertungen zeichnen erstmals detailliert nach, wie die Polarlichter des sonnen­nächsten Planeten entstehen. Zudem legen die Daten nahe, dass trotz unter­schiedlichster Bedingungen im Sonnensystem, Polarlichter immer auf denselben Prozess zurückzuführen sind.

Abb.: Illustration der Raumsonde BepiColombo, die am Merkur durch einen Regen...
Abb.: Illustration der Raumsonde BepiColombo, die am Merkur durch einen Regen aus Elektronen fliegt. (Bild: T. Roger, Europlanet / MPS)

Neben der Erde schmücken sich auch andere Planeten im Sonnensystem mit einem auffälligen Leuchten über ihren Polarregionen. Die gewaltigen Polarlichter des Jupiters etwa erstrecken sich über eine Fläche mit einem Durchmesser von mehr als 40.000 Kilometern. Dass am Nord- und Südpol des Merkurs extrem energiereiche Röntgen­polarlichter auftreten können, hatten bereits die amerikanischen Raumsonden Mariner 10 in den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts und Messenger in der Zeit von 2011 bis 2015 beobachtet. Wie auf der Erde lösen geladene Teilchen des Sonnenwinds, die im Magnetfeld des Planeten eingefangen werden, das Phänomen aus. Während auf der Erde die Sonnenwind­teilchen jedoch auf die Atmosphäre treffen und dort Moleküle ionisieren, bietet der Merkur keine solch schützende Hülle. Ihn umgibt nur die ausgesprochen dünne Gasschicht einer Exosphäre. Die Sonnenwind­teilchen treffen deshalb direkt auf die Oberfläche des Planeten.

„Wie genau die Polarlichter des Merkurs entstehen, war bisher nicht geklärt“, so MPS-Wissenschaftler Markus Fränz. Die Flugbahnen von Mariner 10 und Messenger ließen lediglich einen Blick auf die Nordhalbkugel des Planeten zu. Zudem konnten beide Missionen nicht die Elektronen in der Umgebung des Merkurs untersuchen. Ein vollständiges Bild des Entstehungs­prozesses konnte sich so nicht ergeben. Die neuen Messdaten von BepiColombo schaffen nun eine völlig neue Situation.

Im Oktober 2018 startete die Merkursonde BepiColombo ins All und wird 2025 in eine Umlaufbahn um den Merkur einschwenken. Bis zur Ankunft stehen insgesamt sechs Vorbeiflüge am Zielplaneten im Missionsplan; der erste ereignete sich im Oktober 2021. Aus einer Entfernung von etwa 200 Kilometern hatte dabei das Instrument MPPE Gelegenheit, Verteilung und Energien der Teilchen in der Umgebung des Merkur genau zu bestimmen. Das Instrument besteht aus mehreren Sensoren, von denen jeder auf Teilchen einer bestimmten Sorte und Geschwin­digkeit spezialisiert ist. Das MPS hat zu Entwicklung und Bau des Massen­spektrometers von MPPE beigetragen.

Beim Vorbeiflug vor 21 Monaten konnte MPPE erstmals Messungen über der nördlichen Nachtseite sowie erstmals über der Tagseite der Südhalbkugel durchführen und so die Struktur der Magnetosphäre, des Einfluss­bereichs des planetaren Magnetfeldes, und ihrer Grenze, der Magnetopause, bestimmen. Wie bei der Erde ist die Merkur-Magneto­sphäre auf der sonnen­abgewandten Seite zu einem langen Schwanz verzerrt; auf der sonnen­zugewandten Seite zeigte sie sich stark gestaucht. „Der Sonnenwind muss zum Zeitpunkt der Messungen besonders kräftig gewesen sein“, folgert MPS-Wissenschaftler Norbert Krupp.

Zudem konnte MPPE den Entstehungs­prozess der Merkur-Polarlichter genau nachverfolgen. Aus dem Schwanz der Magnetosphäre kommend bewegen sich hochenergetische Elektronen entlang der Magnetfeldlinien auf den Planeten zu. Dort regnen sie auf ihn hinunter und wechselwirken so an den Polen mit dem Material an seiner Oberfläche. Dabei werden Moleküle ionisiert, die ihrerseits als Folge hoch­energetische Röntgen­strahlung abstrahlen. „Zum ersten Mal konnten wir beobachten, wie Elektronen in der Magnetosphäre des Merkurs beschleunigt und auf die Planeten­oberfläche geschleudert werden. Obwohl die Magnetosphäre des Merkurs viel kleiner ist als die der Erde und eine andere Struktur und Dynamik aufweist, haben wir die Bestätigung, dass der Mechanismus, der Polarlichter erzeugt, im gesamten Sonnen­system der gleiche ist", so Sae Aizawa vom Institut de Recherche en Astrophysique et Planétologie im französischen Toulouse. 

MPS / JOL

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