10.03.2022

Röntgenblick in abtauchende Erdplatten

Hochdruck weicht die Erdkruste in Subduktionszonen auf und kann sie von der Platte lösen.

Die dünne Erdkruste weicht erheblich auf, wenn sie mit einer tektonischen Platte ins Erdinnere abtaucht. Das zeigen Röntgen­untersuchungen eines Minerals, das in basaltischer Kruste in großem Umfang vorkommt, mit Desys Röntgen­lichtquelle Petra III. Das Aufweichen kann sogar dazu führen, dass sich die Kruste von der darunter liegenden Platte abschält, wie das inter­nationale Team um Hauke Marquardt von der Universität Oxford nun berichtet. Die abgeschälte Erdkruste hat andere physikalische Eigen­schaften als der restliche Erdmantel, was möglicherweise Anomalien in der Ausbreitungs­geschwindigkeit von Erdbeben­wellen im Erdmantel erklären kann.

Abb.: Das Erdinnere im Labor: In der luftleeren Experimentier­kammer wird die...
Abb.: Das Erdinnere im Labor: In der luftleeren Experimentier­kammer wird die Probe aufgeheizt, während sie zwischen zwei ultraharten Diamant-Stempeln unter Hochdruck gesetzt wird. (Bild: H. Marquardt, U. Oxford)

Den Forschenden ist es gelungen, erstmals das Verformungs­verhalten des Minerals Davemaoit unter den Bedingungen des Erdmantels zu messen. „Davemaoit gehört zur weit verbrei­teten Gruppe der Perowskite, entsteht aller­dings erst ab einer Tiefe von etwa 550 Kilometern durch steigenden Druck und Temperatur aus anderen Mineralen“, erläutert Julia Immoor vom Bayerischen Geo­institut an der Universität Bayreuth. Die Existenz des Minerals war seit Jahrzehnten vorher­gesagt worden, erst 2021 wurde jedoch ein natürliches Stück davon gefunden. Davemaoit unterscheidet sich unter anderem durch seine kubische Kristall­struktur von anderen Perowskiten. In ausreichender Tiefe kann es rund ein Viertel der abtauchenden basaltischen Ozean­kruste ausmachen.

Mit einer Spezial­apparatur an der Extreme Conditions Beamline (P02.2) bei Petra III konnte das Team nun Davemaoit künstlich herstellen und mit dem Röntgen­strahl durchleuchten. Dazu erhitzten die Forschenden fein gemahlenes Wollasto­nit (CaSiO3) bei hohem Druck auf rund 900 Grad Celsius, bis sich Davemaoit bildete. Anschließend wurde das Mineral durch steigenden Druck von bis zu 57 Gigapascal verformt und dabei per Röntgen­strahl untersucht. Diese Parameter entsprechen den Bedingungen in bis zu 1300 Kilometern Tiefe.

„Die Messungen unter hohem Druck zeigen, dass Davemaoit im tiefen Erdmantel über­raschend weich ist“, berichtet Forschungs­leiter Marquardt. „Diese Beobachtung ändert unsere Vorstellung vom dynamischen Verhalten der abtauchenden Platten im tiefen Mantel komplett.“ Die Dynamik in solchen sogenannten Subduktions­zonen, in denen eine tektonische Platte unter die andere taucht, hängt stark von der Härte der anwesenden Minerale ab. Das über­raschend weiche Davemaoit in der absinkenden Erdkruste kann dafür sorgen, dass diese sich von der darunter liegenden Platte ablöst und der weitere Subduktions­prozess dann getrennt für Kruste und die restliche Platte verläuft.

Über eine solche Ablösung wird seit langem spekuliert, weil die abgelöste Erdkruste charak­teristische Änderungen von Erdbebenwellen­geschwindig­keiten erklären kann, die in verschiedenen Erdtiefen beobachtet werden. Bislang war jedoch unklar, welche Ursachen zu so einer Ablösung, der Dela­mination, führen können. „Ich freue mich, dass der hier entwickelte Versuchs­aufbau zur Lösung wichtiger Fragen beitragen kann, die mit Prozessen im tiefen Inneren unseres Planeten verknüpft sind“, sagt Hanns-Peter Liermann, Leiter der Extreme Conditions Beamline.

DESY / JOL

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