28.07.2017

Röntgenpulse mechanisch schärfen

Methode nutzt mit den Pulsen synchroni­sierte Bewegungen einer mit dem Röntgen­licht wechsel­wirkenden Sonde.

Spektral breite Röntgen­pulse lassen sich rein mechanisch „zuspitzen“. Das klingt über­raschend, aber ein Team aus theo­retischen und Experimental­physikern hat dafür eine Methode entwickelt und realisiert. Sie verwendet präzise mit den Pulsen synchroni­sierte schnelle Bewegungen einer mit dem Röntgen­licht wechsel­wirkenden Probe. Dadurch gelingt es, Photonen innerhalb des Röntgen­pulses so zu verschieben, dass sich diese im ge­wünschten Bereich konzen­trieren.

Abb.: Vor der Bewegung (o.) löscht das von der Probe gestreute Licht (blau) die Anregung (rot) aus. Nach der Bewegung (u.) ist das gestreute Licht verschoben und die Wellen verstärken sich. (Bild: MPIK)

Wie macht man aus einem flachen Hügel einen steilen und hohen Berg? Man gräbt an den Seiten Material ab und schüttet es oben auf. So etwa kann man sich die Methode vorstellen, die ein Team vom MPI für Kern­physik in Heidel­berg MPIK ersonnen hat, um die spektral breiten Röntgen­pulse moderner Röntgen­licht­quellen in einem schmalen Bereich zu verstärken. Röntgen­pulse, deren Inten­sität sich auf einen schmalen Wellen­längen­bereich konzen­triert, sind für eine Reihe von grund­legenden physika­lischen Experi­menten erwünscht oder machen Präzisions­experimente überhaupt erst möglich. Aber moderne Röntgen­licht­quellen liefern für derartige Anwen­dungen zu breite Pulse, so dass fast alle Photonen ohne Wechsel­wirkung an der Probe vorbei­rauschen.

Die Physiker benutzten Piezo­elemente, die mittels elek­trischer Impulse präzise Bewegungen ausführen können. Als „Schaufel“ dient dabei eine dünne Folie aus Eisen. Synchro­nisiert man die Bewegung dieser „Photonen­schaufel“ mit dem zeit­lichen Eintreffen der Röntgen­pulse, so kann man tat­sächlich Röntgen­photonen in einen schmalen Wellen­längen­bereich anhäufen. „Zusammen mit einem Team aus der Abteilung von Thomas Pfeifer am MPIK, dem Deutschen Elek­tronen-Synchro­tron DESY in Hamburg und der European Synchro­tron Radiation Facility in Grenoble konnten wir zeigen, dass die Methode funk­tioniert. Das Spektrum von Röntgen­pulsen ließ sich tat­sächlich rein mechanisch mani­pulieren“, sagt Jörg Evers aus der Abteilung von Christoph Keitel am MPIK und betont die Vorteile: „Dabei werden keine Photonen verschwendet wie in einem Mono­chromator, der nur die uner­wünschten Wellen­längen abschneidet. Auch müssen wir keine zusätz­liche Energie in den Röntgen­puls hinein­stecken.“

Durchge­führt haben die Physiker ihre Experi­mente mit Röntgen­pulsen der Synchrotrone ESRF und PETRA III (DESY). Dass die piezo­elektrische Photonen­schaufel so gut funktioniert, beruht auf dem Möss­bauer-Effekt. Die Eisen­folie ist mit dem Isotop Fe-57 ange­reichert. Im Festkörper kann dieses „Möss­bauer-Isotop“ Photonen rückstoß­frei absor­bieren und emit­tieren. Dadurch absorbiert die Eisen­folie einen extrem schmalen Ausschnitt aus dem relativ breiten Röntgen­puls und emittiert dieses Licht mit einer gewissen Zeit­verzögerung resonant wieder. Die Wellen des durch­gehenden und des wieder abge­strahlten Lichts überlagern sich wie die Wellen von zwei Steinen, die man neben­einander ins Wasser geworfen hat.

Wird nun die Folie in der Zeit zwischen Absorption und Emission ein Stückchen bewegt, ist das so, als ob einer der beiden Steine ein Stückchen weiter geflogen wäre. An einem festen Punkt beobachtet, erscheint dann im einen Fall vielleicht ein Wellental, im anderen Fall aber ein Wellen­berg. Mit Hilfe des Piezo­elements gelang es den Physikern, die Eisen­folie so zu bewegen, dass diese Interferenzeffekte die reso­nanten Wellen­längen auf Kosten der „äußeren“ Wellen­längen verstärken. „Diese Bewegung um eine halbe Wellen­länge muss auf weniger als einen zehntel Nanometer genau gesteuert werden und innerhalb von einigen Nano­sekunden erfolgen“, verdeut­licht Kilian Heeg, PostDoc in der Gruppe von Jörg Evers, die Anfor­derungen.

In Zukunft könnte die neue Methode für den Einsatz im normalen Nutzer­betrieb an Röntgen­licht­quellen wie Synchro­tronen oder Freie-Elektronen-Lasern weiter­entwickelt werden. Die erhöhte Intensität bewirkt eine deut­liche Verkürzung von Mess­zeiten und ermöglicht Messungen mit bisher zu geringer Signal­rate. Außerdem sorgen die stärkeren Signale für eine erhöhte räum­liche, zeit­liche oder spek­trale Auflösung. Umge­kehrt herum sollten sich mit dieser Technik Bewe­gungen auf atomarer Skala ver­folgen lassen.

MPIK / JOL

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