Röntgenpulse femtosekundengenau
Neuartiges Verfahren synchronisiert Röntgenlaserpulse mit optischen Femtosekundenpulsen.
Mit Röntgenlasern wie der Linac Coherent Light Source (LCLS) sieht man mehr. Ihre brillante und kurzwellige Strahlung kann selbst in komplexen Molekülen die Atome und deren Bewegungen sichtbar machen. Da die Röntgenpulse kürzer als 100 fs sind, eignen sie sich im Zusammenspiel mit optischen Femtosekundenpulsen für Anregungs-Abfrage- oder Pump-Probe-Experimente. Dazu wird ein Material erst mit einem optischen Puls angeregt und zeitverzögert mit einem Röntgenpuls analysiert. Die dafür nötige Synchronisation der Pulse bereitete bisher Probleme, die nun gelöst werden konnten.
Abb.: Die Zeitverzögerung zwischen den Röntgenpulsen und den optischen Pulsen wird sowohl spektral als auch räumlich sichtbar gemacht. Anschließend findet ein Pump-Probe-Experiment statt. (Bild: M. Harmand et al. / NPG)
Forscher um Marion Harmand (LULI) und Marco Cammarata (Université de Rennes) haben für Pump-Probe-Experimente an der LCLS einen Weg gefunden, wie man die stark schwankenden Zeitdifferenzen zwischen den Röntgenpulsen und den mit ihnen synchronisierten optischen Femtosekundenpulsen bestimmen und der Größe nach sortieren kann. In der LCSL werden die Röntgenpulse von Elektronenpaketen erzeugt, die zunächst in einen Linearschleuniger injiziert und von ihm auf relativistische Geschwindigkeit gebracht werden. Anschließend fliegen die Elektronenpakete einzeln durch magnetische Undulatoren und geben dabei jeweils einen Röntgenpuls ab.
Die Injektion der Elektronen in den Linearbeschleuniger wurde mit einem gepulsten optischen Laser synchronisiert, der eine Pulslänge von 50 fs hatte. Die Synchronisation war jedoch nicht perfekt, was zu zeitlichen Schwankungen in der Abfolge der Elektronenpulse führte. Zudem verstärkten sich diese Fluktuationen noch dadurch, dass die von den Elektronen durchlaufene Beschleunigungsspannung schwankte. Insgesamt hatte dies zur Folge, dass die Röntgenpulse relativ zu den optischen Pulsen einen Jitter von über 100 fs aufwiesen. Pump-Probe-Experimente mit einer zeitlichen Auflösung von weniger als 100 fs schienen damit nicht möglich zu sein.
Doch die Forscher fanden eine Lösung. Sie bestimmten die Zeitverzögerung zwischen den einzelnen Röntgenpulsen und dem jeweils mit ihnen synchronisierten optischen Puls, indem sie die Röntgenpulse nacheinander durch zwei dünne Membranen aus Siliziumnitrid schickten (s. Abb.). Gleichzeitig lenkten sie den entsprechenden optischen Puls mit teildurchlässigen Spiegeln auf die Membranen. Eine von der Röntgenstrahlung getroffene Membran ließ 98 % der Strahlintensität durch, änderte aber dabei ihr optisches Reflexionsvermögen innerhalb von einigen 100 fs. Das machten die Forscher sichtbar, indem sie die zeitliche Intensitätsänderung des reflektierten optischen Pulses räumlich auseinanderzogen und mit einer CCD-Kamera aufnahmen. Für die beiden Membranen nutzten sie dazu unterschiedliche Verfahren.
Für die erste Membran modulierten sie den jeweiligen optischen Puls durch Chirping, sodass sich die Lichtfrequenz während des Pulses stetig änderte. Mit einem Beugungsgitter konnte so der zeitliche Verlauf des reflektierten Pulses räumlich aufgelöst werden. Die zweite Membran wurde sowohl vom Röntgenpuls als auch vom optischen Puls unter einem schrägen Winkel getroffen. Dadurch änderte sich die Zeitdifferenz, mit der die Pulse auf die Membran trafen, stetig über den von ihnen verursachten Lichtfleck. Beide Verfahren ergaben übereinstimmend, dass die Zeitdifferenz zwischen den Röntgenpulsen und den optischen Pulsen um ±180 fs schwankte, wobei die Genauigkeit der Zeitmessung etwa 10 fs betrug. Hingegen waren die Röntgenpulse etwa 80 fs lang.
Abb.: Optische Anregung einer Phononenmode in einem Bismutkristall, die durch Streuung von Röntgenpulsen analysiert wird. Für die Pulse mit Jitter („unbinned“) zeigt das Röntgensignal keine periodischen Modulationen. Werden die Pulse nach ihrer tatsächlichen Zeitverzögerung sortiert („binned“), so kommen die erwarteten periodischen Modulationen zum Vorschein. (Quelle: M. Harmand et al. / NPG)
Hatten die Röntgenpulse die beiden Membranen passiert, so fielen sie auf einen Bismutkristall, wo das eigentliche Pump-Probe-Experiment stattfand. Mit den optischen Pulsen wurden im Kristall Gitterschwingungen oder Phononen angeregt. Der zeitliche Verlauf der Anregung ließ sich anhand der Modulationen verfolgen, die die Intensität der vom Kristall gestreuten zeitverzögerten Röntgenpulse aufwies. Aufgrund des Jitters der Röntgenpulse zeigten die Modulationen zunächst keine Details auf Zeitskalen unterhalb von etwa 200 fs. Wurden jedoch die gemessenen, tatsächlichen Zeitdifferenzen zwischen den Laserpulsen und den optischen Pulsen der Auswertung zugrunde gelegt, so ergab sich ein wesentlich detailreicheres Bild. Jetzt waren periodische Modulationen zu erkennen, aus denen sich eine Phononenfrequenz von 2,36 THz berechnen ließ, die mit den Ergebnissen anderer Messungen übereinstimmte.
Die Forscher wollen ihr Verfahren auch für härtere Röntgenstrahlung einsetzen, die tiefer in die Materialprobe eindringen kann. Dazu könnte das Experiment mit Photonenenergien von 24 keV (statt bisher 7,1 keV) wiederholt werden, wie sie der geplante Röntgenlaser European XFEL erreichen wird. Für die Zeitmessung müssten die 1 µm dicken Membranen durch 20 µm dicke Schichten aus Siliziumnitrid ersetzt werden. Doch zunächst wollen die Wissenschaftler mit 10 fs langen Laserpulsen die Länge der Röntgenpulse genauer messen. Verbesserten Pump-Probe-Experimenten mit Röntgenpulsen scheint somit nichts mehr im Wege zu stehen.
Rainer Scharf
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