Röntgenpulse mechanisch schärfen
Methode nutzt mit den Pulsen synchronisierte Bewegungen einer mit dem Röntgenlicht wechselwirkenden Sonde.
Spektral breite Röntgenpulse lassen sich rein mechanisch „zuspitzen“. Das klingt überraschend, aber ein Team aus theoretischen und Experimentalphysikern hat dafür eine Methode entwickelt und realisiert. Sie verwendet präzise mit den Pulsen synchronisierte schnelle Bewegungen einer mit dem Röntgenlicht wechselwirkenden Probe. Dadurch gelingt es, Photonen innerhalb des Röntgenpulses so zu verschieben, dass sich diese im gewünschten Bereich konzentrieren.
Abb.: Vor der Bewegung (o.) löscht das von der Probe gestreute Licht (blau) die Anregung (rot) aus. Nach der Bewegung (u.) ist das gestreute Licht verschoben und die Wellen verstärken sich. (Bild: MPIK)
Wie macht man aus einem flachen Hügel einen steilen und hohen Berg? Man gräbt an den Seiten Material ab und schüttet es oben auf. So etwa kann man sich die Methode vorstellen, die ein Team vom MPI für Kernphysik in Heidelberg MPIK ersonnen hat, um die spektral breiten Röntgenpulse moderner Röntgenlichtquellen in einem schmalen Bereich zu verstärken. Röntgenpulse, deren Intensität sich auf einen schmalen Wellenlängenbereich konzentriert, sind für eine Reihe von grundlegenden physikalischen Experimenten erwünscht oder machen Präzisionsexperimente überhaupt erst möglich. Aber moderne Röntgenlichtquellen liefern für derartige Anwendungen zu breite Pulse, so dass fast alle Photonen ohne Wechselwirkung an der Probe vorbeirauschen.
Die Physiker benutzten Piezoelemente, die mittels elektrischer Impulse präzise Bewegungen ausführen können. Als „Schaufel“ dient dabei eine dünne Folie aus Eisen. Synchronisiert man die Bewegung dieser „Photonenschaufel“ mit dem zeitlichen Eintreffen der Röntgenpulse, so kann man tatsächlich Röntgenphotonen in einen schmalen Wellenlängenbereich anhäufen. „Zusammen mit einem Team aus der Abteilung von Thomas Pfeifer am MPIK, dem Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg und der European Synchrotron Radiation Facility in Grenoble konnten wir zeigen, dass die Methode funktioniert. Das Spektrum von Röntgenpulsen ließ sich tatsächlich rein mechanisch manipulieren“, sagt Jörg Evers aus der Abteilung von Christoph Keitel am MPIK und betont die Vorteile: „Dabei werden keine Photonen verschwendet wie in einem Monochromator, der nur die unerwünschten Wellenlängen abschneidet. Auch müssen wir keine zusätzliche Energie in den Röntgenpuls hineinstecken.“
Durchgeführt haben die Physiker ihre Experimente mit Röntgenpulsen der Synchrotrone ESRF und PETRA III (DESY). Dass die piezoelektrische Photonenschaufel so gut funktioniert, beruht auf dem Mössbauer-Effekt. Die Eisenfolie ist mit dem Isotop Fe-57 angereichert. Im Festkörper kann dieses „Mössbauer-Isotop“ Photonen rückstoßfrei absorbieren und emittieren. Dadurch absorbiert die Eisenfolie einen extrem schmalen Ausschnitt aus dem relativ breiten Röntgenpuls und emittiert dieses Licht mit einer gewissen Zeitverzögerung resonant wieder. Die Wellen des durchgehenden und des wieder abgestrahlten Lichts überlagern sich wie die Wellen von zwei Steinen, die man nebeneinander ins Wasser geworfen hat.
Wird nun die Folie in der Zeit zwischen Absorption und Emission ein Stückchen bewegt, ist das so, als ob einer der beiden Steine ein Stückchen weiter geflogen wäre. An einem festen Punkt beobachtet, erscheint dann im einen Fall vielleicht ein Wellental, im anderen Fall aber ein Wellenberg. Mit Hilfe des Piezoelements gelang es den Physikern, die Eisenfolie so zu bewegen, dass diese Interferenzeffekte die resonanten Wellenlängen auf Kosten der „äußeren“ Wellenlängen verstärken. „Diese Bewegung um eine halbe Wellenlänge muss auf weniger als einen zehntel Nanometer genau gesteuert werden und innerhalb von einigen Nanosekunden erfolgen“, verdeutlicht Kilian Heeg, PostDoc in der Gruppe von Jörg Evers, die Anforderungen.
In Zukunft könnte die neue Methode für den Einsatz im normalen Nutzerbetrieb an Röntgenlichtquellen wie Synchrotronen oder Freie-Elektronen-Lasern weiterentwickelt werden. Die erhöhte Intensität bewirkt eine deutliche Verkürzung von Messzeiten und ermöglicht Messungen mit bisher zu geringer Signalrate. Außerdem sorgen die stärkeren Signale für eine erhöhte räumliche, zeitliche oder spektrale Auflösung. Umgekehrt herum sollten sich mit dieser Technik Bewegungen auf atomarer Skala verfolgen lassen.
MPIK / JOL