22.08.2017

Röntgenspektroskopie leicht gemacht

Zonenplatten vereinfachen multidimensionale Röntgenspektroskopie an niedrig konzentrierten Proben.

Fresnel-Zonenplatten-Spektrometer ermöglichen neue, effizientere Untersuchungen mit weicher Röntgenstrahlung. In einer Studie präsentierten Forscher einen Aufbau mit einer Reflexionszonenplatte, der bisher sehr aufwendige Messungen an schwer zu handhabenden chemischen und biologisch relevanten Systemen vereinfacht. In einer zweiten Arbeit stellte ein anderes Team ein Spektrometer mit einer Transmissions­zonenplatte vor, mit dem sich komplexe Untersuchungen solcher Systeme in wenigen Schritten durchführen lassen. Die Studien wurden von Forschern von DESY, dem Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie, dem Paul-Scherrer-Institut (PSI) in der Schweiz und dem Göttingen Campus (Göttingen Universität und Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie) veröffentlicht.

Abb.: Resonante inelastische Röntgenstreuung (RIXS) mit Reflexions- und Transmissionszonenplatten: Ein Röntgenpuls (violett) trifft auf einen Probenstrahl (Düse von oben). Das gesteute Röntgenlicht wird mit den Zonenplatten auf einen Detektor gelenkt. Es enthält sowohl Ortsinformationen (rechts unten) als auch Energieinformationen (rechts oben) der Probe (Bild: FS-SCS / DESY).

Die Untersuchung der elektronischen Struktur von Stoffen ist für verschiedene wissenschaftliche Disziplinen interessant. „Aus der Struktur der Elektronen oder der Elektronenkonfiguration in einem System können wir unter anderem die Bindungszustände der einzelnen chemischen Elemente gerade auch in ungeordneten Materialien ableiten“, sagt DESY-Forscher Zhong Yin, der an beiden Untersuchungen zentral beteiligt war. Eine Methode, um diese Struktur zu untersuchen, ist die resonante, inelastische Röntgenstreuung („RIXS“), eine multi­dimensionale Röntgen­spektroskopie-Methode.

Die Elektronen in einer Probe werden dabei mit Röntgen­strahlung angeregt, um dann wieder hoch­energetische Röntgen­strahlung abzugeben. Dabei entsteht eine für jedes chemische Element charakteristische Röntgen-Anregungs-Emissions-Abfolge mit bestimmter Energie und Zeitstruktur, die durch Variation der Röntgen-Anregungsenergie abgefragt wird. Die ausgestrahlten Röntgen­photonen werden anschließend mit optischen Instrumenten auf einen Detektor gelenkt und nach den Wellenlängen aufgetrennt.

Ein Problem dieser Messmethode ist, dass gerade leichte Elemente, die eine wichtige Rolle in der Biologie spielen, nach der Anregung nur sehr wenig Strahlung abgeben. „In komplizierten chemischen und biochemischen Reaktionen in Flüssigkeiten ergeben konventionelle RIXS-Methoden durch ihre spektrale Auflösung wichtige und detaillierte elektronische Struktur­informationen; sie erfordern allerdings hohe Proben­mengen, so dass gerade die RIXS-Messungen an biologisch relevanten Systemen sehr teuer und aufwändig werden können“, erklärt DESYs Leitende Wissenschaftlerin und Göttinger Universitäts­professorin Simone Techert, die für die Implementierung der Zonenplatten, chemische Umgebung und Analyse verantwortlich war. „Die neuen Reflexions- und Transmissions­zonenplatten-Spektrometer ermöglichen kombiniert mit Flüssig­jets oder anderen schnell austauschbaren Proben­umgebungen deutlich effizientere RIXS-Untersuchungen an niedrig konzentrierten Proben im Bereich der weichen Röntgenstrahlung, mit der man aus Kohlenstoff und Stickstoff aufgebaute Proben gut untersuchen kann.“

Optisch betrachtet sind Reflexions­zonenplatten Alleskönner: Sie können optisches Licht oder auch Röntgen­strahlung reflektieren und gleichzeitig fokussieren. Bei entsprechender Beleuchtung trennen sie gleichzeitig die einzelnen Wellen­längen räumlich auf, so dass sie auf einem Detektor an unterschiedlichen Stellen gemessen werden können. „Reflexions­zonenplatten sind quasi der nächste logische Schritt in der Entwicklung von Röntgen­optiken“, sagt Jens Rehanek vom Paul-Scherrer-Institut. Er hat gemeinsam mit Zhong Yin die Experimente für die neuartige Verwendung der Zonenplatten entwickelt. „Sie ähneln in ihrer Wirk- und Arbeitsweise den konventionellen Röntgen­spektrometern, können allerdings das Licht nicht nur auf einen Punkt, sondern auch auf einen Strich fokussieren.“ Da Zonenplatten außerdem näher an der Probe positioniert werden, lassen sich schwache Signale wesentlich effizienter messen.

Um einen Nachteil der Zonenplatten, den kleineren, messbaren Energiebereich, zu umgehen, wendeten die Forscher einen Trick an: Sie positionierten die Zonenplatte etwas weiter weg von der Probe als vorgesehen und konnten so einen größeren Energie­bereich mit ähnlich guter Auflösung wie die der konventionellen Spektrometer vermessen. „Mit der Reflexions­zonenplatte haben wir ein Spektrometer mit hoher Effizienz und guter Auflösung in einer größeren Bandbreite für Proben in kleiner Menge konstruiert“, betont Rehanek. Die Theorie als auch die Technologie von Reflexions­zonenplatten wurden seit 2008 im Institut für Nanometer­optik und -technologie am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie (HZB) unter der Leitung von Alexei Erko entwickelt und in verschiedenen Bereichen von Synchrotron- und FEL-Experimenten sowie Röntgen-Laboranwendungen eingesetzt.

In einer zweiten Studie entwickelten Forscher ein Spektrometer, das auf einer ähnlichen Optik basiert und auch für die Untersuchung von komplizierten chemischen und biochemischen Reaktionen geeignet ist. Fresnel-Zonenplatten können nicht nur zur Reflexion von Röntgen­strahlung verwendet werden, sondern sie fokussieren als Transmissions­zonenplatten das ausgestrahlte Röntgenlicht und trennen dieses in die einzelnen Wellenlängen auf. Die am schweizerischen Paul-Scherrer-Institut hergestellten Transmissions­zonenplatten bestehen aus einer für Röntgen­strahlung durchsichtigen dünnen Membran und funktionieren ganz ähnlich wie Linsen für sichtbares Licht. Die Forschergruppe demonstrierte mit diesen Zonenplatten, dass man ihre speziellen Eigenschaften dafür nutzen kann, die Spektren der Strahlung besonders effizient zu messen.

Auch hier nutzen die Forscher aus, dass die Zonenplatte das Licht in zwei Richtungen fokussieren kann, so dass Röntgen-Abbildungs­methoden mit spektraler Information möglich sind und ein einzelnes multi­dimensionales Röntgenspektrum, eine „RIXS-Karte“, in einer Messung simultan für verschiedene Einstrahlungsenergien aufgenommen werden kann. Dadurch kann man mit den Transmissions­zonenplatten sehr schnell räumliche Unterschiede im abgestrahlten Spektrum untersuchen und sogar ein Bild der Proben­oberfläche erzeugen. „Grundsätzlich wäre dies zwar auch mit einem herkömmlichen RIXS-Spektrometer möglich, durch die besonderen Abbildungs­eigenschaften der Transmissions­zonenplatten konnten wir solche Messungen jedoch parallel (und nicht Punkt für Punkt) durchführen, was das Verfahren um einen Faktor Hundert beschleunigt“, betont Christian David, Direktor am Institut für Nano­optik am PSI und verantwortlich für das Design und die Herstellung der Zonenplatte.

Beide Neuentwicklungen bieten eine Alternative zu den bisherigen Röntgen­spektrometern; gerade zeitaufgelöste Experimente an chemischen und biochemischen Reaktionen profitieren von der hohen Effizienz. „Da die Spektrometer jeweils nur eine Optik verwenden, sind sie sehr kompakt und dadurch flexibel einsetzbar“, sagt Felix Marschall vom PSI. Die Entwicklung der neuen Methoden steht allerdings auch am Anfang und das Potenzial der Zonenplatten ist noch nicht ausgeschöpft: „Wir arbeiten bereits an weiteren Studien, in denen wir den Aufbau weiter optimieren und zusätzliche Einsatzmöglichkeiten der Zonenplatten testen“, sagt DESY-Forscher Jens Viefhaus, der die Test­messungen mit den neuen Spektrometern an DESYs Röntgen­lichtquelle PETRA III betreut hat.

DESY / DE

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